Die Entscheidung von Bundespräsident Alexander van der Bellen, nicht FPÖ-Chef Herbert Kickl, der mit den Freiheitlichen einen fulminanten Sieg bei den Nationalratswahlen errungen hat und als stimmenstärkste Partei hervorging, das Vertrauen auszusprechen, sorgte für viel Aufregung. Stattdessen erteilte van der Bellen dem eigentlichen Wahlverlierer, ÖVP-Bundeskanzler Karl Nehammer, den Regierungsbildungsauftrag. Sowohl die Freiheitlichen als auch ein Großteil Bevölkerung verurteilten scharf die Entscheidung des Bundespräsidenten und kritisierten, dass der Wählerwille damit vollkommen ignoriert werde. In einem Statement machte Van der Bellen klar, dass der Grund für seine Entscheidung der sei, dass niemand mit FPÖ-Chef Herbert Kickl regieren möchte.

Babler: „Nicht mit dieser ÖVP“

Auch SPÖ-Chef Andreas Babler hatte eine Zusammenarbeit mit Herbert Kickl und der Freiheitlichen Partei immer wieder entschieden ausgeschlossen. „Wer verhindern will, dass die Menschenrechte ausgehöhlt werden, kann nicht mit der FPÖ koalieren“, äußerte Babler vor der Wahl. Doch nicht nur eine Koalition mit dem FPÖ-Chef kam für ihn nicht infrage. Im Wahlkampf sagte Babler, dass er auch mit „dieser ÖVP“ nicht zusammenarbeiten wolle. Seine Haltung scheint sich jedoch drastisch verändert zu haben. Wie vor wenigen Tagen bekannt wurde, sind die Ampel-Verhandlungen in Österreich bereits in vollem Gange: ÖVP-Bundeskanzler Karl Nehammer verkündete, dass er die SPÖ und die NEOS in die Regierung bringen wird.

Nach der Wahl sieht es anders aus. SPÖ-Chef Andreas Babler und ÖVP-Chef Karl Nehammer (r).APA/HELMUT FOHRINGER

Vor der Wahl ist nicht nach der Wahl

In einem Interview mit dem „Standard“ erklärt Babler seine „Meinungsänderung“. Auf die Frage des „Standards“, was sich seitdem bei der Volkspartei verändert habe, betont Babler: „Das habe ich in der Wahlkampfsituation gesagt. Jetzt geht es um Verantwortung.“ Der „Standard“ hakt nach und erinnert Babler daran, dass er bereits im Wahlkampf wusste, dass die SPÖ einen Partner benötigt, um in der Regierung Verantwortung zu übernehmen. Es war auch klar, dass er auf die ÖVP angewiesen wäre. „Der Wahlkampf ist vorbei, und jetzt hat sich der Ton geändert – seitens der ÖVP, seitens der NEOS, auch von uns“, stellt der SPÖ-Chef klar, dass seine früheren Aussagen und Versprechen im Wahlkampf anscheinend nicht so gemeint waren.

FPÖ-Amesbauer: „Babler ist machtgeil“

Der FPÖ-Sicherheitssprecher Hannes Amesbauer zeigt sich empört und hinterfragt in einem Kommentar auf der Nachrichtenplattform X die Glaubwürdigkeit von Bablers politischer Agenda. Seine Handlungen erwecken den Eindruck, dass es dem SPÖ-Chef weniger um die Interessen der Bürger gehe als um den Zugang zur politischen Macht: „Babler gibt offen zu, dass ALLES was er im Wahlkampf gefordert, gesagt und versprochen hat, nicht ernst gemeint war“, so Amesbauer und erklärt weiter: „‚Verantwortung‘ bedeutet nichts anderes als Machtgeilheit“. Die Vorstellung, dass jemand mit einer solchen Haltung Vizekanzler werden könnte, sei „zum Schämen“, kritisiert Amesbauer abschließend.