Christen im Visier: Wie Teheran Andersgläubige unterdrückt
Der Iran zählt zu den 10 Ländern weltweit, in denen Christen am stärksten verfolgt und unterdrückt werden. Dieses Ranking wird jährlich von der Organisation Open Doors erstellt. Wir haben bei Open Doors genauer nachgefragt, was Christen im Iran tatsächlich erleben müssen.
Open Doors ist ein überkonfessionelles christliches Hilfswerk, das sich seit 1955 für verfolgte Christen weltweit einsetzt. Es ist in über 70 Ländern aktiv – in Regionen, in denen mehr als 380 Millionen Christen wegen ihres Glaubens schweren Repressionen ausgesetzt sind. Die Organisation leistet humanitäre, materielle und geistliche Unterstützung – selbst unter schwierigsten Umständen. Dazu gehören Selbsthilfeprojekte, die Ausbildung christlicher Leiter, Traumabegleitung sowie die Verteilung von Bibeln und christlicher Literatur.
In Österreich macht Open Doors auf das Schicksal verfolgter Christen aufmerksam und ruft zu Engagement und Gebet auf. Grundlage der Öffentlichkeitsarbeit ist der jährlich erscheinende Weltverfolgungsindex, der die Gesellschaft informiert und sensibilisiert.
Der Weltverfolgungsindex und der Iran
Unter Christenverfolgung versteht Open Doors jede Form von Feindseligkeit, die Menschen aufgrund ihres christlichen Glaubens erfahren. Diese kann vielfältige Formen annehmen: Einige werden von ihrer Familie, Freunden oder ihrem sozialen Umfeld ausgegrenzt. Andere verlieren ihre Arbeitsstelle oder werden vom Bildungssystem ausgeschlossen. Vielen wird der Zugang zu lebensnotwendigen Gütern wie Wasser, Nahrung oder medizinischer Versorgung verwehrt. Manche erleben sogar Gewalt, Inhaftierung oder Todesdrohungen.
Im aktuellen Weltverfolgungsindex rangiert der Iran auf Platz 9 unter den 50 Ländern, in denen Christen am stärksten unter Druck stehen.
Formen und Ursachen der Unterdrückung
Besonders stark betroffen sind Christen, die vom Islam zum Christentum konvertiert sind. Die Hauptverantwortung für die Einschränkung der Religionsfreiheit trägt die iranische Regierung, aber auch Familien und Teile der Gesellschaft beteiligen sich daran.
Der Staat betrachtet christliche Konvertiten als Werkzeuge westlicher Einflussnahme zur Schwächung von Islam und Regierung. Leitende Personen solcher Hauskirchen sowie Unterstützer aus anerkannten Kirchen werden häufig verhaftet, angeklagt und unter dem Vorwurf der »Gefährdung der nationalen Sicherheit« zu langen Haftstrafen verurteilt.
Die traditionellen armenischen und assyrischen Kirchen sind zwar staatlich anerkannt, doch ihre Mitglieder gelten als Bürger zweiter Klasse. Öffentliche Ämter und viele Arbeitsplätze bleiben ausschließlich Muslimen vorbehalten. Außerdem sind diese Kirchen juristisch benachteiligt: Sie dürfen etwa keine Veranstaltungen oder Materialien auf Farsi anbieten (der Landessprache) – weder in Gottesdiensten noch in Publikationen. Auch der Kontakt zu farsisprachigen Konvertiten ist verboten. Letztere dürfen nicht an den Gottesdiensten teilnehmen.
Politische Entwicklungen im Iran
Der Iran wurde zu einer islamischen Republik, als der Schah in der Revolution von 1979 abgesetzt wurde und schiitisch-islamische Geistliche die Kontrolle über das Land übernahmen. Sie verbannten jeglichen westlichen Einfluss (den sie als christlich betrachten) aus ihrem Land.
Der ranghöchste und einflussreichste Geistliche ist heute der sogenannte »Oberste Führer« Ajatollah Ali Chamenei, der dem prinzipientreuen politischen Flügel angehört. Er zieht alle politischen Fäden und ernennt den Wächterrat, der bei allen parlamentarischen Gesetzen ein Vetorecht hat und der auch alle Kandidaten für politische Ämter überprüft.
Die politischen Spannungen zwischen dem Iran, Israel und den USA haben sich zuletzt wieder verschärft. Es kam zu Angriffen und Bombardierungen, die den Obersten Führer zeitweise zum Untertauchen zwangen. Viele erhoffen sich dadurch einen Regimefall – aber auch die christliche Minderheit im Iran selbst?
Eskalation der Repression
Wir haben mit einer Kontaktperson im Nahen Osten gesprochen, die für eine Partnerorganisation von Open Doors arbeitet. Sie ist Kommunikationsspezialistin. Ihren Namen und in welchem Land sie sich befindet, darf sie uns nicht nennen – es wäre viel zu riskant. Wir nennen sie deswegen Sara.
Sara erzählt, dass sie von der Tapferkeit und dem Glauben der Christen vor Ort tief berührt ist. Gerade in diesen politisch angespannten Zeiten habe sich die Verfolgung noch einmal verschärft. Zwar wurden manche Gerichtsverhandlungen aufgrund militärischer Ereignisse verschoben, doch zugleich wurden allein in den vergangenen zwei Wochen 700 Christen verhaftet – unter dem Vorwurf, sie seien US-Spione.
Besonders alarmierend: Ein neues Gesetz wird aktuell im Eilverfahren verabschiedet. Es enthält neun besonders drastische Bestimmungen, die der Justiz praktisch freie Hand geben, um die Todesstrafe zu verhängen.
Gebet und Hoffnung
Doch selbst im Falle eines Regimewechsels wäre die Lage für Christen unsicher. Der Hass religiöser Hardliner könnte ebenso gefährlich bleiben wie die wachsende säkulare Feindseligkeit gegenüber Religion allgemein.
Deshalb beten Christen im Iran nicht nur für ein Ende der Verfolgung, sondern für echten Frieden und eine Zukunft in Freiheit.
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