Österreichs Städte im Minus – so tief stecken unsere Gemeinden im Schuldensumpf
Trotz voller Auftragsbücher und Milliardenhilfen nach der Pandemie geraten Österreichs Städte und Gemeinden immer tiefer in die roten Zahlen – von Wien bis ins letzte Dorf wächst die Schuldenlast rasant.
Österreich rutscht in die finanzielle Gefahrenzone: Der öffentliche Haushalt weist für 2024 ein Defizit von 4,7 % des BIP aus – rund 22,5 Milliarden Euro. Der Schuldenstand stieg auf 394,1 Milliarden Euro, was einer Quote von rund 81,8 % des BIP entspricht. Auf Gemeindeebene türmen sich Schuldenberge auf: Jeder Einwohner müsste im Schnitt etwa 2.639 Euro zahlen, um die Gemeindeschulden (Stand 2023) vollständig zu tilgen.
Niederösterreich steckt mitten in der Krise
Fast 300 der insgesamt 573 Gemeinden in Niederösterreich gelten laut einer Analyse des Kurier als finanziell schwer angeschlagen. Das bedeutet: Jede zweite Gemeinde steht unter besonderer Finanzaufsicht des Landes. Rund 200 davon wurden zu sogenannten Konsolidierungsgemeinden erklärt – sie müssen jeden Schritt ihres Budgets eng mit dem Land abstimmen. 26 Gemeinden stehen sogar unter vollständiger Kuratel, also direkter Kontrolle der Landesregierung.
Besonders prekär ist die Situation in Orten wie Horn oder Ybbs an der Donau. Beide Städte verkaufen derzeit Gemeindewohnungen, um Löcher im Haushalt zu stopfen. In Horn betrifft das zwei Wohnhäuser mit insgesamt 42 Einheiten, deren Sanierung man sich schlicht nicht mehr leisten kann. In Ybbs soll der Verkauf von 99 Wohnungen helfen, den drohenden Abgang im Budget zu verringern. Es wird inzwischen in nahezu allen Bereichen gespart: Subventionen für Vereine wurden bis 2027 gestrichen, und auch die Ybbser Verkehrsbetriebe werden geschlossen – ab 1. Jänner übernimmt die NÖVOG den Betrieb der sieben Linien.
Auch größere Städte stehen unter Druck. Wiener Neustadt präsentiert sich zwar mit einer „schwarzen Null“, doch das Plus in der Bilanz war nur durch Verschiebung von Darlehen ins nächste Haushaltsjahr möglich. Ohne diesen buchhalterischen Trick hätte ein Minus von rund sechs Millionen Euro zu Buche gestanden. Bürgermeister Klaus Schneeberger (ÖVP) spricht trotzdem von „soliden Finanzen“ – Kritiker warnen vor Schönfärberei.
Hauptstadt in der roten Zone
Wiens Schuldenproblem hat längst historische Dimensionen. Ende 2024 betrug der Schuldenstand laut Budgetvoranschlag rund 15 Milliarden Euro. Bis 2030 soll er auf 26,57 Milliarden Euro steigen, konservative Schätzungen der Opposition gehen sogar von 30 Milliarden Euro aus, wenn stadteigene Unternehmen einbezogen werden.
Der Fehlbetrag im Budget 2025 liegt bei 3,25 Milliarden Euro – und selbst wenn sich diese Zahl in den Folgejahren leicht verringert, bleibt der Trend eindeutig negativ. Um gegenzusteuern, greift die Stadtregierung tief in die Tasche der Bürger: Parkpickerl, Öffi-Tickets und Müllgebühren steigen teils um 30 Prozent. Gleichzeitig wird bei sozialen Leistungen gespart – Mindestsicherung, Obdachlosenhilfe und Suchteinrichtungen wurden bereits gekürzt. Besonders umstritten ist der Wegfall des warmen Mittagessens in Winterquartieren und die Schließung sozialpsychiatrischer Einrichtungen.
Selbst bei den Großprojekten bremst die Stadt. Die Fertigstellung der U5 wird auf 2030 verschoben, die U2-Verlängerung nach Wienerberg ebenfalls. Laut Magistrat spart Wien dadurch bis zu 20 Millionen Euro an Betriebskosten über vier Jahre – doch Experten warnen: Verzögerungen kosten langfristig mehr, als sie kurzfristig bringen.
Salzburg zeigt, wie’s besser geht
Während im Osten Alarmstimmung herrscht, gilt Salzburg als Positivbeispiel. Mit einer durchschnittlichen Pro-Kopf-Verschuldung von nur 862 Euro (Stand 2023) sind die Gemeinden dort die Musterschüler der Republik. Der Grund liegt im System: Salzburg behält im Vergleich zu anderen Ländern besonders wenig von den kommunalen Steuereinnahmen ein – die sogenannte Landesumlage fällt hier niedriger aus als etwa in Oberösterreich oder Kärnten.
Salzburgs Gemeinden profitieren außerdem von disziplinierten Finanzstrategien: Viele haben in den letzten Jahren Personal reduziert, Großprojekte gestreckt und verstärkt auf Kooperationen gesetzt. Der Ort Elixhausen führt das aktuelle Bonitätsranking des KDZ – Zentrum für Verwaltungsforschung als finanziell stärkste Gemeinde Österreichs an. Einige Kommunen wie Oberalm, St. Johann im Pongau oder Zederhaus sind sogar komplett schuldenfrei.
Beim österreichischen Gemeindetag in Klagenfurt forderte Salzburgs Landtagspräsident Johannes Pressl (ÖVP) Reformen bei der Verteilung der Steuermittel. „Wir brauchen stabile Finanzen und mutige Reformen. Wenn wir ab 2030 Netto-Null-Neuverschuldung schaffen wollen, müssen CO₂- und Digitalsteuer auch an die Gemeinden fließen“, sagte Pressl.
Was bedeutet das für die Bürger vor Ort?
Die Folgen der Finanzkrise spüren die Menschen zunehmend direkt. In vielen Gemeinden werden Freizeit- und Kulturangebote gestrichen, Musikschulen geschlossen oder Veranstaltungen abgesagt. Jugendzentren kämpfen ums Überleben, während Förderungen für Vereine oder Ehrenamt immer knapper werden.
Gleichzeitig steigen Gebühren: Kindergartenbeiträge, Müllabfuhr, Parkgebühren, Friedhofskosten – alles wird teurer. Wer in Städten wie Wien oder Graz lebt, zahlt im Jahr 2025 deutlich mehr als noch vor einem Jahr.
Und wenn die Einnahmen trotzdem nicht reichen, wird verkauft: Wohnanlagen, Baugründe oder Beteiligungen an kommunalen Betrieben werden zu Geld gemacht. „Das Tafelsilber der Gemeinden schmilzt dahin“, warnen Finanzexperten.
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