Kurz darauf hat der arabischstämmige Christ sein Land verlassen. Im April 2023 spitzte sich die Situation in dem von unzähligen Militärputschen und Konflikten gebeutelten Land zu.

Die Spannungen zwischen den paramilitärischen „Rapid Support Forces“ („Schnelle Unterstützungskräfte“, RSF) und der sudanesischen Armee (SAF) eskalierten – und hören nicht auf. Zwölf Millionen Menschen sind auf der Flucht vor dem Bürgerkrieg, ungefähr 150.000 sind bereits getötet worden.

Die Leidtragenden sind Minderheiten – vor allem Christen. Auf dem Weltverfolgungsindex der christlichen Hilfsorganisation „Open Doors“ liegt der Sudan auf Platz 5 – von 50 Ländern, in denen Christen Diskriminierung und Verfolgung am stärksten ausgesetzt sind. „Open Doors“ schätzt, dass ungefähr 4,1 Prozent der Bevölkerung im Sudan Christen sind. Der Großteil ist muslimisch.

Geheime Konvertiten, Todesdrohungen, Flucht: Christen seit Jahren im Visier

NIUS sprach mit einem sudanesischen Christen, der inzwischen in einem Land im Nahen Osten wohnt. Aus Sicherheitsgründen muss seine Identität geheim gehalten werden. Im NIUS-Interview erzählt er, durch welches Leid die Christen im Land gehen müssen, ob es gezielt einen Völkermord an ihnen gibt und wieso der Sudan fest in der Hand von Islamisten ist.

NIUS: Was passiert derzeit in der Region Darfur? Es gibt Medienberichte, dass Christen dort systematisch von der islamistischen paramilitärischen Miliz Rapid Support Forces (RSF) getötet werden. Stimmt das?

SUDAN: Zur Einordnung, was mit Christen im Sudan passiert: Ja, sie sind seit 2003 im Visier von arabischen Stämmen – sowohl von der Armee als auch von aggressiven Milizen. Damals gab es Kämpfe der arabischen Milizen in Darfur. Seitdem gibt es nicht mehr viele Kirchen und Christen unter den Darfuris. Aber 2007 gab es eine Welle der Bekehrung in der Region – besonders unter afrikanischen Arabern. Einige Muslime wurden zu Christen. Viele von ihnen waren deshalb gezwungen, das Land zu verlassen. Wie Sie wissen: Wenn du vom Islam abfällst, wirst du nach dem Gesetz und Gewohnheitsrecht zum Tode verurteilt. Einige flohen nach Ägypten, einige nach Europa. In den Flüchtlingslagern gibt es viele sudanesische Christen, die meisten mit arabischem Hintergrund. Die Regierung wollte uns Christen nicht im Land haben, es gab Angriffe.

„Christen leiden am meisten“

NIUS: Wie ist die aktuelle Lage für die Christen in Darfur?

SUDAN: Was jetzt in Darfur passiert, richtet sich nicht ausschließlich gegen Christen. Aber Christen leiden am meisten, weil beide Seiten sie nicht wollen: Viele können nicht zu ihren ursprünglichen Stämmen oder in ihre Heimat zurück, weil sie ursprünglich aus muslimischen Familien stammen und diese sie nicht wollen. Viele von ihnen sind aus arabischen Stämmen, deshalb sind sie weder bei den RSF noch bei der Armee willkommen. Das ist die Lage der Christen.

NIUS: Können Sie uns mehr über den Konflikt in der Region Darfur erzählen?

SUDAN: Über lange Zeit hielt die sudanesische Armee (SAF) die Stellung und verteidigte Al-Faschir, eine große Stadt in West-Darfur. Lange Zeit veröffentlichte die Armee Videos und Nachrichten, dass die Menschen in Al-Faschir die SAF und ihren General Abdel Fattah al-Burhan unterstützen. Das führte dazu, dass die RSF wütend wurde. Am 26. Oktober, mitten in der Nacht, verließ die Armee die Stadt und floh. Manche sagen, das war eine Absprache zwischen RSF und der SAF. Jedenfalls ließen sie die Bevölkerung zurück. Die arabischen Aggressoren übernahmen die Kontrolle. Es war wie eine Racheaktion gegen die Bevölkerung der Stadt. Und es gibt gezielte Angriffe auf afrikanische Stämme überall.

NIUS: Also ist es richtig, dass RSF-Kämpfer ethnische Gruppen in Darfur ins Visier nehmen?

SUDAN: Ja. Es ist ein Krieg zwischen RSF und SAF. Beide sind islamistisch – beide stammen aus derselben islamischen Bewegung im Sudan. Viele sind stark in arabischen Gruppen verankert und richten sich gegen afrikanische Gruppen.

„Christen werden von beiden Seiten ins Visier genommen“

NIUS: Kann man von einem Völkermord an Christen im Sudan sprechen?

SUDAN: Leider sind Zahlen im Sudan nie klar. Man spricht von ungefähr 150.000 Menschen, die durch die Armee und die RSF getötet wurden. Die Zivilisten sind nicht erfasst, niemand kann sie derzeit beziffern. Allein in Al-Faschir wurden viele getötet, aber niemand ist hineingegangen, um zu zählen. Außerdem: Christen machen im Sudan nicht mehr als sechs Prozent aus – manche sagen vier bis sechs Prozent, einige acht Prozent. Man kann nicht sagen, dass die Massenmorde speziell Christen gelten. Das Problem ist: Christen werden von beiden Seiten ins Visier genommen – sowohl von den RSF-Kämpfern als auch von der SAF.

NIUS: Warum? Was haben sie gegen Christen?

SUDAN: Beide sind islamistisch. Wir hatten nur zwei oder fünf Jahre Demokratie in den letzten Jahrzehnten. Seit der Unabhängigkeit im Jahr 1956 wurden wir von der Armee und Putschen regiert – all das stammt aus der islamischen Bewegung. Die meiste Zeit seit 1989, also etwa 35 Jahre, wurden wir von dieser islamischen Bewegung kontrolliert, erst durch die Armee, jetzt über verschiedene Mächte. Die Armee kann keine Einigung erzielen, weil die Islamisten Rache wollen. Die Armee wird von Islamisten kontrolliert – sie verbergen es nicht, sie sagen es öffentlich. 2019 hatten wir durch die Revolution ein Fenster, bis der Putsch 2021 die Revolution beerdigt hat. Wir haben keine offizielle Regierung – nur eine Armee, und jetzt kämpft die Armee mit islamistischen Milizen gegen die RSF.

„Wir schließen uns keiner Seite an, wir sind nicht Teil dieses Krieges“

NIUS: Also kämpfen im Grunde Muslime gegen Muslime.

SUDAN: Man kann es so sagen. Aber am Ende, wenn die Elefanten kämpfen, leidet das Gras.

NIUS: Wer ist in diesem Fall das Gras?

SUDAN: Wir – Christen und andere Minderheiten und die meisten Zivilisten. Wir schließen uns keiner Seite an, wir sind nicht Teil dieses Krieges. Selbst dort, wo die Armee „Sicherheit“ bietet: Christen wurden oft von Hilfen ausgeschlossen; sie durften nicht an ihren Orten Gottesdienste feiern; die Gemeinschaft behandelt sie wie Unerwünschte. Überall leiden wir. Aber es ist kein Völkermord nur an Christen – es ist ein Völkermord am sudanesischen Volk. Den Kriegsparteien sind die Zivilisten egal.

NIUS: Also werden sowohl Muslime als auch Christen getötet?

SUDAN: Ja.

NIUS: Was erzählen Ihnen die Christen in Darfur? Wie geht es ihnen?

SUDAN: In Al-Faschir wurde die katholische Kirche, wo viele Flüchtlinge waren, bombardiert und der Priester getötet. Die meisten unserer Kirchen in Khartum und anderen Städten wurden besetzt und als Stützpunkte genutzt, dann bombardiert. Viele christliche Wohnorte wurden zerstört – in Gebieten unter der RSF und unter der Armee. Wie ich bereits sagte: Christen gelten überall als unerwünscht. Aber das ganze Land leidet: Menschen aller Gruppen werden getötet, Frauen werden vergewaltigt – das betrifft alle.

NIUS: Gibt es sudanesische Ethnien, die vorwiegend christlich sind?

SUDAN: Die Ethnien in den Nuba-Bergen. Viele unserer christlichen Gemeinden kommen aus den Bergregionen, zum Beispiel dem Sarra-Dreieck oder den Ingessana-Bergen.

„Die islamische Bewegung erstarkt wieder“

NIUS: Können Sie noch mehr davon berichten, was gegen Christen unternommen wird?

SUDAN: In den letzten Wochen wurden in einigen Städten unsere Viertel zerstört – mit der Begründung der „Rückführung“. Viele unserer Mitglieder sind Binnenvertriebene seit Jahrzehnten, sie leben am Stadtrand seit 40 Jahren. Einige Städte nutzen nun die Lage und „säubern“ Nachbarschaften. Viele Christen – gerade arabische Christen – werden aufgefordert, die Gebiete zu verlassen. Es ist wie ein Gewohnheitsrecht der Stadtviertel. In manchen Gegenden wird auch politisch gegen Christen vorgegangen, weil wir nicht Teil des Krieges sind. Diskriminierung durch Behörden – man sieht uns als Verräter. Die islamische Bewegung erstarkt wieder – man weiß nicht, wie es nach dem Krieg für Christen aussehen wird.

NIUS: Können Sie genauer erzählen, warum Christen im Sudan verfolgt werden?

SUDAN: Es ist eine lange Geschichte. Christen gelten seit langem als Opposition gegen die Regierung. Die meisten Regierungen hatten eine arabische Basis. Für die Regierung ist der Islam maßgeblich – seit mindestens 50 Jahren. 2011 sagte der damalige Präsident Umar al-Baschir live im Fernsehen, der Sudan sei ein muslimisches Land. Das ist dokumentiert. Er erklärte den Sudan zum islamischen Territorium – demzufolge sollen Nichtmuslime gehen. Danach ging die Regierung gegen uns Christen vor: Gefängnis, Schikanen, Entzug der Staatsbürgerschaft, Rauswurf aus Kirchen, Abrisse. Eine lange Geschichte des Leidens. Es gab kurz Hoffnung 2019/2020, als nach dem Militärputsch eine Übergangsregierung eingesetzt wurde. Doch die Schikanen und die Vertreibung ging weiter. Manchmal ist es nicht nur wegen des Glaubens, sondern weil viele von uns Minderheiten angehören. Im Islam ist arabische Herkunft ein Stolz.

NIUS: Also wenn jemand Muslim ist, aber keinen arabischen Hintergrund hat …

SUDAN: … dann gilt er nicht als „richtiger“ Muslim. Deswegen sind nach dem Krieg, meiner Meinung nach, viele Darfuri Christen geworden: Sie erkannten die Realität – dass ihre frommen muslimischen Mitbürger sie nicht als „reine Muslime“ ansehen und sie leicht eliminiert werden können. Ich bin kein Rassist. Ich erzähle, worunter wir leiden. Ich habe nichts gegen Muslime als Menschen. Ich spreche über die Ideologie, nicht über Personen.

„Man wird als Kind im Sudan schon ab dem Kindergarten islamisiert“

NIUS: Durch Migration kommen viele Muslime nach Deutschland …

SUDAN: In der Lehre des Islam gibt es „Täuschung“ (Taqiyya). Sind Muslime in der Minderheit, sprechen sie sich für Frieden aus. Doch wenn sie in der Mehrheit sind, wollen sie Eroberung. In Europa ist es schwer, darüber zu sprechen – man nennt es Islamophobie. Aber sehen Sie sich Länder mit islamischer Herrschaft an: Sudan, Afghanistan, ISIS in Syrien – dort erkennt man, wie der Islam herrscht.

NIUS: Sind Sie christlich aufgewachsen?

SUDAN: Ja, aber man wird als Kind im Sudan schon ab dem Kindergarten islamisiert: Alle, auch Christen, müssen in den Islamunterricht gehen. Überall ist der Islam: Feiertage, Lieder, Lesungen. Später habe ich auch aus Neugier heraus den Islam studiert.

NIUS: Wie könnte der Westen Christen im Sudan am besten helfen?

SUDAN: Niemand weiß genau, was im Sudan geschieht. Menschen starben vor meiner Haustür. Selbst Ägypter und andere Afrikaner wissen oft nicht, was los ist. Was Sie jetzt tun – darüber sprechen – ist schon Hilfe. Besonders für die Christen interessiert sich kaum jemand. Es gibt nur wenige Organisationen, die noch dazu sehr begrenzte Mittel haben, die versuchen, etwas zu ändern. Unsere Kirchen wurden zerstört, wir dürfen sie nicht wieder aufbauen. Oft konfisziert der Staat Eigentum der Kirchen. Christsein im Sudan ist ein langer Weg des Leidens – selbst für ein Begräbnis findet man manchmal keinen Ort, weil es nur Friedhöfe für Muslime gibt. Dort dürfen Christen nicht begraben werden. Wir fühlen uns vergessen. In der politischen Bewegung im Sudan fordert kaum jemand Gerechtigkeit oder Freiheit für Christen.

„Die Christen im Sudan beten für ein Land, in dem alle in Frieden leben“

NIUS: Die sudanesischen Christen fühlen sich also allein gelassen?

SUDAN: Ja, seit langem.

NIUS: Was wünschen sich die christlichen Sudanesen für ihr Land?

SUDAN: Als der Krieg begann, öffneten wir evangelische und katholische Christen unsere Schulen für Flüchtlinge, richteten provisorische medizinische Hilfen ein, starteten Schulen in vielen Lagern – um traumatisierten Menschen zu helfen. Das macht uns froh. Wir als Kirche wollen ein Licht sein, das der Finsternis entgegentritt: der Finsternis der Hölle, der Diskriminierung, der Unterdrückung und der Tötung – und Salz sein, das heilt und dem Land Geschmack gibt: ein Land, in dem jeder leben kann, in Frieden, mit Gerechtigkeit und einem guten Leben. Die Christen im Sudan beten für ein Land, in dem alle in Frieden leben, ein gutes Leben haben – wo niemand über anderen steht, wo wir unsere Nachbarn lieben, wo Flüchtlinge Schutz finden.

NIUS: Warum bleiben die Menschen trotz allem Christen? Warum konvertieren sie nicht zum Islam, um ein leichteres Leben zu haben?

SUDAN: Wenn Sie sehen, wie die Menschen im Sudan Gottes Güte bezeugen – ohne schöne Kleidung, ohne genug Essen, oft ohne Häuser … Wenn Sie sie fragen, bekennen sie die Güte und Kraft unseres Herrn. In solcher Not siehst, fühlst und glaubst du: Gott umgibt dich. Nicht, dass wir nicht verfolgt oder getötet würden, aber er bewahrt unseren Glauben und unsere Liebe zu ihm. Darum bleiben wir Christen.

Dieser Beitrag ist ursprünglich auf unserem Partner-Portal NiUS erschienen.