200 Afghanen in Kabul fordern: „Holt uns nach Deutschland!"
Etwa 200 Afghanen mit einer Aufnahmezusage Deutschlands verlangen in einem Brief an Kanzler Friedrich Merz eine möglichst schnelle Einreisegenehmigung.
Die schwarz-rote Koalition hatte das offizielle Aufnahmeprogramm für gefährdete Afghanen im Mai gestoppt.IMAGO/ZUMA Press Wire
Die Gruppe wurde Mitte des Monats vom Nachbarland Pakistan nach Afghanistan abgeschoben und fühlt sich dort von den herrschenden islamistischen Taliban bedroht. Zu befürchten seien Entführungen, Folter, willkürliche Verhaftungen und sogar Hinrichtungen, heißt es in dem Brief, der der Deutschen Presse-Agentur (dpa) vorliegt. Bei der Gruppe soll es sich nach eigenen Angaben (!) um Künstler, Bürger- und Menschenrechtsaktivisten, Richter, Staatsanwälte, ehemalige afghanische Regierungsangestellte, weibliche Haushaltsvorstände, Journalisten sowie Ortskräfte der deutschen Regierung handeln. In Kabul sind sie demnach nun von der deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in sogenannten Schutzhäusern untergebracht. Ihr Versteck sehen sie aber als nicht sicher an.
Wörtlich heißt es in dem Schreiben, das auch an das deutsche Außen- und Innenministerium gerichtet ist: “Die ständige Bedrohung, dass die Taliban eindringen, die Angst vor Rache, willkürlicher Inhaftierung, Entführung, Folter oder Tod haben zu unerträglichen psychischen Traumata geführt.” Jede Stunde Verzögerung könne sie das Leben kosten. “Wir haben an Ihre Versprechen geglaubt. Bitte lassen Sie nicht zu, dass dieses Vertrauen uns – und unsere Kinder – das Leben kostet.”
Unterstützt wird die Gruppe in Deutschland von den Grünen. Parteichef Felix Banaszak und mehrere Bundestagsabgeordnete schrieben ebenfalls an die Regierung und stellten sich hinter die Forderungen der Afghanen.
Aufnahmeprogramm im Mai gestoppt
Die Merz-Regierung aus Christ- und Sozialdemokraten hatte kurz nach ihrem Amtsantritt im Mai das Aufnahmeprogramm für besonders gefährdete Afghanen gestoppt. Neben früheren Ortskräften deutscher Institutionen und ihren Angehörigen sollten über das Programm auch Afghanen aufgenommen werden, die Verfolgung durch die islamistischen Taliban fürchten müssen, etwa weil sie sich in der Vergangenheit für Menschenrechte eingesetzt haben.
Am Montag wurden dennoch mehrere in Pakistan gebliebene Familien per Linienflug von dort mit Zwischenstopp in Istanbul nach Hannover gebracht. Bei den 45 afghanischen Staatsangehörigen handle es sich ausschließlich um Personen, die über Gerichtsverfahren die Vergabe von Visa erwirkt hätten, teilte eine Sprecherin des deutschen Innenministeriums mit. Alle hätten das Aufnahmeverfahren und die Sicherheitsprüfung vollständig durchlaufen.
Interessant: Laut dem deutschen Nachrichtenportal NiUS befanden sich unter den eingeflogenen Afghanen keine einzige ehemalige Ortskraft der Bundeswehr oder anderer deutscher Einrichtungen in Afghanistan.
Laut Auswärtigem Amt sind aktuell aus dem Aufnahmeprogramm 2.100 Personen in Pakistan und 200 in Afghanistan.
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