Als promovierter Physiker und Energieökonom mit mehr als 20 Jahren Erfahrung kennt Björn Peters die deutsche Energiewirtschaft aus Theorie und Praxis. Rund eine Billion Euro – 1.000 Milliarden Euro – hat die Energiewende Deutschland bisher gekostet, stellt der Leiter des Forschungs- und Beratungsunternehmens Peters Coll. im exxpressTV-Interview klar. Doch das ist nicht alles: Mehr als 100 Milliarden Euro pro Jahr beträgt die Belastung für Wirtschaft und Haushalte. Die Netzentgelte haben sich mehr als verdreifacht – und der teuerste Umbau kommt laut Peters erst noch.

Sein Befund ist drastisch: Die deutsche Industrie ist akut gefährdet, manche Schäden könnten bereits irreversibel sein.

Teurer Strom ist kein Unfall – sondern Systemfolge

Deutschlands Haushaltsstrompreise zählen mittlerweile zu den höchsten in Europa. Und die Wirtschaftskrise ist laut Björn Peters kein vorübergehendes Tief, sondern das Ergebnis eines strukturellen Problems: Mit jedem zusätzlichen Prozent Wind- und Solarstrom steigen die Systemkosten – für Netze, Reservekraftwerke, Eingriffe ins Stromsystem und teure Ausgleichsmechanismen.

Björn Peters: „Die ersten 10 bis 20 Prozent wetterabhängiger Strom sind leicht integrierbar – danach wird es exponentiell teurer.“ Die Folge: Strom wird nicht billiger, sondern dauerhaft teurer – für Haushalte ebenso wie für Unternehmen.

Kürzlich erschien Björn Peters‘ Buch „Schluss mit der Energiewende!“.Orgshop GmbH/Cover

Ein Stromsystem unter Dauerstress

Über Jahrzehnte funktionierte das europäische Stromnetz stabil, weil es auf planbaren Kraftwerken mit rotierenden Massen basierte. Mit Wind und Sonne hat sich das geändert. „Wir haben heute nicht mehr einen Strommarkt – sondern jede Stunde einen anderen“ – weil sich Wind und Wetter laufend ändern.

Netzbetreiber müssen heute hunderte Male pro Tag eingreifen, um das System stabil zu halten. Vor wenigen Jahrzehnten waren es einige Male pro Jahr. Großflächige Blackouts gelten zwar als unwahrscheinlich, doch gezielte Abschaltungen – sogenannte Brownouts – werden laut Peters realistischer.

Über ein Jahrhundert hinweg ist das deutsche Stromnetz entstanden und hat tadellos funktioniert – bis vor kurzem.GETTYIMAGES/fhm

Speicher – das große Versprechen, das nicht hält

Oft heißt es: Speicher könnten die Schwankungen ausgleichen. Peters widerspricht klar. „Speicher sind die falsche Antwort auf die richtige Frage.“

Der Grund: Dunkelflauten dauern Tage oder Wochen, Speicher aber liefern Energie nur für Stunden. Das Missverhältnis ist fundamental – und mit heutiger Technologie nicht lösbar.

Kein Wind, kaum Sonne – da helfen auch Speicher nicht.APA/APA/ROBERT JAEGER

Industrie braucht Strom – nicht Wetter

Solarenergie auf dem Dach? Was im Einfamilienhaus funktionieren mag, trägt keine Volkswirtschaft. Industrieanlagen brauchen 24 Stunden am Tag verlässliche Energie. Björn Peters: „Für Stahlwerke oder Aluminiumhütten ist wetterabhängiger Strom wirtschaftlich nicht darstellbar.“

Genau deshalb, warnt er, geraten Standorte unter Druck – und Unternehmen treffen Investitionsentscheidungen zunehmend gegen Deutschland. Unterm Strich droht Deindustrialisierung: Industrie und Investitionen wandern ab.

Unter dem ehemaligen Wirtschafts- und Energieminister Robert Habeck (Grüne) wuchsen die Kosten für Strom und Energie erstmals in bisher unbekannte Höhen.GETTYIMAGES/O. Ginner

KI frisst Strom – Europa verliert den Anschluss

Ein zentraler Denkfehler der Energiepolitik stammt aus den 1990er-Jahren: die Annahme, der Energieverbrauch werde sinken. Das Gegenteil ist der Fall.

Mit Künstlicher Intelligenz beginnt ein neues Zeitalter mit massiv steigendem Strombedarf. Länder mit günstiger, stabiler Energieversorgung haben klare Standortvorteile. „Europa verliert diesen Wettlauf ohne billigen und verlässlichen Strom.“

KI wird immer wichtiger – und benötigt viel Energie. Wenn sich an der aktuellen Energiepolitik nichts ändert, dürfte die KI-Revolution an Europa fast spurlos vorbeiziehen.APA/AFP/Lionel BONAVENTURE

Kernkraft: Die verdrängte Option

Peters plädiert für eine Rückkehr zu stabilen, skalierbaren Kraftwerken – ausdrücklich auch zur Kernenergie. Viele Einwände seien politisch und emotional, nicht technisch begründet. Andere Länder zeigten, dass Bauzeiten, Kosten und Endlager lösbar seien – wenn man es will.

Allein die Reaktivierung stillgelegter deutscher Kernkraftwerke könnte laut Peters bis zu acht Anlagen wieder ans Netz bringen – erste Effekte innerhalb weniger Jahre.

Die Rückkehr zur Kernkraft wäre für Deutschland derzeit womöglich der einzige Weg aus der Krise.GETTYIMAGES/Sean Gallup / Staff

Die große Abrechnung: Eine Billion – und die eigentliche Rechnung kommt erst

Der bisherige Preis der Energiewende ist enorm: Rund eine Billion Euro Investitionen in 25 Jahren, Netzentgelte sind von unter 10 auf über 35 Milliarden Euro pro Jahr gestiegen. Doch das ist nur der Anfang.

Der wirklich teure Teil steht noch bevor: der Umbau der gesamten Wirtschaft auf eine angebotsorientierte Stromversorgung. Das beutetet: Produktion nur dann, wenn das Wetter mitspielt. Der deutsche Maschinenpark ist rund 20 Billionen Euro wert. Ein Großteil müsste ersetzt oder massiv umgebaut werden. „Schätzungen reichen von sechs bis 20 Billionen Euro Folgekosten.“

Peters’ Fazit ist drastisch: „Die deutsche Wirtschaft kann diesen Kostenblock nicht überleben. Wir wären lange vorher pleite.“

Irreversible Schäden drohen

Deutschlands Industrie ist über Generationen gewachsen – parallel zu einer stabilen Energieversorgung. Wird jetzt nicht gegengesteuert, drohen laut Peters irreversible Schäden, die nicht mehr reparierbar sind. „Was über Generationen aufgebaut wurde, steht auf dem Spiel.“

Peters lehnt Klimaschutz nicht ab – aber er fordert ökologischen Realismus statt politischer Symbolpolitik. Das Pariser Abkommen verlange CO2-Gleichgewicht, nicht absolute Null. Technologieoffenheit statt Verbotspolitik. Ob es zu einem Umdenken kommt, bleibt offen. Peters hofft auf den ökonomischen Zwang als letzten Korrektiv.

Björn Peters’ Buch „Schluss mit der Energiewende. Warum Deutschlands Volkswirtschaft dringend ökologischen Realismus braucht“ liefert die ausführliche Analyse – nüchtern und faktenbasiert. Überdies wartet es mit klaren Lösungsvorschlägen auf.