Neuwahlen in Dänemark – weil 15 Millionen Nerze wegen Corona getötet wurden
Dänemarks “Nerz-Skandal” hat ein politisches Nachspiel: Nun gibt es vorgezogene Neuwahlen. Im Herbst 2020 hatte die Regierung inmitten der Corona-Pandemie die gesamte dänische Nerzpopulation in Gefangenschaft töten lassen. So wollte sie die Ausbreitung einer Mutation des Virus verhindern.
6,55 Millionen Menschen weltweit sind seit Ausbruch der Pandemie an oder mit Corona gestorben. Weit tödlicher verlief die Covid-Krise für die Nerze in Dänemark. Hier war die Todeszahl mehr als doppelt so hoch: Im November 2020 hatte die dänische Regierung die Tötung von sage und schreibe 15 Millionen Zuchtnerzen im Land angeordnet. Die Pelztierfarmen wurden dafür entschädigt.
Das Ganze hat aber nun ein Nachspiel: Am 1. November finden überraschend vorgezogene Neuwahlen statt. Das teilte die sozialdemokratische Regierungschefin Mette Frederiksen (44) nun Königin Margrethe mit. Schon länger fordern linke wie rechte Parteien wegen des “Nerz-Skandals” Neuwahlen. Nun hat Frederiksen schließlich einem Ultimatum einer kleinen verbündeten Partei nachgegeben, die mit dem Sturz der Regierung gedroht hatte, sollten bis Donnerstag keine Neuwahlen angekündigt werden.
Nerze zählen zu Europas bedrohtesten Säugetierarten
Die seit Juni 2019 amtierende Frederiksen kämpft zurzeit wie andere europäische Regierungschefs vor allem gegen die hohe Inflation, allerdings verfolgt sie der “Nerz-Skandal” schon seit längerem.
Nerze zählen zu den bedrohtesten Säugetierarten Europas. Der Grund für die angeordnete Massentötung der Raubtierart aus der Familie der Marder: So wollte die Regierung die Verbreitung einer mutierten und auf den Menschen übertragbaren Form von SARS-CoV-2 verhindert. Es wurde befürchtet, dass sie die Wirksamkeit künftiger Impfstoffe beeinträchtigen könnte. Wie sich später herausstellte, fehlte für die Maßnahme aber jede rechtliche Grundlage. Diese wurde erst im Nachhinein geschaffen.
Frederiksen handelte vorsorglich, ohne Beweise
Im Juli war Frederiksen wegen der umstrittenen Massentötung vom Parlament gerügt worden. Es war ein symbolischer Akt ohne Konsequenzen. Er wurde von ihren Sozialdemokraten und deren Verbündeten im Parlament ausgesprochen. Zudem wurde entschieden, keine strafrechtlichen Prozesse anzustoßen. Noch im Juli forderten die verbündeten Linksradikalen Neuwahlen. Ansonsten würden sie sich der Opposition für ein Misstrauensvotum anschließen. Im September forderten auch sechs Oppositionsparteien in einem offenen Brief Neuwahlen.
Frederiksen rechtfertigte ihre Entscheidung zur Keulung der Nerze mit einer Risikoabwägung. Dabei fehlten jegliche Beweise dafür, dass die mutierte Version gefährlicher für den Menschen war als der Wildtyp. Sie habe vorsorglich handeln müssen, meint die Regierungschefin.
Dänemark ist der größte europäische Pelzproduzent
Andere Länder folgten damals dem Beispiel Dänemarks. Als erstes war die Mutation auf einer Pelzfarm in den Niederlanden nachgewiesen worden, in weiterer Folge mehr als 450 anderen Nerzfarmen, nicht nur in Dänemark, sonder auch in Spanien, Schweden, Italien, Frankreich, Polen, Griechenland, Litauen, Lettland, Kanada und den USA. In vielen der betroffenen Ländern wurden auf infizierten Farmen meist alle Tiere getötet.
Normalerweise beginnt auf Nerzfarmen die Tötung für die Pelzproduktion. Dänemark ist der größte Pelzproduzent Europas. Auch die Tiere in nicht-infizierten Farmen wurden allesamt gekeult. Dort war zuvor bei erkrankten Menschen eine mutierte Form des Coronavirus nachgewiesen worden, die sich in Nerzen entwickelt hatte und wieder auf Menschen übergesprungen war.
Überraschte Reaktionen aus der Wissenschaft
Die Maßnahme war schon damals auf Kritik gestoßen. Eine Mutation des Spike-Proteins des Sars-CoV-2-Virus sei an sich “nicht zwingend besorgniserregend”, erklärte ettwa Andreas Bergthaler vom Forschungszentrum für Molekulare Medizin (CeMM) in Wien gegenüber dem “Standard”. Zu Kopenhagens Entscheidung, alle Nerze in Gefangenschaft zu keulen, meinte er: “Die Maßnahmen, die dort getroffen wurden, sind offensichtlich radikal. Für die internationale Forschungsgemeinschaft ist bisher nicht klar, aufgrund welcher Entscheidungsgrundlage das passiert”.
Für Dänemark sind die Neuwahlen in gewisser Hinsicht eine Premiere: “Es ist das erste Mal, dass ein Justizskandal mehr oder weniger direkt zu Wahlen führt, auch wenn der ‘Regierungssturz’ in Zeitlupe stattfindet”, sagt der dänische Verfassungsrechtler Frederik Waage. Eigentlich hätten die nächsten Parlamentswahlen erst im Juni 2023 stattfinden sollen.
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