Titanic-Drama – letzter Akt? Luft ist wohl aus, doch Suche geht weiter
Ohne Sauerstoff droht den fünf Besatzungsmitgliedern auf der „Titan“ ein langsamer Tod. Experten zufolge dürfte dieses Stadium bereits eingetreten sein. „Wir müssen uns auf das Schlimmste vorbereiten“, meint Meeresforscher Simon Boxall. Ein kleiner Hoffnungsschimmer bleibt aber – und die Suche wird intensiviert.
Den fünf Männern in dem vermissten Tauchboot „Titan“ geht in ihrer lebensbedrohlichen Lage der Sauerstoff aus – oder er ist bereits ausgegangen. Der Vorrat an Bord sollte für die fünfköpfige Besatzung nach Angaben der Betreiber Oceangate Expeditions 96 Stunden lang ausreichen. Nach Schätzungen der Suchtrupps dürfte sich dieses Zeitfenster nun geschlossen haben.
Die Männer im Alter von 19 bis 77 Jahren könnten sich nur noch auf ihr Glück verlassen, sagte der Meeresforscher Simon Boxall von der Universität Southampton am Donnerstag dem Sender Sky News. Der pensionierte britische Konteradmiral Chris Parry sagte, die Überlebenswahrscheinlichkeit der Insassen sei „verschwindend gering“. „Wir müssen uns auf das Schlimmste vorbereiten.“
Kleiner Hoffnungsschimmer: 96 Stunden sind ein ungenauer Wert
Das Tauchboot wird seit Sonntagvormittag (Ortszeit) vermisst. Die „Titan“ hatte sich mit fünf Menschen an Bord auf den Weg zur 1912 gesunkenen „Titanic“ in rund 3800 Metern Tiefe begeben. Etwa eine Stunde und 45 Minuten nach Beginn des Tauchgangs riss der Kontakt zum Mutterschiff ab, das allerdings erst acht Stunden später Alarm schlug. Im Rückblick war damit wertvolle Zeit verloren gegangen.
Unklar ist, ob das Boot noch intakt ist und wo es sich befindet. Bei den 96 Stunden könnte es sich aber um einen ungenauen Wert handeln. Möglicherweise ist noch Luft für die Insassen vorhanden, falls es ihnen gelungen ist, Sauerstoff zu sparen, etwa indem sie sich wenig bis kaum bewegten. „Wir wissen nicht, wie lange sie in Bezug auf den Sauerstoffgehalt tatsächlich durchhalten werden“, erklärte Experte Boxall dem US-Sender NBC News.
Zwei Tauchgefährte unterstützen die Suche
Von Aufgeben wollte der Betreiber des „Titan“-Mutterschiffs „Polar Prince“ aber auch vier Tage nach dem Verschwinden nichts wissen. „Das mobilisierte Equipment ist das Beste der Welt, das leistungsfähigste der Welt“, sagte Sean Leet am Mittwochnachmittag (Ortszeit) vor Journalisten im kanadischen St. John’s. Er fügte hinzu: „Wir werden bis zum Schluss an der Hoffnung festhalten.“ Die Rettungstrupps verstärkten ihre Anstrengungen weiter.
In der Zwischenzeit hat ein ferngesteuertes Tauchgefährt des kanadischen Schiffs „Horizon Arctic“ den Grund des Atlantiks erreicht. Auch ein ähnliches Gerät des französischen Forschungsschiffs „L’Atalante“ wird für den Einsatz in großer Tiefe vorbereitet. Boxall zufolge könnte die „Titan“ Dutzende Kilometer weit im Meer geglitten sein. „Deshalb ist das Suchgebiet so riesig“, erläuterte er bei Sky News.
Mini-U-Boot kann bei Fund nicht mit Sauerstoff versorgt werden
Das nächste Problem: Selbst wenn das Tauchboot bald gefunden würde, kann es Experten zufolge unter Wasser nicht mit frischem Sauerstoff versorgt werden. „In dieser Tiefe gibt es wirklich keine Möglichkeit, Sauerstoff hineinzubekommen“, sagte der Meeresforscher Tom Dettweiler dem US-Sender CNN. „Es gibt keine Öffnung oder ähnliches, durch die Sauerstoff eindringen könnte.“
Die einzige Lösung wäre, die „Titan“ so schnell wie möglich nach oben zu bringen, die Luke zu öffnen und zu den Menschen zu gelangen. Das Problem: Auch das dürfte merhere Stunden dauern.
Es droht ein langsamer Tod, mit zunehmender Benommenheit
Ohne Sauerstoff würde den Besatzungsmitgliedern ein langsamer Tod bevorstehen, sagte der Lungenfacharzt Rainer Schädlich. „Der Prozess dauert lange, da sich der Sauerstoff langsam aufbraucht und zusätzlich CO2 durch Atmung entsteht.“ Bei zunehmendem Sauerstoffmangel kommt es zu Kopfschmerzen sowie zu Übelkeit, Erbrechen, Müdigkeit, aber auch Atemnot, Verwirrtheit, Schwindel und Benommenheit bis zur Apathie. Wie schnell der Sauerstoff verbraucht wird, hängt stark von Atmung und Aktivität der Insassen ab.
Angesichts von Berichten über schlechte Sicherheitsvorkehrungen für das vermisste Tauchboot „Titan“ erwarten Experten Konsequenzen. „Es wird sicherlich eine Untersuchung nach dieser Katastrophe geben und deutlich striktere Regeln und Vorschriften werden eingeführt werden”, sagte der Chef der auf „Titanic“-Ausstellungsstücke spezialisierten Firma White Star Memories, David Scott-Beddard, zu CNN.
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