Österreich, das Land der Messerstechereien
Kaum ein Tag ohne Messerattacke: Ob am Bahnhof, im Asylheim oder mitten in der City – Österreich erlebt eine Gewaltwelle mit Klingen. Die Zahl der angezeigten Taten steigt seit 2015 unaufhaltsam und erreicht neue Rekorde. Ein Blick auf die vergangenen Tage.
In Favoriten besteht im Bereich Reumannplatz eine Waffenverbotszone. Die Messerstecher nehmen das Verbot allerdings nicht zur Kenntnis.APA/TOBIAS STEINMAURER
Sie gehören mittlerweile zu Österreichs Alltag wie das Amen im Gebet: Die täglichen Messerstechereien. Mit der Berichterstattung kommen die Medien gar nicht mehr nach, mehrmals täglich finden in Wien am Westbahnhof und in den neuen Waffebverbotszonen wie Yppenplatz oder der Messer-Hochburg Favoriten „Einzelfälle” statt.
Gestern stach ein Täter „mit schwarzen Haaren” um 14 Uhr am Reumannplatz einen 35-jährigen Syrer nieder, am Abend kam es am Brunnenmakt zu einem „Raufhandel unter zumindest acht Personen” von „Beteiligten im Alter von 20 bis 25 Jahren (Staatsbürgerschaften: Syrien und staatenlos)” ebenfalls mit Messerstechereien, wie die Landespolizeidirektion Wien bekannt gab. Auch am Sonntag wurde nicht geruht, sondern die Messer gezückt. In Wien wurden zwei junge Männer beim Praterstern von einer Teenager-Gruppe niedergestochen, in Kärnten blieb man gleich unter sich und kam in einem Asylheim zur Sache.
14-jährige Täter keine Seltenheit
In einer Asylunterkunft im Bezirk Wolfsberg stach ein 20-jähriger Syrer einen 18-jährigen Syrer in den Bauch. Der 20-Jährige sitzt nun in Untersuchungshaft, der 18-Jährige liegt auf der Intensivstation.
Zurück nach Wien: Hier kam es bei der U-Bahnstation Westbahnhof kurz vor Mitternacht auf Dienstag zu einem „Raufhandel unter sechs Personen”, der zum Niederstechen eines 37-jährigen Österreichers führte, der schwer verletzt mit der Rettung ins Krankenhaus gebracht wurde. Der Täter: Ein 14-jähriger (!) Syrer.
Ist bei all diesen „tragischen Einzelfällen” der Täter stets ein junger Mann oder gar noch Kind aus dem arabischen Raum – besonders in Syrien verlässt man offensichtlich das Haus nicht ohne Messer –, der in Österreich Schutz vor Gewalt in seinem Heimatland sucht, gibt es auch ab und zu eine Überraschung: Derzeit wird in Wien ein versuchter Mord verhandelt, bei dem das weibliche Geschlecht das Messer zückte.
Konkret handelt es sich um die Messerattacke vor einem Lokal am Donaukanal vom 13. April. Eine 20-Jährige stach auf dem Treppelweg auf eine 27-Jährige ein, und zwar in Rücken und Schulter; Durchstechen des Schulterblattes inklusive. Genaueres zum Tathergang können weder Täter noch Opfer schildern, da alle Beteiligten stark alkoholisiert waren, bzw. die Begleitung der Messerlady, die auch ihre Freundin vom weiteren Einstechen abhielt, Kokain konsumiert hatte. Bei der Tatwaffe handelt es sich um ein Klappmesser, das die 20-Jährige in ihrem BH mitführte. Interessant: Die Täterin, laut ihrem Anwalt eine Hauptschulabbrecherin mit „einem äußerst niedrigen Bildungsniveau”, wurde erst im Jänner wegen versuchter absichtlicher schwerer Körperverletzung aus der Haft entlassen.
15-jähriger Staatenloser bereits amtsbekannt
Doch auch in der eleganten Mozartstadt Salzburg geht es mittlerweile wenig nobel zu. Am Sonntagabend bedrohte ein 15-jähriger Staatenloser einen 19-Jährigen in Elisabeth-Vorstadt mit einem Messer. Nach kurzer Fahndung wurde der 15-Jährige festgenommen, es handelt sich um einen trotz des jugendlichen Alters bereits Amtsbekannten: Gegen den Staatenlosen besteht bereits ein Waffenverbot.
Wie wenig sich junge Syrer oder Staatenlose von einem verhängten Waffenverbot oder einer Waffenverbotszone beeindrucken lassen, ist offensichtlich. Doch, um nicht Vorurteile gegen Schutzsuchende aus dem Morgenland zu schüren: Es sind nicht immer Männer aus dem Osten, die gerne ihre Mitmenschen mit scharfen Klingen traktieren. Am Samstagabend wurden am Wiener Westbahnhof drei Männer von einem Messerstecher so schwer verletzt, dass sie von der Rettung versorgt werden mussten und anschließend ins Krankenhaus gebracht wurden. Das Messer führte dieses Mal ein 30-Jähriger mit somalischer Staatsangehörigkeit. Die Attacken kamen völlig aus dem Nichts, es habe laut den Opfern überhaupt kein Kontakt mit dem Somalier gegeben.
Bereits am frühen Vormittag wird zugestochen
Welche Staatsangehörigkeit der Messerstecher von der Floridsdorfer Hauptstraße hat, ist unbekannt, da er nicht gefunden wurde. Zur Erinnerung (den Überblick über all die Messerstechereien in Wien zu behalten ist schwer): Vor zwei Wochen wurde ein 33-Jähriger am Vormittag von Passanten mit Stichwunden aufgefunden. Eine Großfahndung im Bereich rund um den Wasserpark bei der Oberen Alten Donau blieb ohne Ergebnis. Hier schließt die Polizei einen „möglichen Zusammenhang zum Obdachlosenmilieu” nicht aus.
Kurz zum Abschluss ein Blick auf die polizeilichen Kriminalstatistik. „Im Jahr 2024 wurden in Österreich rund 2.600 Gewalttaten bei der Polizei zur Anzeige gebracht, bei denen Stichwaffen verwendet, mitgeführt oder deren Einsatz angedroht wurden. Damit stieg die Zahl der Gewaltdelikte mit Messern das vierte Jahr in Folge und auf den höchsten Stand im Beobachtungszeitraum”, so nachzulesen auf statista.com. Die Zunahme der Stichwaffen-Gewalttaten wird mit einer Statistik visuell dargestellt, Beginn ist 2014, ab 2015 gehen die Messerattacken in die Höhe (siehe Bild). Sogar im Corona-Lockdown-Jahr gab es mehr Messerstechereien als vor 2015.
Zu beachten ist, dass es sich um eine reine Anzeigenstatistik handelt. Es werden nur Messerattacken in der Statistik erfasst, die bei der Polizei angezeigt und an das Gericht übermittelt wurden. Die Dunkelziffer der Messerattacken wird in dieser Statistik ebenso wenig erfasst wie der Ausgang der Gerichtsverfahren.
Wie kann jemand in Österreich staatenlos sein?
In Österreich ist man staatenlos, wenn man von Geburt an keine Staatsangehörigkeit bekommt, etwa weil die Eltern selbst staatenlos sind. Auch wer seine frühere Staatsbürgerschaft verliert und keine neue erhält, gilt als staatenlos. Diese Personen bekommen zwar eigene Ausweise, sind aber in vielen Rechten eingeschränkt, etwa beim Reisen oder Arbeiten.
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