Die ungehörte Krise in Niger: Jeder 3. Katholik auf Flucht vor Islamisten
Mehr als 15.000 Katholiken in Niger sind auf der Flucht – Opfer anhaltender islamistischer Angriffe. Vor allem ländliche Gebiete sind betroffen, in denen Terrorgruppen wie der IS gezielt Christen angreifen. Die Armee bekommt den Terror nicht in den Griff.
Eine katholische Schule in der Stadt Maradi. In Niger sind 99 Prozent der Bevölkerung Muslime. IMAGO/IMAGO / Joerg Boethling
In Niger sind derzeit mehr als 15.000 der etwa 50.000 Katholiken des Landes auf der Flucht, nachdem islamistische Gruppen wie die IS-Provinz Sahel und Nusrat al-Islam die Region mit Terror überzogen haben. Besonders betroffen ist der Südwesten des Landes, wo Dörfer geplündert und Menschen vertrieben wurden. Der italienische Missionspriester P. Mauro Armanino berichtet in einem Artikel der Vatikan-Zeitung Osservatore Romano, dass viele katholische Gemeinden in den betroffenen Gebieten längst leer seien und die Kirche weiter geschwächt wurde.
Der Ordensmann von der Gesellschaft für Afrikamissionen kritisiert die langsame Reaktion des Staates und die Ineffizienz der Armee, die nicht in der Lage sei, der wachsenden Gewalt Herr zu werden. Die Angriffe richten sich gezielt gegen Christen und Animisten. Besonders in den ländlichen Gebieten seien die Gläubigen stark betroffen, da sie dort auf ihre Selbstversorgung angewiesen seien. Die Leute können die Dörfer nicht verlassen, um Nahrung zu holen – sie seien komplett umstellt von bewaffneten Männern. Viele fliehen, kehren jedoch in ihre Dörfer zurück, da die Flucht für sie eine „beschämende Erfahrung“ sei.
„Krieg, über den man nicht spricht"
Die katholische Kirche in Niger hat seit der Unabhängigkeit des Landes mit der Instabilität zu kämpfen, die sich nach dem Militärputsch 2023 weiter verschärfte. Die Bevölkerung ist enttäuscht von der neuen Militärregierung, die zwar Erneuerung versprach, jedoch die Armut und den Terrorismus weiter verschärfte. In Niamey existieren nur noch sieben bis acht aktive Pfarren, die meisten Gläubigen leben jedoch auf dem Land, das von bewaffneten Gruppen angegriffen wird.
Armanino prangert auch den Westen an, der jahrelang nur auf Hilfe setzte und die Realität ignorierte, was zu einer Verschärfung des Konflikts beitrug. „Das ist das Resultat jahrelanger Ambivalenz und doppelter Standards – hart zu den Schwachen, weich zu den Starken“, sagt Armanino. Die Situation im Land ist laut dem Priester ein „Krieg, über den man nicht spricht“. Es herrsche eine Kultur des Schweigens.
Kommentare