4,85-Millionen-Kampagne gegen Öl und Gas: Anzeige belastet Gewessler schwer
Eine Anzeige wegen des Verdachts der Untreue belastet Ex-Klimaministerin Leonore Gewessler schwer. Millionen flossen demnach in fragwürdige Inserate – mit eindeutigem politischem Nutzen für die Grünen. Nicht minder brisant: Interessiert das überhaupt die Justiz?
Untreueverdacht gegen Leonore Gewessler (Grüne): Ihre Millionen-Kampagne wirft Fragen auf – und ebenso das Schweigen der Justiz.APA/HANS KLAUS TECHT
Dem exxpress liegt eine umfangreiche anonyme Sachverhaltsdarstellung vor, die an die Oberstaatsanwaltschaft Wien sowie an die Staatsanwaltschaft Wien übermittelt wurde. Der brisante Vorwurf: Untreue.
Die Anschuldigungen richten sich direkt gegen das Klimaschutzministerium unter Ex-Grünen-Ministerin Leonore Gewessler.
4,85 Millionen Euro – für eine Kampagne mit „kaum Informationswert“
Zwischen 2021 und 2022 investierte Gewesslers Ministerium insgesamt 4,85 Millionen Euro Steuergeld in die Kampagne „Raus aus Öl und Gas“: 1,76 Millionen Euro im zweiten Halbjahr 2021 und weitere 3,09 Millionen Euro im Jahr 2022.
Laut der anonymen Sachverhaltsdarstellung sei der Informationswert dieser Kampagne für die Bevölkerung „minimal“, der politische Nutzen für die Grünen hingegen „maximal“ gewesen. Die Aktion sei „unverhältnismäßig hoch, zweckfremd“ – und habe eindeutig dazu gedient, parteipolitische Erfolge der Grünen medienwirksam zu inszenieren.
Politische Inszenierung statt Sachinformation
Der Ausstieg aus Öl und Gas war eine zentrale Wahlkampfforderung der Grünen – und genau diese Forderung wurde anschließend mit enormem Mitteleinsatz staatlich beworben, kritisiert die Anzeige. Die Kampagne sei „äußerst groß und intensiv angelegt“ gewesen und habe deutlich über das hinausgereicht, was zur Information der Bevölkerung erforderlich gewesen wäre.
Besonders brisant: Laut Anzeige habe die Werbelawine darauf abgezielt, die mediale Darstellung zu beeinflussen. Ziel sei gewesen, den Eindruck zu erzeugen, der fossile Ausstieg sei das Verdienst der Grünen und Gewesslers persönliches Projekt, nicht ein Beschluss der gesamten Bundesregierung.
„Wissentlicher Befugnismissbrauch“ – Ausgaben gegen die „Zweckbindung öffentlicher Mittel“
Die anonymen Verfasser halten fest: Der Informationszweck der Kampagne hätte mit einfachen und erheblich günstigeren Mitteln erreicht werden können: etwa über die BMK-Website oder gezielte Schreiben an Hauseigentümer. Stattdessen seien Werbemillionen quer durch das Medienspektrum verteilt worden – ohne sachliche Notwendigkeit.
Die Sachverhaltsdarstellung sieht darin nicht nur Fehlplanung, sondern Vorsatz. Wörtlich heißt es, es sei „von einem wissentlichen Befugnismissbrauch auszugehen“. Die Ausgaben hätten gegen die „Zweckbindung öffentlicher Mittel“ verstoßen und einen erheblichen Schaden für die Republik verursacht. Das Fazit der Anzeige fällt unmissverständlich aus: „Die Verwirklichung des Untreue-Tatbestandes ist somit zweifelsohne gegeben.“
Gewesslers teuerste Aktion: Inserate um über eine Million Euro
Dass unter Leonore Gewessler das Steuergeld besonders großzügig in Werbekampagnen floss, ist bereits bekannt. Wie der exxpress enthüllte, verschlang allein ein einziges Inserat ihrer „Heizkesselkampagne“ über eine Million Euro – ohne dass Kosten für Planung, Agentur oder Strategie jemals offengelegt wurden. Besonders bemerkenswert: Geworben wurde nicht nur in Österreich, sondern sogar im Ausland – auf deutschen Nachrichtenseiten und sogar auf Gaming-Portalen. Warum deutsche Gamer über eine österreichische Heizkesselförderung informiert werden mussten, blieb unbeantwortet.
Der Rechnungshof warnte bereits mehrfach, dass im Klimaschutzressort grundlegende Gebarungsgrundsätze wie Sparsamkeit und Zielgruppenbezug ignoriert wurden. Ganz im Sinne dieser Kritik zeigen die vorliegenden Daten: Die Kampagnen verfehlten ihre Zielgruppe, verschlangen Millionen – und nutzten vor allem den Grünen.
Anzeige wirft schweren Befugnismissbrauch vor
Die an die Justiz übermittelte Sachverhaltsdarstellung spricht neben zweckwidriger Mittelverwendung und „wissentlichem Befugnismissbrauch“ auch von einem Schaden für die Republik. Laut den anonymen Verfassern sei die Kampagne derart weit vom Informationsauftrag entfernt gewesen, dass sie letztlich nur einen Schluss zulasse: „Die Verwirklichung des Untreue-Tatbestandes ist somit zweifelsohne gegeben.“
Vergleich zum Familienbonus: Gelten hier andere Maßstäbe?
Besonders brisant ist ein Punkt: Die Anzeige stammt bereits aus 2023 – und zieht einen direkten Vergleich zur Inseratenkampagne „Familienbonus Plus“. Diese wurde damals vom Finanzministerium unter den ÖVP-Ministern Hartwig Löger und später Gernot Blümel verantwortet. Auch dort ging es um Millionenbeträge, politische Botschaften und großflächige Schaltungen.
Im zweiten Halbjahr 2018 flossen laut einer anderen Anzeige allein 4,77 Millionen Euro in rund 380 Einschaltungen, die laut Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) vor allem einem Zweck dienten: „die Einlösung des Wahlversprechens zu vermarkten“ und „den politischen Erfolg im redaktionellen Teil zuzuschreiben“.
Doch im Gegensatz zum Fall Gewessler gibt es beim Familienbonus längst klare justizielle Schritte: Das Oberlandesgericht hat den Tatverdacht im Zusammenhang mit der damaligen Kampagne ausdrücklich bestätigt.
Bisher keine Ermittlungen gegen Gewessler bekannt
Die Sachverhaltsdarstellung argumentiert daher unmissverständlich: Wenn im Fall Familienbonus ermittelt wird, obwohl der Informationswert gering und der politische Nutzen hoch war – warum dann nicht auch bei Gewesslers 4,85-Millionen-Kampagne?
Die Parallelen sind unübersehbar: ähnliche Summen, ähnlich massive Inseratenschaltungen, ähnliche politische Nutzeneffekte, ähnliche Kritik am fehlenden Informationsbedarf. Doch ein entscheidender Unterschied bleibt bestehen: Im Fall Gewessler ist bis heute keinerlei Ermittlungsmaßnahme bekannt.
Der exxpress fragt nach
Genau das macht diese Sachverhaltsdarstellung so explosiv. Die Vorwürfe sind präzise formuliert, die Argumentation ist klar aufgebaut – und das Dokument liegt der Staatsanwaltschaft Wien seit zwei Jahren vor. Dennoch ist bis heute keine einzige Ermittlung öffentlich bekannt, keine Prüfung bestätigt, kein Verfahren kommuniziert.
Während in vergleichbaren Fällen – etwa beim Familienbonus – die WKStA rasch aktiv wurde und der Tatverdacht sogar vom Oberlandesgericht bestätigt wurde, herrscht im Fall Gewessler auffälliges Schweigen. Ein Vorgang, der sämtliche Kriterien erfüllt, die die Justiz sonst als Anfangsverdacht wertet, scheint im Aktenschrank zu verbleiben.
Der exxpress fragt daher bei der Staatsanwaltschaft Wien nach: Wurde die Anzeige geprüft? Laufen Ermittlungen? Gibt es Gründe für das Schweigen? Sobald eine Antwort eintrifft, berichten wir – wie immer – umgehend weiter.
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