Dauer-Chaos in MA 35: Wiens Einwanderungsbehörde findet nicht aus der Krise
Eindeutiger geht es nicht: 60 Prozent aller festgestellten Missstände bei Österreichs Verwaltungsbehörden betreffen die Wiener MA 35. Der zuständige NEOS-Stadtrat Christoph Wiederkehr wirkt überfordert. Wer eine Staatsbürgerschaft beantragt, muss Jahre warten, weil die MA 35 nicht reagiert, Telefonate abbricht, Dokumente verlegt.
Wer qualifiziert ist, bestens Deutsch spricht und schon längst in Österreich heimisch ist – der hat es schwer. Der Weg zur Staatsbürgerschaft dauert oft Jahre, obwohl man schon alle Voraussetzungen erfüllt.
Oft reagieren die Beamten bei der zuständigen MA 35 mehrere Monate nicht, dann werden auch noch Dokumente verlegt, sodass Verzögerungen von bis zu sechs Jahren bekannt sind. Telefonate werden abrupt abgebrochen. Die Wiener Einwanderungsbehörde – kurz MA 35 – kommt einfach nicht aus den Negativschlagzeilen. Kürzlich gab ein Mitarbeiter sogar offen zu, dass Anrufe von Bürgern ignoriert werden, um keine zusätzliche Arbeit anzuziehen.
750 Beschwerden bis Mitte November
Einen überforderten Eindruck macht bis heute der zuständige Integrationsstadtrat und Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr (NEOS). Die Missstände reichen zwar vor seine Amtszeit zurück, doch konnte er die Lage nicht bessern. Im Gegenteil. Er versuchte es mit Personalaufstockung und zog einen externen Berater hinzu – bisher ohne Erfolg: Die Anzahl an Beschwerden wächst weiter und weiter, zurzeit schlicht ins Unermessliche, wie sich nun zeigt.
Noch vor zehn Jahren berichtete die Volksanwaltschaft von 141 Beschwerden, die in einem Jahr eingetroffen sind. Im Jahr 2021 waren es allein bis Mitte November 750. Die endgültige Zahl für das vergangene Jahr ist noch nicht bekannt.
Gasselich: "Einer Weltstadt wie Wien völlig unwürdig"
Keine Verwaltungsbehörde in ganz Österreich fällt durch ein vergleichbares Missmanagement auf. Von den eingemeldeten Missstands-Feststellungen der Volksanwaltschaft zu allen Verwaltungsbehörden Österreichs betreffen 60 Prozent nur eine einzige Behörde, und das ist die Wiener Einwanderungsbehörde MA 35.
Von „unzumutbaren Zuständen“, die „einer Weltstadt wie Wien völlig unwürdig“ sind, spricht Patrick Gasselich, Verfassungssprecher der Wiener ÖVP. Es sei bereits „fünf nach zwölf“. Das Pikante: Hochqualifizierte Personen, die schon viele Jahre in Österreich leben und perfekt Deutsch sprechen, werden vor den Kopf gestoßen.
Fünf Jahre Warten auf Staatsbürgerschaft
Gasselich erwähnt etwa einen mexikanischen Opernsänger in Wien, der in Salzburg promoviert hat und nun im Wiener Metropol angestellt ist. Er musste fünf Jahre warten, bis er endlich in den Genuss der österreichischen Staatsbürgerschaft kam. Dabei wurden Dokumente, die er schon eingereicht hatte, nach Monaten neuerlich verlangt. Patrick Gasselich unterstreicht: „Es darf einfach nicht sein, dass durch das Chaos, Missmanagement und die Unfähigkeit einer Behörde qualifizierte Personen Österreich bereits meiden. Dieser Zustand ist und muss so rasch wie möglich gelöst werden.“
Anfragen von Patrick Gasselich haben ergeben, dass in den vergangenen fünf Jahren die Anzahl der zu bearbeitenden Anträge gesunken ist. Im selben Zeitraum wurden die Dienstposten um 75 Prozent erhöht. Die Verfahrensdauer ist im Durchschnitt deutlich gestiegen – ein eindeutiges Indiz für Missmanagement.
"Wiederkehr hat rotes Missmanagement geerbt"
Wiederkehr habe „ein jahrelanges rotes Missmanagement geerbt“, sagt Patrick Gasselich. Aber ohne nachhaltige Reformen müsse er ebenso zur Verantwortung gezogen werden. Es brauche ein telefonisches Servicecenter, eine Analyse der Prozessabläufe, Transparenz bei den Missständen, um in den internen Prozessen die nötigen Verbesserungen zu erzielen. Auch eine Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter regt Gasselich an.
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