Ein paradoxes Bild: Während Schweden aus allen Nähten platzende Gefängnisse meldet, stehen in Estland hunderte Zellen leer. Wie Focus berichtet, haben die beiden Länder nun eine Vereinbarung getroffen, die es Schweden erlaubt, bis zu 600 Häftlinge nach Estland zu verlegen.

Im Gefängnis von Tartu sind derzeit nur knapp 300 der 933 Plätze belegt. Schon ab Herbst 2026 sollen Häftlinge aus Schweden dort einziehen. Der Deal sieht vor, dass Schweden für 300 Plätze eine Mindestzahlung von 30,6 Millionen Euro jährlich überweist. Für jeden zusätzlichen Insassen wird ein monatlicher Betrag fällig – was nach Angaben des schwedischen Justizministers Gunnar Strömmer immer noch günstiger ist, als die Unterbringung im eigenen Land.

Ein Opfer des eigenen Erfolgs?

Estlands Strafvollzugschef Rait Kuuse erklärt den Hintergrund der ungewöhnlichen Maßnahme so: „Wir haben nicht erwartet, dass die Zahlen so schnell sinken und sind in gewisser Weise ein Opfer unseres eigenen Erfolgs.“ Denn seit Jahren halbieren Reformen, Präventionsarbeit und elektronische Überwachung die Zahl der Gefangenen.

Doch nicht jeder in Estland jubelt. Kritiker warnen vor einem Import gefährlicher Straftäter und sehen die innere Sicherheit gefährdet. Zwar versprechen die Regierungen, keine Terroristen oder hochrangigen Gangmitglieder zu verlegen, doch Skepsis bleibt.

Gefängnis oder Hostel?

Trotz aller Sorgen: Die Haftbedingungen in Estland und Schweden sollen vergleichbar sein. Zehn Quadratmeter große Zellen mit Etagenbett, Bad und Fenster, dazu Sportanlagen, Kunstwerkstatt und sogar ein Musikstudio – für viele klingt das mehr nach streng bewachtem Hostel als nach Knast.

Die Sprache dürfte die größte Herausforderung werden: Gefängnispersonal und schwedische Häftlinge sollen auf Englisch kommunizieren. Entlassungen in Estland sind ausgeschlossen – die Häftlinge werden mindestens einen Monat vor Haftende zurück nach Schweden gebracht.