Sein Job sei ihm gekündigt worden, sagt der Mann, den der Stern „Thomas Jedermann“ nennt, weil er anonym bleiben will. Kurz nach Veröffentlichung des Videos begann eine Hetzjagd auf ihn. Er war erkannt und mit Klarnamen genannt worden. Zahlreiche Menschen hinterließen auf dem Instagram-Profil seines Arbeitgebers öffentliche Kommentare wie diesen: „Ich bin sowohl Geschäftskundin als auch Privatkundin, ich erwarte eine sofortige Trennung von Thomas Jedermann, sonst werde ich umgehend alle meine Verträge kündigen.“

In den folgenden Tagen kam der Arbeitgeber auf ihn zu und wollte wissen, was geschehen sei. Er machte klar, dass er nicht mitgegrölt habe und nur am Rande der Gruppe stand. Trotzdem wurde er entlassen. Er war zehn Jahre bei der Firma gewesen. Seine berufliche Karriere sei durch dieses Video zerstört, sagt er zu der Juristin der Personalabteilung. „Am Schluss werden Sie feststellen, dass es einen Unschuldigen trifft.“

So geschah es: Das Landgericht Hamburg hat festgestellt, dass er unbeteiligt gewesen sei: „Es ist weder ersichtlich noch vorgetragen, dass der Antragsteller an dem aufsehenerregenden Verhalten einiger Partygäste (Gesang) mitgewirkt hat, noch, dass er sich mit den Verhalten einverstanden gezeigt hat.“

„Zur falschen Zeit am falschen Ort“

Doch das nutzt Thomas Jedermann wenig. Er musste neben seinem Job auch seine Lehraufträge an drei Hochschulen aufgeben. Sein Anwalt Norman Buse sagt: Es ist die Geschichte eines Mannes, der „zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort war und an den Medienpranger gestellt wurde“.

Zur Erinnerung: Das „Sylt-Video“ zeigt eine Menschengruppe im „Pony“. Einige sangen zur Melodie von Gigi D’Agostino „L’Amour toujours“ die Zeile „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“. Ein Mann zeigte eine Geste, die einen Hitlergruß zu imitieren schien. Sogar Bundeskanzler Scholz äußerte sich zu dem Vorfall und nannte die Parolen „eklig“. Nach dem Vorfall haben die Betreiber des „Pony“ Strafanzeige gegen die Partygäste gestellt. Die Republik stand kopf, als stünde die Machtergreifung der Nazis vor der Tür.

Der Mann, der sich nun im Stern äußert, befand sich in unmittelbarer Nähe der Beteiligten – und kannte sie. Er sagt jetzt: „Ich war geschockt. In so was bin ich noch nie reingeraten. Mir sind brüllende Horden immer unangenehm. Ich bin ein verträglicher Mensch. In der Situation war ich vollkommen überfordert und habe es ignoriert.“

Sieben Kilo hat Thomas Jedermann inzwischen abgenommen. „Zum Glück haben meine Familie und Freunde zu mir gehalten“, sagt er. Seine Lehraufträge hat er aufgegeben, weil er befürchtete, vor jeder neuen Vorlesung (alle ehrenamtlich) erklären zu müssen, „was war“. Das Arbeitsgericht hat in seinem Fall noch nicht entschieden, aber er ist unsicher, ob er seinen alten Job zurückbekäme. Beruflich steht er vor einem Scherbenhaufen. Der Mann, der zur falschen Zeit am falschen Ort war.

Der Text ist ursprünglich auf unserem deutschen Partner-Portal NIUS erschienen.