Beim MCC-Summit in Budapest wurde Europas politisches Versagen so deutlich ausgesprochen wie selten. Mehrere Sicherheitsexperten erklärten, dass die EU exakt weiß, wie Schleppernetzwerke arbeiten, wo die Routen verlaufen und wann Migranten-Konvois starten – aber nicht eingreift. Einer der renommiertesten Kriminologen Europas, Xavier Raufer, fand dafür nur ein Wort: „Bullshit.“

Xavier Raufer, französischer Kriminologe und Terrorismus-Experte, lehrt an der Universität Paris II Assas.GETTYIMAGES/Eric Fougere

„Wir wissen, wann jede Karawane startet“

Der französische Kriminologe Xavier Raufer  machte beim Panel deutlich, wie umfassend die europäischen Behörden eigentlich informiert sind. Die EU verfüge über ein lückenloses Lagebild: „Sobald ein Bus oder Lastwagen in Niger Richtung Libyen startet, wissen wir das. Wir haben Satelliten im Himmel. Wir kennen jede Route, jeden Halt, jeden Transport.“

Trotz dieser genauen Erkenntnisse bleibe das Handeln aus. Raufer formulierte es drastisch: Ein konsequentes Vorgehen wäre aus seiner Sicht nicht kompliziert: „Ein einziges Spezialkommando an den libyschen Stränden könnte die Boote – ohne Migranten an Bord – ausschalten. Das Problem wäre in einer Woche erledigt.“

Doch genau das passiert nicht. Mit sichtbarer Frustration brachte Raufer die europäische Passivität auf den Punkt: „Europa weiß alles. Und tut nichts.“

„Europa bekämpft die Kriege von gestern“

Raufer kritisierte außerdem die extreme Trägheit der EU-Institutionen. Während Kartelle und Schlepper ihre Routen täglich anpassen, brauche die EU Jahre für Entscheidungen: „In Brüssel arbeitet man vier, fünf Jahre an einem Plan – und bekämpft dann die Drogenprobleme von vorgestern.“

Europa reagiere zu spät, zu langsam und mit Konzepten, die längst überholt seien.

Und warum? Auch diese Frage stellte Raufer selbst – und beantwortete sie ebenso scharf: „Warum sie nicht handeln? Niemand weiß es. Es ist ein Mysterium in Brüssel.“

Ein Versagen, dessen Folgen tödlich sind: „Man spricht vom Mittelmeer als Friedhof. Aber die meisten sterben in der Sahara – lange bevor sie überhaupt die Küste erreichen.“

Das Panel zum Thema Migration und organisierte Kriminalität.MCC/

„Ideologie verhindert Härte“

Der italienische Politologe Andrea Bianchi sieht die Wurzel des Problems vor allem in einer politischen Kultur, die Härte gegenüber Kriminalität scheut: „In Europa will man mit jedem reden. Aber mit kriminellen Netzwerken kann man nicht verhandeln.“

Bianchi warf der EU vor, aus ideologischen Gründen zögerlich zu bleiben. Statt entschlossen gegen hochprofessionelle Verbrechersyndikate vorzugehen, dominiere eine weichgezeichnete, moralisch aufgeladene Sichtweise, die das Handeln blockiere.