Bauerndemo in Brüssel: „Es reicht!“
Rund 10.000 Bauern protestierten am Donnerstag in Brüssel gegen neue Auflagen, Mercusor und drohende Kürzungen im EU-Agrarbudget. Auf exxpressTV warnt Lorenz Mayr, Vizepräsident der Landwirtschaftskammer Niederösterreich: Die Höfe stehen unter Druck – und Europas Versorgungssicherheit wackelt.
Lorenz Mayr (r.), Vizepräsident der Landwirtschaftskammer Niederösterreich, mit exxpress-Redakteur Stefan Beig (l.)EXXPRESS/EXXPRESS
Rund 10.000 Bauern aus ganz Europa haben am Donnerstag in Brüssel demonstriert – gegen die Brüsseler Bürokratie und immer neue Auflagen, gegen das Mercosur-Abkommen und gegen drohende Kürzungen im EU-Agrarbudget (GAP). Mindestens 22 Landwirte aus Niederösterreich waren auch dabei, berichtet Lorenz Mayr, Vizepräsident der Landwirtschaftskammer Niederösterreich, im exxpressTV-Interview. Die Unruhe kommt nicht aus dem Nichts. „Die Lage ist nicht nur in Österreich angespannt, sondern in ganz Europa“, sagt Mayr.
Bürokratie, Regeln, Geld: Der Kern der Brüsseler Wut
In Brüssel gehe es laut Mayr auch um den mehrjährigen Finanzrahmen: Er werde neu aufgestellt und sei „noch nie so hoch dotiert“ gewesen – aber „noch nie so wenig“ für die Bauern. Europa rede über Sicherheit und Resilienz, doch wer Resilienz ernst meint, müsse die Landwirtschaft mitdenken: „Was heißt das, wenn wir unsere Bauern nicht mehr haben?“
Sein Grundsatz dazu: Es werde immer mehr verlangt – auch bei Umweltprogrammen – aber das System funktioniere nicht, wenn am Ende niemand die Rechnung bezahlt.
Betriebe unter Druck: „Angespannt“ ist noch freundlich formuliert
Mayr beschreibt eine Landwirtschaft, die gleichzeitig von zwei Seiten erdrückt wird: steigende Kosten und immer neue Auflagen – bei sinkender Planungssicherheit. Die jüngste Kostenschätzung der Statistik Austria zeige zwar „ein leichtes Plus“ für die Landwirtschaft, doch das sei trügerisch: Im Detail gebe es starke Unterschiede, etwa zwischen Marktfrucht und Veredelung – und auch in der Veredelung seien Bauern inzwischen „mit fallenden Preisen konfrontiert“. Im Bio-Bereich habe es „Gott sei Dank wieder ein besseres Jahr“ gegeben.
Es geht ums Ganze: Versorgungssicherheit
Für Mayr ist entscheidend: Es gehe nicht nur ums Einkommen der Bauern. Es gehe darum, ob Österreich und Europa künftig noch selbst bestimmen, wie und woher Lebensmittel kommen – oder ob man sich von Importen abhängig mache. „Lebensmittel haben nicht nur einen Preis, sie haben auch einen Wert“, sagt er. Und Abhängigkeiten hätten die Menschen spätestens in der Corona-Zeit gespürt – Stichwort Lieferketten. Mayr erinnert etwa an den Frachter im Suezkanal, der „quer gestanden ist“: Plötzlich warten alle auf Lieferungen – und merken, wie riskant Abhängigkeit ist.
„Wir sind keine Preistreiber“
Einen Vorwurf weist Mayr zurück: Bauern seien nicht die Treiber der Preise. Er nennt Beispiele aus dem Interview: Bei Erdäpfeln sei der Anteil der Bauern am Regalpreis 2024 bei 21 Prozent gelegen, im heurigen Jahr bei 12 Prozent. Beim Brot mache der „Landwirtpreis“ rund 5 Prozent aus. Bei der Semmel komme ein Cent bei den Bauern an.
Würde die Semmel einen Cent mehr bringen, wäre das für Konsumenten über ein Jahr gerechnet 3,65 Euro, für Bauern aber ein spürbarer Unterschied.
Auch die Butter-Preisdebatte hält er für überzogen: Bei 1,29 Euro für 250 Gramm sei das nicht kostendeckend – und zugleich fragt er, wie viel Butter man kaufen müsse, damit dadurch „das Haushaltsbudget zerstört“ werde.
Wo entsteht der Preisdruck wirklich?
Mayr will keine Schuldzuweisungen, verweist aber auf Kosten-Faktoren, die jeder spürt: Energie sei „gewaltig gestiegen“, außerdem würden Konsumenten immer häufiger verarbeitete Produkte kaufen. Sein Beispiel: weniger Käseblock, mehr geschnittene, extra verpackte Scheiben – mehr Energie, mehr Arbeit, mehr Verpackung, mehr Müll – und damit mehr Kosten.
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