Es klang nach einem historischen Durchbruch: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und US-Präsident Donald Trump verkündeten am Sonntag bei Handelsgesprächen in Schottland eine politische Einigung, die einen drohenden Handelskrieg abwenden sollte. Trump versprach, geplante Zölle auf EU-Importe nicht auf 30, sondern nur auf 15 Prozent anzuheben. Im Gegenzug sagte von der Leyen gleich mehrere Mega-Versprechen zu: Die EU werde US-Energie im Wert von 750 Milliarden Dollar kaufen – und zusätzlich 600 Milliarden Dollar in die US-Wirtschaft investieren, unter anderem in Rüstungsgüter.

Doch der vermeintliche Durchbruch entpuppt sich als PR-Desaster. Erst hagelte es Kritik von Ökonomen und Politikern, die von einer demütigenden Niederlage für Europa sprechen – der exxpress berichtete. Doch es kommt noch dicker: Auch die gigantischen Versprechen von der Leyens entpuppen sich als Luftblasen.

Ein Händedruck ohne Macht: Die EU verspricht Milliarden – hat aber keine Kontrolle darüber.APA/AFP/Brendan SMIALOWSKI

Brüssel hat keine Kontrolle über die Milliarden

Nur Stunden nach dem großen Auftritt folgte die Blamage: Zwei hochrangige EU-Kommissionsbeamte mussten einräumen, dass die EU über die zugesagten 600 Milliarden Dollar keinerlei Kontrolle habe. Die Investitionen sollen vollständig von privaten Unternehmen stammen – ohne öffentliche Gelder, ohne Anreize, ohne Zeitplan.

„Das ist nichts, was die EU als öffentliche Instanz garantieren kann. Es basiert auf den Absichten privater Unternehmen“, erklärte ein EU-Beamter gegenüber politico. Mit anderen Worten: Brüssel verspricht etwas, das es nicht steuern, nicht durchsetzen und nicht garantieren kann. Die Summe beruhe lediglich auf Gesprächen mit Wirtschaftsverbänden – rechtlich bindend ist das nicht.

Zaghafte Geste – großes Versprechen…APA/AFP/Brendan SMIALOWSKI

Rechtsexperte: Von der Leyen braucht die Mitgliedstaaten – und die sind skeptisch

Auch aus juristischer Sicht gibt es Bedenken. Laut dem Europarechtsexperten Walter Obwexer (Universität Innsbruck) handelt es sich nicht um ein echtes Handelsabkommen, sondern lediglich um einen politischen Kompromiss ohne rechtliche Verbindlichkeit. „Jetzt von einem ‚Deal‘ oder einem Abkommen zu sprechen, wäre falsch“, sagt Obwexer. Die Kommission bräuchte dafür erst die Ermächtigung der Mitgliedstaaten – und die gibt es nicht.

Vor allem bei den Energieeinkäufen und Rüstungsausgaben sei die Kommission auf die Zusammenarbeit der Mitgliedsländer angewiesen, betont der Experte. Zwar gebe es rechtliche Spielräume, etwa durch bestehende EU-Verordnungen zur gemeinsamen Beschaffung – doch auch dafür braucht es politischen Willen. Und der wackelt bereits: Frankreichs Industrieminister Marc Ferracci spricht offen von „weiterem Klärungsbedarf“, aus Berlin werden „Nachverhandlungen“ gefordert.

Milliarden für Amerika – auf Kosten Europas?

Das 600-Milliarden-Versprechen hat nicht nur in den USA, sondern auch in Europa für Stirnrunzeln gesorgt. Denn wenn private Firmen Milliarden in die USA umleiten, fehlen diese Mittel in Europa – bei Forschung, Infrastruktur, Industrie oder Verteidigung. „Dieser Teil des Deals ist weitgehend performativ“, kritisiert Nils Redeker vom Jacques-Delors-Zentrum gegenüber politico. „Die EU ist nicht China – niemand kann privaten Unternehmen vorschreiben, wie viel sie in den USA investieren.“

Auch die versprochenen Energieeinkäufe im Wert von 750 Milliarden Dollar sorgen für Kopfschütteln. Woher das Geld kommen soll, welche Energie konkret gekauft wird – unklar. Auch die angebliche Senkung der EU-Zölle auf US-Autos auf 0 bis 2,5 Prozent ist bisher nicht offiziell bestätigt.

Von der Leyens missglückter PR-Coup

Kurz: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wartete mit großen Worten, aber leeren Händen auf.  Mit der Show-Einigung in Schottland wollte sie sich als globale Verhandlerin auf Augenhöhe mit Trump inszenieren. Doch nun zeigt sich: Ihr fehlen Geld, Rechtsgrundlage – und der Rückhalt in der EU.