Kritiker werfen der australischen Regierung seit längerem vor, Warnsignale beim Schutz jüdischen Lebens zu spät ernst zu nehmen – statt das Problem entschlossen zu bekämpfen, werde es politisch „gemanagt“. Seit dem Terroranschlag am Sonntag ist die Kritik noch lauter: Zwei Schützen eröffneten am Bondi Beach das Feuer auf eine Chanukka-Feier, töteten 15 Menschen und verletzten 27 – sechs davon schweben in Lebensgefahr

Premier Albanese legt am Bondi Beach Blumen nieder.APA/AFP/AUSTRALIAN PRIME MINISTER'S OFFICE/Handout

Die Regierung, zunehmend in der Defensive, hat auf das Massaker nun eine Antwort gefunden: strengere Waffengesetze. Pikant daran ist nur: Australien hat seit 1996 bereits eines der strengsten Waffenrechte der westlichen Welt – und es konnte den Anschlag nicht verhindern.

Antisemitischer Terror mit islamistischem Verdacht

Die Behörden stufen die Tat als antisemitischen Terroranschlag ein. Die Täter schossen am ersten Abend von Chanukka mit Langwaffen in eine feiernde Menge. Das genaue Motiv wird weiterhin ermittelt – geprüft wird auch ein islamistischer Hintergrund.

Das Video zeigt zwei schwarz gekleidete Schützen, die am Bondi Beach das Feuer eröffnen.APA/AFP/various sources/Handout

Premierminister Anthony Albanese bestätigte, dass der 24-jährige Sohn bereits vor sechs Jahren vom Inlandsgeheimdienst ASIO überprüft worden war – wegen möglicher Verbindungen zu einem IS-nahen Umfeld in Sydney. Medien berichten zudem über mutmaßliche IS-Symbolik im Umfeld der Täter. Wo genau die Radikalisierung stattfand – online, im Milieu oder über persönliche Kontakte – ist bislang unklar. Auffällig bleibt jedoch: Ein relevanter Verdachtsmoment war nicht neu.

Aus der jüdischen Community heißt es seit längerem, die Regierung reagiere zu spät und zu zögerlich auf Antisemitismus und extremistische Bedrohungen.

Politischer Reflex: mehr Waffenrecht

Die Regierung will nun Handlungsfähigkeit demonstrieren – und setzt dabei auf eine noch restriktivere Waffenpolitik. Albanese kündigte an, das strenge Waffenrecht weiter zu verschärfen. Im Gespräch sind ein Verbot von 3D-gedruckten Waffen, eine Begrenzung der Waffenanzahl pro Bürger sowie strengere Lizenzregeln.

„Menschen können sich im Laufe der Zeit radikalisieren“, sagte Albanese. Lizenzen sollten deshalb nicht auf Dauer erteilt werden. Nur: Warum bekannte Radikalisierungsrisiken in der Praxis offenbar nicht früher Konsequenzen hatten, bleibt unbeantwortet.

Trauernde versammeln sich am Bondi Pavilion um der Toten zu gedenken.APA/AFP/Saeed KHAN

Der vertraute Widerspruch

Nach einem gezielten antisemitischen Terroranschlag mit islamistischem Verdacht setzt die Regierung ausgerechnet dort an, wo ohnehin schon streng kontrolliert wird: bei den Waffen. Die unbequemen Fragen bleiben: Wie konnte ein mutmaßlicher Attentäter mit möglichem IS-Bezug bereits im Blickfeld der Behörden sein – und warum lief der Schutz jüdischen Lebens hinterher?

Waffenbesitz nur noch Ausnahme

Nach dem Port-Arthur-Massaker 1996 (35 Tote) beschloss Australien ein nationales Regelpaket, das die zuvor je Bundesstaat teils lockeren Regeln vereinheitlichte und massiv verschärfte (National Firearms Agreement).

Seitdem gilt der Grundsatz: Waffenbesitz ist kein „Recht“, sondern eine begründungspflichtige Ausnahme. Dazu kamen harte Einschränkungen für besonders gefährliche Waffen, Lizenzpflicht, strengere Kontrollen und Registrierung – sowie ein großer Rückkauf, um die Zahl der Waffen im Umlauf zu senken.