„Kiss Cam“-Affäre wird zur digitalen Hinrichtung – doch ist das überhaupt legal?
Das „Kiss-Cam“-Video eines Coldplay-Konzerts, das die Affäre von Ex-Manager Andy B. und seiner Personalchefin entlarvte, sorgt weiterhin für Schlagzeilen. Doch ist die Veröffentlichung solcher Aufnahmen rechtlich zulässig? Der exxpress hat bei Rechtsanwalt Dr. Michael Lindtner nachgefragt.
Die innige Umarmung zwischen Andy B., Ex-CEO der US-Firma Astronomer, und Personalchefin Kristin C., eingefangen von der „Kiss Cam“ bei einem Coldplay-Konzert, sorgt weltweit nach wie vor für großes Aufsehen. Der Grund: Beide sind verheiratet – jedoch nicht miteinander. Was also wie ein peinlicher Konzertmoment begann, entwickelte sich im Netz zu einer digitalen Hinrichtung. Dass das Mitleid mit den beiden begrenzt bleibt, überrascht kaum – schließlich bleibt eine Affäre eine Affäre.
Doch dürfen solche Bilder rechtlich gesehen überhaupt verbreitet werden? exxpress hat bei Anwalt Dr. Michael Lindtner nachgefragt – und erhielt eine klare rechtliche Einschätzung.
„Der Kauf eines Konzerttickets allein stellt keine Zustimmung dar, vom Veranstalter oder anderen Konzertteilnehmern gezielt gefilmt oder fotografiert zu werden.“ Zwar versuchen viele Veranstalter, das Filmen über AGB oder Hausordnungen zu regeln, doch: „Ob solche Regelungen wirksam sind, muss aber stets im Einzelfall beurteilt werden“, so Lindtner.
„Kein überwiegendes öffentliches Informationsinteresse“
Besonders relevant sei der Bildnisschutz im Urheberrechtsgesetz. Demnach ist die öffentliche Verbreitung eines Bildes einer Person unzulässig, „wenn dadurch berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden. Das ist z. B. der Fall, wenn die Aufnahme in einen negativen Kontext gesetzt oder missverständlich dargestellt wird.“ Das gelte besonders bei Personen, die „nicht in der Öffentlichkeit stehen (das können auch CEOs sein)“, da hier „kein überwiegendes öffentliches Informationsinteresse vorliegt.“
Auch datenschutzrechtlich sei die Sache heikel: „Die Veröffentlichung und Verbreitung von Bildmaterial von Privatpersonen ist auch aus datenschutzrechtlicher Perspektive grundsätzlich untersagt.“
Ein weitverbreiteter Irrtum sei zudem, dass Social-Media-Posts zur Weiterverbreitung freigeben würden: „Selbst eigene Veröffentlichungen in sozialen Medien bedeuten keine Zustimmung zur Weiterverwendung in anderen Medien oder Kontexten.“
Betroffene hätten Anspruch auf Unterlassung, Löschung und unter bestimmten Voraussetzungen auch auf Schadenersatz – doch: „Die praktische Durchsetzung, vor allem von Löschungsansprüchen, stößt bei ‚viral gegangenen‘ Fotos bzw. Videos de facto an ihre Grenzen.“
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