Chaos pur: Start für Gesundheitsreform endet im nächsten Polit-Desaster
Österreich will sein Gesundheitschaos endlich beseitigen – doch der große Rettungs-Gipfel endet selbst im Chaos, noch ehe er begonnen hat. SPÖ-Gesundheitsministerin Korinna Schumann wollte alles ordnen und den Neustart wagen – und lud die Hälfte der Zuständigen gar nicht ein. Sie kündigte ein Treffen an, das gar nicht stattfindet.
Ministerin Korinna Schumann (SPÖ) kündigte den großen Gesundheitsgipfel an. Das einzige Problem: Sie lud fast niemanden ein.APA/HELMUT FOHRINGER
Nach dem Tod einer 55-jährigen Oberösterreicherin, deren Aufnahme mehrere Spitäler ablehnten, kündigte Gesundheitsministerin Korinna Schumann (SPÖ) einen Krisengipfel „mit allen Gesundheitslandesräten“ an. Starkes Versprechen – dachte man.
Eine Woche später: Nichts davon hält. Eingeladen wurden am Ende nur Wien und Oberösterreich. Fünf Bundesländer wurden nicht einmal kontaktiert, sie blieben außen vor – verwirrt, erbost, ausgeschlossen. Statt des großen Runden Tisches gibt es bloß einen längst geplanten Termin der Regierungs-Reformgruppe am Freitag – mit ÖVP-Klubobmann August Wöginger und NEOS-Vertretern, aber ohne die angekündigten Landeschefs. Am Tisch sitzen nur OÖ-Landesrätin Christine Haberlander und Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker. Die Gesundheitsreform, die Chaos beheben soll, beginnt im Chaos.
Der Todesfall, der alles ins Rollen brachte
Der Schock, der alles ins Rollen brachte, sitzt tief: Eine Oberösterreicherin klagte über heftige Brustschmerzen. Der Notarzt war da – doch mehrere Spitäler lehnten eine Aufnahme ab. „Keine Kapazität.“ Die Frau kollabierte noch vor dem Abtransport. Sie starb wenig später. Dieser Fall wurde zum Symbol eines Systems, das im Ernstfall zu langsam reagiert und an seinen eigenen Strukturen scheitert.
Die Tragödie in Oberösterreich war kein Einzelfall, sondern nur der jüngste Auslöser. In Radmer in der Steiermark brauchte der Notarzt fast 30 Minuten – weil die Region so unterversorgt ist, dass zwischen zwei Stützpunkten eine halbe Stunde Autofahrt liegt. Ein 46-jähriger Familienvater kollabierte – und überlebte nicht. Am Buchauer Sattel starb ein 19-Jähriger. Mehr als 40 Minuten dauerte es, bis ein Notarzt einsatzbereit war.
Alle Fälle zeigen das gleiche Muster: lange Anfahrt, schlechte Koordination, totale Überlastung.
Der Spaghetti-Teller der Zuständigkeiten – und warum er alles blockiert
Die berühmte Rechnungshofgrafik von 2015 (unten) zeigt das Problem ungeschminkt: Österreichs Gesundheitssystem besteht aus Dutzenden Geldtöpfen, Fonds, Querfinanzierungen und Behörden, die sich gegenseitig be- und verhindern. Die Krankenkassen zahlen die Ordinationen, Therapien und Medikamente. Die Länder bezahlen die Spitäler über riesige Fonds. Und dazwischen: ein Flickwerk aus Verrechnungsstellen, Clearingstellen, Nebenfonds und Spezialtöpfen, die selbst Experten verzweifeln lassen.
Das Ergebnis ist ein absurdes Anreizsystem: Die Krankenkassen haben ein Interesse, dass Patienten nicht zu oft in teure Ordinationen gehen. Wenn ein Patient im Krankenhaus landet, zahlen nicht die Kassen, sondern die Länder. Die Länder wiederum haben das Gegenteil im Sinn: Jeder Spitalsfall ist teuer. Also versuchen sie, Patienten aus den Ambulanzen herauszuhalten und zurück in den niedergelassenen Bereich zu drängen. Zwei Budgets, zwei Logiken – und der Patient dazwischen.
In dieser Struktur entstehen Reibungsverluste an allen Ecken: Abstimmungsrunden, Kompetenzstreit, Verzögerungen, „nicht zuständig“-Argumente, Kostenverschiebungen, fehlende Datentransparenz. Selbst der Rechnungshof musste in einer Fußnote zugeben, dass manche Geldflüsse „nicht dargestellt werden können“. Wie soll ein Land ein System steuern, dessen Leitungen es nicht einmal sieht?
Für die Menschen bedeutet das: volle Wartezimmer, monatelange Facharzttermine, gesperrte Betten, überlastete Ambulanzen. Österreich hat so viele Arztbesuche wie kein anderes Land in Europa – und trotzdem nur mittelmäßige Ergebnisse.
Die Vorschläge liegen längst am Tisch – und alle sagen das Gleiche
Trotz Chaos zeigt sich ein erstaunliches Muster: Nahezu alle Parteien, Experten und Länder fordern dasselbe. Es brauche eine Gesundheitsfinanzierung aus einer Hand, erklärt etwa Grünen-Nationalratsabgeordneter Ralph Schallmeiner. Auch Fiona Fiedler von den NEOS verlangt eine klare Bündelung der Verantwortung. Ähnliches hört man aus den Ländern. Die Tiroler ÖVP-Landesrätin Cornelia Hagele will eine gemeinsame Spitalsplanung und weniger Doppelgleisigkeiten. Auch aus Niederösterreich heißt es gegenüber der Krone: „Finanzierung aus einer Hand wäre ein guter und wichtiger Schritt.“
Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) pusht die gemeinsame Ostzonen-Planung. Andreas Huss, Obmann in der Österreichischen Gesundheitskasse, unterstützt ebenfalls ein Ost-Modell mit gemeinsamer Finanzierung.
Von links bis rechts herrscht zumindest in einem Punkt seltener Konsens: Weg mit der Zersplitterung, her mit einem gemeinsamen System. Jetzt muss man diese Reform nur noch auf den Weg bringen – beginnend bei der Einladung aller Verantwortlichen.
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