Bumerang? Jetzt hat Brüssel die Social-Media-Vormacht der Rechten einzementiert
Was als Angriff auf Desinformation und Manipulation gedacht war, wird zum spektakulären Eigentor: Wegen neuer EU-Vorschriften zur Polit-Werbung im Netz schränken Google und Meta den Zugang massiv ein: Bezahlte Inhalte verschwinden. Wer bleibt übrig? Jene mit gewaltiger Reichweite: FPÖ, AfD, Fidesz, Vox.
Wer lacht jetzt? Kickl, Weidel & Orbán profitieren von Brüssels neuer Werbe-Regel – während der EU der digitale Boden wegbricht.APA/GETTYIMAGES
Brüssel will kontrollieren – Meta und Google steigen aus: Die neue EU-Verordnung zur politischen Werbung (TTPA – Transparency and Targeting of Political Advertising) soll mehr Transparenz schaffen. Politische Werbung im Internet muss künftig deutlich gekennzeichnet, umfassend dokumentiert und auf mögliche Manipulationen geprüft werden. Das Problem: Die EU schuf einmal mehr ein Bürokratiemonster.
Jetzt reagieren die Tech-Giganten deutlich: Meta (Facebook, Instagram) kündigte am 25. Juli an, sämtliche politische Werbung in der EU ab Oktober 2025 zu stoppen. Google traf dieselbe Entscheidung bereits Ende 2024.
„Viel zu komplex, keine rechtliche Sicherheit“
Meta erhebt in einer offiziellen Stellungnahme schwere Vorwürfe: Die neuen Regeln führten zu einem „untragbaren Maß an Komplexität und rechtlicher Unsicherheit“ – sowohl für Werbetreibende als auch für Plattformen. Die Vorschriften bedeuteten faktisch das Ende personalisierter politischer Werbung.
„Einmal mehr sehen wir, wie regulatorische Auflagen dazu führen, dass beliebte Produkte und Dienste vom Markt verschwinden – und damit Wahlmöglichkeiten und Wettbewerb eingeschränkt werden“, beklagt Meta. Man sei gezwungen gewesen, sich zu entscheiden: zwischen einem unbrauchbaren Werbeprodukt – oder dem völligen Rückzug. Meta wählte den Rückzug. Weitere Plattformen könnten folgen.
Das Ergebnis: Politische Werbung wird massiv eingeschränkt oder verschwindet ganz. Der Zugang zu neuen Zielgruppen über bezahlte Reichweite? Künftig nahezu unmöglich.
Organisch oder gar nicht
Wer jetzt noch Reichweite erzeugen will, muss es ohne Werbung schaffen – rein organisch. Und genau hier zeigt sich die Schlagseite der neuen EU-Regeln: Sie bevorzugen jene, die längst eine starke Social-Media-Maschinerie aufgebaut haben. Das hat gravierende Konsequenzen für den politischen Wettbewerb.
FPÖ, AfD, Fidesz und Vox sind auf Facebook, TikTok, Telegram & Co. seit Jahren höchst aktiv. Ihre Inhalte werden tausendfach geteilt, erreichen Millionen – ganz ohne Werbebudget.
Studien zeigen: Rechte Inhalte werden algorithmisch stärker verbreitet. Bei gleichem Werbebudget erzielen rechte Parteien oft mehr als doppelte Reichweite. Empfehlungs-Algorithmen bevorzugen polarisierende Inhalte. Ein Bericht von Global Witness belegt: Auf TikTok waren 78 Prozent der empfohlenen Inhalte an neue Nutzer pro-AfD, auf X (ehemals Twitter) 64 Prozent. Auch FPÖ-Inhalte dominieren viele Social-Media-Feeds.
Zahlen, die für sich sprechen
Die neue EU-Regelung trifft alle – aber nicht alle gleich. Ein Blick auf die Reichweite zeigt, wer künftig die Meinungsbildung im Netz dominiert:
AfD (Deutschland): 17,5 Millionen Interaktionen auf Facebook, TikTok, Instagram und X im Jänner/Februar 2025. Das ist mehr als CDU und SPD zusammen, berichtet das Wall Street Journal.
FPÖ (Österreich): Herbert Kickl erreichte im Sommer 2024 rund 2,4 Millionen Interaktionen – teils über 400 Shares pro Posting, laut der Presse.
Vox (Spanien): 12,4 Prozent bei der EU-Wahl 2023 – mit starker Telegram-Community und wachsender Präsenz auf Instagram und YouTube.
Fidesz (Ungarn): Offizielle Zahlen fehlen – doch Viktor Orbáns Partei war jahrelang größter politischer Werbekunde bei Google und Meta. Insider wissen: Fidesz ist weit vorne im ungarischen Social-Media-Bereich und hat seit 2021 systematisch Influencer aufgebaut.
Im Übrigen: Auf Google und Meta kann sich jeder selbst ein Bild machen. Die Anzeigenübersichten sorgen dort für Transparenz – und die Zahlen sprechen für sich.
Und die Konkurrenz?
Bei ÖVP, SPÖ, CDU oder SPD sucht man aktuelle Reichweitenzahlen meist vergeblich – nicht, weil sie geheim wären, sondern weil schlicht niemand hinschaut. Ihre Inhalte rauschen ohne Echo durchs Netz, zünden keine Debatten, gehen nicht viral. Für die Algorithmen sind sie irrelevant – und für viele Nutzer unsichtbar.
Wer nicht schon Reichweite hat, wird abgehängt
Die neue Lage begünstigt vor allem eines: Stabilität im digitalen Machtgefüge. Wer schon groß ist, bleibt groß – denn neue Reichweite lässt sich kaum noch erkaufen. Das trifft nicht nur Parteien, sondern auch klassische Medien, NGOs und zivilgesellschaftliche Akteure.
Bürokratie-Export statt Standortpolitik?
Was hier geschieht, offenbart eine tiefere Entwicklung: Brüssel vergrämt mit seinen Regulierungen nicht nur Bürger und Unternehmen innerhalb Europas, sondern zunehmend auch globale Partner. Die Kritik aus den USA, Asien und sogar aus dem EU-Wirtschaftsraum selbst wächst: Zu komplex. Zu unpraktikabel. Zu europäisch.
Ausgerechnet ein Bereich, der Sichtbarkeit, Meinungsvielfalt und demokratische Teilhabe sichern sollte, wird nun künstlich verengt. Statt Vielfalt gibt es: Unsichtbarkeit – für alle, die nicht viral sind.
Der Bumerang ist perfekt geflogen
Die EU wollte politische Werbung transparenter machen – herausgekommen ist ein System, das bezahlte Sichtbarkeit blockiert und die organische Vormacht rechter Bewegungen festschreibt. FPÖ, AfD, Fidesz und Vox haben längst verstanden, wie digitale Kommunikation funktioniert. Genau deshalb sind sie nun im Vorteil.
Der Bumerang ist perfekt geflogen. Und trifft exakt jene, die ihn geworfen haben.
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