800 Milliarden Euro sollen nun für die Armeen der EU-Staaten ausgegeben werden. Doch für Prof. Markus C. Kerber (TU Berlin) ist das nicht mehr als politische Augenwischerei. Die EU wolle keine effiziente Verteidigung schaffen, sondern die Krise nutzen, um ihre Zentralmacht auszubauen. „Brüssel installiert eine Zentralregierung“, warnt Kerber im TV-Interview mit exxpress-Redakteur Stefan Beig. Die Pläne der EU-Kommission seien in mehrfacher Hinsicht problematisch.

Die EU ist kein Militärbündnis

Laut Kerber fehlen der EU Entscheidungsstrukturen für militärische Aktionen. „Die EU ist kein Militärbündnis, sondern ein Binnenmarkt. Punkt. Schluss.“ Statt einer echten militärischen Strategie versuche Brüssel, seine Macht mit Milliarden auszuweiten. Prof. Markus Christian Kerber lehrt Finanzwissenschaft und Wirtschaftspolitik an der Technischen Universität Berlin. Außerdem ist er Gründer des Think Tanks Europolis, der an einer Neuausrichtung der europäischen Ordnungspolitik arbeitet.

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Die Profiteure sind Frankreich und bestimmte Rüstungsunternehmen

„Länder wie Frankreich, die hohe Defizite gemacht haben, werden belohnt“, kritisiert Kerber. „Auch die Rüstungsindustrie reibt sich die Hände.“ Die EU wolle 100 Milliarden an den Märkten aufnehmen und zu günstigen Konditionen an Staaten weitergeben, die bisher schlecht gewirtschaftet haben. „Das war schon in der Covid-Krise so, jetzt wiederholt sich das Spiel.“

Eine chaotische Waffenbeschaffung?

Zudem sei die EU für eine gemeinsame Rüstungsbeschaffung nicht geeignet. Kerber verweist auf die intransparente Beschaffung von Impfstoffen, die Ursula Von der Leyens Deals mit Pfizer sind bis heute nicht vollständig aufgeklärt. „Soll das jetzt bei Waffen genauso laufen?“ fragt er. Die Beschaffung von Waffen sei hochkomplex und erfordere nationale Strukturen. „Die EU hat damit keine Erfahrung – und das ist auch gut so.“

Präsident Emmanuel Macron (r.) ist über Von der Leyens Pläne hocherfreut. Aus gutem Grund.APA/AFP/Dimitar DILKOFF

Eine europäische Armee? Reine Illusion!

Eine „europäische Armee“ ist für Kerber reine Illusion. „Wir schaffen es nicht einmal, aus nationalen Armeen einen militärischen Verband zu bilden. Aber wir reden von einer Verteidigungsunion?“ Besonders problematisch sei die geplante Sicherung der 2000 Kilometer langen Grenze zwischen der Ukraine und Russland. „Wie soll das gehen, wenn wir nicht einmal genügend Soldaten aus den bestehenden Armeen rekrutieren können?“

Ein Verteidigungsrat statt EU-Bürokratie

Eine sinnvolle Verteidigungsstrategie könne es nur geben, wenn die nationalen Verteidigungsminister zusammenarbeiten. „Die Armeen von Luxemburg und Malta spielen dabei keine Rolle. Entscheidend sind Länder wie Deutschland, Frankreich, Spanien, Polen und Italien.“ Auch die Briten müssten eingebunden werden, da sie bisher als Mittler zwischen Europa und den USA fungierten. Sinnvoll könnte ein Rat der Verteidigungsminister sein.

Wird die EU bald für Frankreichs Atomwaffen zahlen?

Besonders brisant: In Paris hoffen manche, dass sich die EU künftig an den hohen Kosten der französischen nuklearen Abschreckung beteiligen könnte. „Das werden die meisten europäischen Länder nicht akzeptieren“, ist sich Kerber sicher. Zudem fehle vielen Politikern das Verständnis für militärische Strukturen. „Sie haben weder von Verteidigung noch von Rüstungsbeschaffung eine genaue Vorstellung. Aber sie wollen Milliarden verteilen?“

Für Kerber steht fest: Die EU sollte sich nicht in Verteidigungsfragen einmischen, sondern auf nationale Zusammenarbeit setzen. „Brüssel kann keine Sicherheit garantieren.“

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