Eine Gruppe von Wissenschaftlern und Ärzten fordert ein sofortiges Moratorium für mRNA-basierte Corona-Impfstoffe. Im Gespräch mit der Welt erklären der Internist Erich Freisleben und der frühere Klinikmanager Matthias Schrappe, warum sie die Nutzen-Risiko-Abwägung für unvollständig halten, Nebenwirkungen für systematisch unterschätzt und die Debatte für politisch blockiert – berichtet Cicero.

„Neue Technologie, kaum Aufarbeitung“

Ausgangspunkt ist ein Manifest mit 14 Forderungen, das einen vorläufigen Stopp der mRNA-Impfstoffe verlangt. Begründung: Zu viele zentrale Fragen seien bis heute unbeantwortet – etwa zur Verteilung des Spike-Proteins im Körper, zur Dauer möglicher Effekte und zur tatsächlichen Erfassung schwerer Nebenwirkungen.

Freisleben betont, es handle sich um eine völlig neue Impfstoff-Technologie, die in extrem kurzer Zeit eingeführt worden sei. Normalerweise dauere die Entwicklung neuer Impfstoffe viele Jahre. Diese Geschwindigkeit allein hätte aus seiner Sicht eine besonders sorgfältige Nachbeobachtung erfordert.

Nebenwirkungen: „Man kann nur zählen, was man sehen will“

Ein zentraler Kritikpunkt betrifft die Erfassung von Impfschäden. Zwar existieren Meldesysteme, doch laut Schrappe liefern sie keine systematischen Erkenntnisse. Bei einer der größten Impfkampagnen der Geschichte hätte es niedrigschwellige, aktiv beworbene Meldewege gebraucht – ähnlich wie in der Luftfahrt bei neuen Flugzeugtypen.

Stattdessen habe ein Klima geherrscht, in dem Nebenwirkungsberichte eher als Störfaktor denn als notwendige Grundlage für Forschung betrachtet worden seien. Das widerspreche dem ärztlichen Grundsatz, Schaden zu vermeiden und Patientensicherheit an erste Stelle zu setzen.

Freisleben berichtet aus seiner eigenen ärztlichen Tätigkeit. Bereits wenige Monate nach Beginn der Impfkampagne habe er zahlreiche schwere Nebenwirkungen beobachtet und gemeldet – darunter neurologische Symptome, Gefäßprobleme, Autoimmunreaktionen und in Einzelfällen Todesfälle.

Auffällig sei gewesen, dass viele Betroffene mehrere Symptome gleichzeitig entwickelten. Dieses Muster lasse sich mit klassischen Meldesystemen kaum abbilden, da dort meist nur einzelne Symptome abgefragt würden. Das erschwere es, neue Krankheitsbilder wie das sogenannte Post-Vac-Syndrom überhaupt zu erkennen.

Post-Covid oder Post-Vac?

Beide Ärzte betonen, dass sich Post-Covid- und Post-Vac-Symptome klinisch ähneln können. Dennoch sprechen aus ihrer Sicht zeitliche Abläufe dafür, Impfnebenwirkungen ernster zu nehmen. In vielen Fällen seien Beschwerden kurz nach der Impfung aufgetreten – oft bei Menschen ohne vorherige Corona-Infektion. Ob und wie sich Spike-Proteine aus Infektion und Impfung unterscheiden lassen, sei technisch längst möglich. Dass diese Unterscheidung kaum systematisch vorgenommen werde, sei ein weiteres offenes Problem.

Schrappe kritisiert, dass bis heute keine groß angelegten Vergleichsstudien zwischen Geimpften und Ungeimpften durchgeführt wurden, etwa auf Basis von Krankenkassendaten. Solche Studien seien medizinischer Standard und technisch problemlos machbar. Gerade bei neuen Therapieformen müsse man gezielt nach unerwarteten Effekten suchen. Dass dies unterlassen wurde, bezeichnet Schrappe als schweren Mangel in der Arzneimittelsicherheit.

Politischer und gesellschaftlicher Druck

Beide Gesprächspartner sehen politische Festlegungen als zentrales Hindernis. Die Impfung sei früh als alleiniger Ausweg aus der Pandemie definiert worden. Kritik an Nebenwirkungen sei dadurch schnell als politisch unerwünscht oder extremistisch abgestempelt worden. Das habe nicht nur die wissenschaftliche Debatte verzerrt, sondern langfristig auch Vertrauen zerstört – paradoxerweise sogar in Impfungen insgesamt.

Freisleben fordert spezialisierte Ambulanzen für Post-Covid- und Post-Vac-Betroffene, um Daten systematisch zu erfassen und Betroffenen zu helfen. Gleichzeitig brauche es offene Forschung ohne politische Vorfestlegung.

Beide Ärzte plädieren für ein Moratorium, bis Risiken, Nutzen und Langzeitfolgen der mRNA-Technologie transparent und unabhängig untersucht sind. Die Standards der Arzneimittelsicherheit dürften nicht weiter aufgeweicht werden – auch nicht unter Zeitdruck.