
Wo lebte der Grazer Amokläufer? Das sagen seine Nachbarn
Angst und Verunsicherung: exxpress war vor Ort am Wohnort des 21-jährigen Grazer Amokläufers und traf Menschen, die Seite an Seite mit dem Schützen lebten. Das sagen sie über ihn.

Beton, hellgelbe Fassade, viel Glas, Balkone, dazwischen Wiese und grüne Büsche. Ein typischer moderner Wohnungskomplex in einem Industriegebiet im südlichen Grazer Umland. So normal und unauffällig wie die Häuseranlage in Graz-Kalsdorf war auch der 21-jährige Amokläufer, der in der steirischen Hauptstadt den schwersten Schul-Amoklauf in der Geschichte der Republik zu verantworten hat.
Das berichten mehrere Menschen gegenüber exxpress, die jahrelang Seite an Seite mit dem Schulabbrecher lebten. Zwei Nachbarinnen erzählen unabhängig voneinander, dass der 21-Jährige meist mit gesenktem Kopf und Blick auf den Boden umherging.
Täter wohnte mit Mutter in Wohnung
„Er war eine Filzkugel.“ So beschreibt eine Frau den Täter, die im Häuserblock neben dem mutmaßlichen Amokläufer und seiner Mutter wohnt. Damit meint sie, dass er eher ungepflegt war, mit wuscheligen Haaren. Er sei unauffällig gewesen, schüchtern.
Die Stimmung unter den Nachbarn ist ängstlich. Am späten Dienstagabend trifft exxpress auf ein junges Pärchen, das gerade nach Hause kommt. Sie sind sichtlich geschockt, als ihnen mitgeteilt wird, dass sie über Jahre im selben Haus wie der Schütze lebten. Das Paar wusste nichts von den weiteren Entwicklungen: dass am frühen Nachmittag ein Großaufgebot an Polizei und Cobra in ihrer Siedlung und ihrem Haus war, um unter anderem Spuren zu sichern – wie etwa den Abschiedsbrief, den der Amokläufer hinterließ.
Der exxpress trifft eine Frau, die Tür an Tür mit dem jungen Mann und seiner Mutter lebte. Sie ist sichtlich verängstigt. Ein Interview lehnt sie ab, sie müsse ihr Kind ins Bett bringen. Die Frau erzählt, sie habe wenig Kontakt zu den beiden gehabt. Auch sie sagt: Der Amokläufer sei unscheinbar und schüchtern gewesen. Er lebte mit seiner Mutter in einer Wohnung im Erdgeschoss – inklusive Terrasse und Mini-Garten.
Journalisten: unerwünscht
Die Anlage ist mittlerweile zur Ruhe gekommen. Keine Polizei, keine Cobra ist mehr vor Ort, auch kein Absperrband oder Ähnliches. Viele schaulustige Bewohner blicken von ihren Balkonen hinunter auf das Treiben der Journalisten – von denen noch kaum welche da sind. Keiner will ein Interview vor der Kamera geben. Einige haben Fotos vom Cobra- und Polizeieinsatz am Dienstagnachmittag gemacht – doch niemand ist bereit, die Handyfotos mit den Journalisten zu teilen.
Zwei Männer mit Bier in der Hand rufen die Polizei. Es stört sie, dass Journalisten ihrer Arbeit nachgehen. Die beiden Beamtinnen sind freundlich und verstehen, dass es die Aufgabe von Reportern ist, für die Öffentlichkeit wichtige Informationen zu recherchieren.
Die Atmosphäre vor Ort ist insgesamt von Verunsicherung, Angst und Skepsis geprägt – was nicht verwunderlich ist: Lebte doch ungefähr sechs Jahre lang ein junger Mann unter den Anlagebewohnern, der zum Amokläufer wurde und zehn Menschen, darunter Kinder, in den Tod riss.
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