Virologe: „Von der Aufregung um jede neue Corona-Variante halte ich nichts“
Mit den sinkenden Temperaturen steigen auch die Krankenstände – einige Experten warnen deshalb vor einer „Stratus”-Herbstwelle. Virologe Alexander Kekulé hingegen sieht keinen Grund zur Panik.
Seit Mitte August verzeichnet das Robert Koch-Institut (RKI) einen deutlichen Anstieg der Corona-Infektionen. Dominant ist inzwischen die Variante XFG, besser bekannt als „Stratus“. Mit über 80 Prozent aller Fälle in Deutschland hat sie ältere Linien verdrängt. Auch in Österreich zeigt das Abwassermonitoring ähnliche Entwicklungen. Die WHO spricht von einer raschen Ausbreitung – ohne Hinweise auf schwerere Krankheitsverläufe. Focus online hat dazu drei Experten befragt.
Saisonale Welle unvermeidbar
Der Epidemiologe Timo Ulrichs rechnet im Herbst mit einer typischen saisonalen Welle. Infektionen und Erkrankungen würden zwar zunehmen, doch eine dramatische Belastung der Spitäler erwartet er nicht. Im Vergleich zu den Pandemiejahren 2020 bis 2022 werde es „keinen größeren Anstieg von Krankenhauseinweisungen und intensivpflichtigen Covid-19-Patienten“ geben, betont der Epidemiologe.
Jetzt ist die Zeit für den Booster
Deutlich vorsichtiger äußert sich Christoph Spinner, Infektiologe am Klinikum Rechts der Isar. Er erwartet eine Zunahme aller Atemwegserkrankungen – Corona eingeschlossen. Deshalb sei der Herbst die Phase für eine Auffrischungsimpfung: „Das heißt auch, dass jetzt für Menschen mit einem erhöhtem Risiko für einen schweren Verlauf, also für über 60-Jährige, chronisch Kranke und Menschen in deren Umfeld, der richtige Zeitpunkt für eine saisonale Auffrischungsimpfung ist.“
Keine Panik vor Stratus
Anders bewertet Virologe Alexander Kekulé die Lage. Für ihn reiht sich Stratus in die bekannten saisonalen Erreger ein: „Von der Aufregung um jede neue Corona-Variante halte ich nichts“, sagt er. Alle derzeit kursierenden Varianten stammen von Omikron ab – und diese verursachten deutlich mildere Verläufe als frühere Viren.
Kekulé weiter: „Es gibt nicht den geringsten Hinweis, dass die aktuellen Untervarianten schwerere Erkrankungen verursachen.“ Corona sei inzwischen mit RSV oder Influenza vergleichbar. Auch die Dunkelziffer unerkannter Fälle sei kein Problem, solange die Behörden Varianten im Blick behalten.
Corona-Zahlen in Österreich
Auch in Österreich nehmen die Corona-Fälle wieder zu – besonders in Wien und Tirol zeigen die Abwasserdaten aktuell deutlich steigende Viruswerte. Damit setzt sich ein Muster fort, das bereits aus den vergangenen Jahren bekannt ist: Mit Schulbeginn und kühleren Temperaturen steigen die Infektionen spürbar an.
Ein genauer Blick auf das Abwassermonitoring zeigt: Ja, die Kurve der Virenlast steigt seit Juli wieder spürbar an – aktuell liegt der Wert bei rund 161 Genkopien pro Einwohner. Vergleicht man jedoch die Entwicklung mit dem Vorjahr, relativiert sich die Lage deutlich. Ende September 2024 lag die Belastung bei über 300 Genkopien und erreichte damit fast das Doppelte des jetzigen Niveaus. Auch die Kurve selbst verlief damals viel steiler und erreichte schon Anfang Oktober ihren Höhepunkt. Heuer ist der Anstieg zwar klar sichtbar, bewegt sich aber insgesamt auf einem deutlich niedrigeren Level.
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