Mittwoch, 23. Juli 2025. Das Ö1-Morgenjournal wettert gegen den exxpress – ohne vorherige Rückfrage oder Möglichkeit zur Stellungnahme. So viel zur „journalistischen Sorgfaltspflicht“ des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

Der Anlass: Der exxpress erhält – wie viele andere Medien – Qualitätsjournalismus-Förderung. Die Summe? Gerade einmal 41.300 Euro. Zum Vergleich: Andere kassieren Hunderttausende oder gar Millionen. Doch für den ORF, der jährlich mit bis zu 710 Millionen Euro an Zwangsgebühren finanziert wird, ist offenbar selbst diese kleine Summe schon ein Skandal. Begründung: Die Berichterstattung des exxpress sei „tendenziös“.

Nun ja – sie ist halt nicht auf ORF-Linie und stellt das öffentlich-rechtliche Meinungsmonopol infrage. Insofern ist dieser Vorwurf von dort ein Kompliment – aber das nur am Rande.

Große Töne im ORF – doch selbst wenig Sorgfalt bei der Faktenprüfung.IMAGO/IMAGO

Ausgerechnet eine „Fakten-Expertin“, die selbst falsch zitiert

Im mehrminütigen Ö1-Beitrag kommt der exxpress selbst kein einziges Mal zu Wort. Das ist offenbar der Qualitätsjournalismus à la ORF.

Stattdessen darf Andrea Gutschi, Journalistin beim Medienwatchblog Kobuk, ausführlich gegen den exxpress wettern. Ihre Rolle ist klar: Sie soll unterstreichen, warum der exxpress keine Förderung verdient. Ihre Behauptung: Der exxpress arbeite mit „nicht faktengecheckten Informationen“, verbreite „sehr viel Meinung und sehr viel Polemik“.

Kurze Anmerkung: Unsere Aufgabe ist genau das Gegenteil. Dort, wo andere Pressemitteilungen und wiedergekäute Gemeinplätze ungeprüft übernehmen, fragen wir nach. Das Ergebnis gefällt nicht jedem – also nennt man es pauschal „Polemik“, um sich damit nicht befassen zu müssen.

Im ORF-Funkhaus: Tendenziöse Kritik an der Konkurrenz – ganz ohne Gegendarstellung, finanziert mit Zwangsbeiträgen.APA/GEORG HOCHMUTH

Ein Blick auf Gutschis jüngsten Anti-exxpress-Artikel enthüllt dann Erstaunliches: Die „Medienjournalistin“ entpuppt sich dort tatsächlich als Expertin für Fake News – im praktischen Sinne.

Der exxpress kritisiert irreführende Schlagzeilen – nicht die Wissenschaft

Die Fake-News-Expertin bedient sich in ihrem Beitrag „Eine ,simple Binsenweisheit’ – wie der Exxpress den Klimabericht kleinredet“ genau jener Methoden, die sie angeblich aufdeckt: aus dem Zusammenhang gerissene Zitate und Fakten, verzerrte Darstellungen.

Schon der Titel des Artikels ist eine bewusste Irreführung. Der vom exxpress veröffentlichte Beitrag richtet sich weder gegen den Klimabericht selbst, noch gegen die Forschung oder deren Autoren – sondern gegen die medial transportierte Hauptschlagzeile, möglicherweise auch beeinflusst durch eine problematisch formulierte Presseaussendung des Landwirtschaftsministeriums.

Doch Gutschi unterstellt dem exxpress, die Wissenschaft zu „relativieren“ oder sogar zu „diskreditieren“ – eine glatte Falschbehauptung.
Kurz: Andrea Gutschi bekämpft angebliche Fake News – mit echten Fake News.

Sehen wir uns das kurz etwas genauer an:

Worum es dem exxpress tatsächlich ging

Mitte Juni erschien der neue Klimabericht, an dem rund 200 Forscher über drei Jahre lang gearbeitet haben. In einer Aussendung des Landwirtschafts- und Klimaschutzministeriums wurde gleich zu Beginn eine Zahl hervorgehoben:

„Die Temperatur in Österreich ist seit 1900 um rund 3,1 °C gestiegen – mehr als doppelt so stark wie im globalen Durchschnitt.“

Das Wichtigste zuerst – ohne die triviale Begründung zu liefern.Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Klima- und Umweltschutz/Screenshot

Zahlreiche Medien – auch orf.at – griffen das sofort auf. Die Botschaft: Österreich ist besonders stark vom Klimawandel betroffen.

Die Medien schlagen Alarm.EXXPRESS/Screenshot

Der exxpress stellte genau das infrage – mit einer simplen, aber entscheidenden Erklärung: „Die Erde besteht zu rund 70 Prozent aus Ozeanen – und Wasser speichert Wärme viel langsamer als Land. Deshalb bremst der riesige Ozean die globale Durchschnittstemperatur aus. Auf dem Festland dagegen geht es viel schneller“.

Heißt: Dass sich Österreich schneller erwärmt als der globale Durchschnitt ist keine Sensation, sondern eine statistische Selbstverständlichkeit. Das eigentlich Überraschende wäre das Gegenteil.

Der exxpress zeigte auch: Solche dramatisierenden Aussagen wurden in den vergangenen Jahren weltweit verwendet – von Finnland bis Mexiko, von Kanada bis zur Arktis. Offenbar ist jedes Land ein besonders armes „Hitzeopfer“ – was die Aussage in sich ad absurdum führt. Ein paar Beispiele von vielen:

„Bericht warnt: Kanada erwärmt sich doppelt so schnell wie die Welt“US News/Screenshot
TAZ/Screenshot
Auch „Russland erwärmt sich fast doppelt so schnell wie die Welt, warnt Wissenschaftler“Anadolu Ajansı/Screenshot
wetter.de/Screenshot

Was die Fake-News-Expertin daraus macht

In ihrem Anti-exxpress-Bashing muss die vom ORF hofierte „Medienjournalistin“ zunächst einräumen: Ja, das stimmt. Die Aussage des exxpress ist korrekt. „Österreich ist nicht das einzige Land, das sich schneller als der globale Durchschnitt erwärmt.“ Auch die Begründung – die sich langsamer erwärmenden Ozeane – stimmt.

Kobuk/Screenshot

Dieses Eingeständnis benützt sie aber für ein Vorwurf, der sachlich nicht haltbar ist.

Gutschi behauptet, der exxpress ziehe „irreführende Schlüsse“ und liefere ein „verzerrtes Gesamtbild“, der gesamte Klimabericht werde „relativiert“, dessen Autoren – die Wissenschaftler – würden diskreditiert, „hätten an diesem ‚Schauermärchen‘ ‚getüftelt‘, um am Ende eine ‚simple Binsenweisheit‘ zu veröffentlichen“, überdies betreibe der Bericht nur „Panikmache“.

Kobuk/Screenshot
Kobuk/Screenshot
Kobuk/Screenshot
Kobuk/Screenshot

Das ist alles ausnahmslos falsch. Nichts von all dem findet sich in dem Artikel.

Kritik an Schlagzeilen – nicht an Wissenschaft

Der Begriff „Schauermärchen“ bezieht sich beim exxpress ausdrücklich nicht auf den Klimabericht oder seine Autoren, wie Andrea Gutschi tatsachenwidrig behauptet – sondern klar auf die mediale Dramatisierung weltweit. Gemeint sind die Medien, die in Dutzenden Ländern exakt denselben Alarmton anschlagen – nicht die Forschung selbst.

Exxpress/Screenshot

Die Kritik richtet sich eindeutig nicht gegen den Bericht, sondern gegen das, was daraus gemacht wurde. Der exxpress betrieb Medienkritik, nicht Wissenschaftskritik – wie so oft, wenn es um Klima-Berichterstattung geht. Ironischerweise ist das genau jene Aufgabe, die sich Kobuk selbst auf die Fahnen schreibt, aber bei alarmierender Klimapanikmache verweigert, weil es nicht ins ideologische Raster passt.

Alle von Gutschi zitierten Begriffe fielen ausschließlich im Kontext der medialen Darstellung, etwa wenn der exxpress schrieb: „Etliche Medien griffen die Meldung dankbar auf – sie wurde zur dominierenden Schlagzeile des Tages.“

Exxpress/Screenshot
Exxpress/Screenshot
Exxpress/Screenshot

Dann folgte die Berufung auf den Comedian Dieter Nuhr, der in Deutschland dieselbe Kritik an der Schlagzeile „Deutschland erwärmt sich schneller als der globale Durchschnitt“ übte. Dazu der exxpress: „Würden die heimischen Medienmacher (sic!) öfter Comedians zuhören, wären sie bei solchen Fragen besser informiert – wer hätte das gedacht.“

Exxpress/Screenshot

Am Ende des Artikels wird nochmals gefragt, warum der Steuerzahler drei Jahre Forschung finanziert hat, nur um dann als zentrale Botschaft eine „simple Binsenweisheit als großes Ergebnis verkauft (sic!)“ zu bekommen – als angeblich großes Ergebnis.

Exxpress/Screenshot

Die Antwort bleibt offen. Aber eine liegt nahe: Weil es ein willkommener Anlass war, ein längst bewährtes Schauermärchen auch dem österreichischen Publikum aufzutischen – medial wirksam, politisch nützlich und völlig unkritisch verbreitet.

Desinformation im Namen der Aufklärung

Die Medienjournalistin schreibt in ihrem Artikel: „Mit korrekten Fakten zu arbeiten, diese aber komplett aus dem Zusammenhang zu reißen, um eine ganz andere Geschichte zu erzählen: Das ist ein klassisches Mittel der Desinformation.“ Genau das hat sie selbst getan.

Der exxpress kritisiert seit Langem die anhaltende Klima-Panikmache in vielen Medien. Wer all das ernst nimmt, wird tatsächlich zum Klima-Hysteriker:
Wie ein Hypochonder, der in jedem Ziehen im Bauch sofort Krebs im Endstadium vermutet, sieht er dann in jedem beschwerlichen Wetterereignis – ob Hitze, Überschwemmung, Sturm oder Waldbrand – ein Anzeichen für ein drohendes Weltuntergangsszenario.

Schon mehrfach wurden dramatische Berichte über Extremwetter in Qualitätsmedien später von der Wissenschaft relativiert oder widerlegt.
Doch darüber erfährt man beim „Medienwatchblog“ Kobuk nichts. Denn offenbar geht es dort gar nicht um sachliche Aufklärung, sondern um eine klare ideologische Schlagseite – und das pauschale Schlechtmachen von Boulevardmedien wie dem exxpress. Wer der geforderten Linie widerspricht, wird diskreditiert – nicht widerlegt.