Wiener mehrheitlich für wilde Natur in der Stadt
Eine Boku-Studie zeigt breite Zustimmung zu „Urban Rewilding“. Viele Wiener befürworten die Umwandlung von Grünflächen in wilde Natur, besonders ältere und naturaffine Menschen. Jüngere und Bewohner vernachlässigt wirkender Viertel sind skeptischer.
Die Mehrheit der Wienerinnen und Wiener befürwortet bzw. toleriert “Urban Rewilding”, ein neuartiger Ansatz zur Renaturierung von Städten. Das zeigt eine im Fachjournal “People and Nature” veröffentlichte Studie der Universität für Bodenkultur (Boku) Wien. Bei solchen urbanen Renaturierungsprojekten wird der Natur mehr Raum zur Entfaltung gegeben und städtische Grünflächen zu wilden Stadtwäldern oder Wildblumenwiesen umgewandelt.
Verwilderte Grünflächen vs propere Parks
In vielen Städten dominieren sorgfältig gepflegte Grünflächen. Frühere Untersuchungen zeigten auch häufig eine Präferenz für propere Parks und Grünanlagen. Dabei können wilde Naturflächen mit spontaner Vegetation und verwilderten Strukturen “erhebliche ökologische und gesundheitliche Vorteile bieten”, heißt es in einer Aussendung der Boku: Sie steigern die Biodiversität, verbessern das Mikroklima und bieten Städtern vielfältige Naturerfahrungen.
More urban rewilding on display in downtown Singapore 👏 pic.twitter.com/fxkOjD5yJZ
— Simon Walkden (@mazymixer) August 25, 2024
800 Wiener befragt
Brenda Maria Zoderer und Harald Wieser vom Institut für Landschaftsentwicklung, Erholungs- und Naturschutzplanung der Boku haben 800 Wiener mittels Fragebogen zu ihrer Einstellung zu zwei Szenarien in ihren Wohnvierteln befragt: Dabei wurde angenommen, dass 50 Prozent einer bestehenden, leicht zugänglichen Grünfläche bzw. 50 Prozent einer freistehenden, derzeit ungenutzten Fläche in der Nachbarschaft in wilde Natur umgewandelt werden.
Je nach Szenario würden mindestens 46 Prozent der Befragten solche Projekte befürworten oder aktiv unterstützen, zehn bis 24 Prozent lehnen sie ab. Der Rest zeigt eine indifferente oder tolerante Haltung gegenüber solchen Initiativen.
Doorstep rewilding can begin in the city as here at Graves Park in Sheffield where nearly 30 years ago we began to reduce the intensive mowing regime. The flowers are back; birds are singing; insects humming; with orchids, pignut, buttercups and much more, local people love it!! pic.twitter.com/sSsCNdmOPP
— Ian Rotherham (@IanThewildside) June 5, 2021
Unterschiede in der Akzeptanz
Dabei gibt es Unterschiede in der Akzeptanz: Wer bereits urbane Wildnisflächen zur Erholung nutzt, etwa zum Spazierengehen oder Naturbeobachten, bewertet neue Projekte deutlich positiver. Jüngere Befragte (15-24 Jahre) zeigten eine signifikant geringere Akzeptanz, ältere (55-75 Jahre) stimmten dagegen fast dreimal so häufig zu. Tendenziell geringere Zustimmung gibt es von Menschen, die ihre Wohnviertel als vernachlässigt wahrnehmen.
Die breite Unterstützung von “Urban Rewilding” sei “eine sehr positive Botschaft für die Zukunft unserer Städte”, erklärte Zoderer. Man müsse aber die Bedenken bestimmter Gruppen ernst nehmen, sie aktiv in die Planung einbeziehen und Lösungen entwickeln, die allen zugutekommen. Besonders erfolgreich sind dem Forschungsteam zufolge Maßnahmen dann, wenn die neu entstehenden Flächen zugänglich und erlebbar bleiben. “Ein Schlüsselfaktor für neue Rewilding-Initiativen ist die Bereitstellung vielfältiger Möglichkeiten für die Anrainer, Wildnis zu erleben. Anstatt den Menschen aus der Natur zu entfernen, sollten solche Maßnahmen daher einer ‘Mensch mit der Natur’-Strategie folgen”, schreiben die Wissenschafterinnen und Wissenschafter in ihrer Arbeit.
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