Dumitru Costin im Interview: „Rumänien, ein Gaunerstaat mit zwei Geliebten“
Rumäniens Top-Gewerkschafter attackiert Bukarest: Milliarden fließen ohne Offenlegung für Moldova und Ukraine. Gleichzeitig treffen eingefrorene Pensionen, gestrichene Stipendien und gekürzte Löhne die Bürger. Dumitru Costin fordert im exxpress-Interview überdies Aufklärung rund um OMV Petrom.
Rumäniens mächtigster Gewerkschafter Dumitru Costin rechnet ab: Rumänien sei ein „Gaunerstaat mit zwei Geliebten“ – Moldova und Ukraine.ZVG/Alex Todericiu
Der Vorsitzende des Nationalen Gewerkschaftsblocks, Dumitru Costin, hat dieses Interview exklusiv dem exxpress gegeben. Geführt wurde es von Dr. Alex Todericiu.
In der Vergangenheit haben Sie OMV Petrom S.A. beschuldigt, den rumänischen Staat geschädigt zu haben. Răzvan Nicolescu, Mitglied des Aufsichtsrats von OMV Petrom, hat kürzlich öffentlich Vorwürfe gegen Herrn Alfred Stern erhoben, der den Aufsichtsrat in Bukarest leitet und zugleich CEO von OMV in Wien ist. Wie hat sich das Verhältnis zwischen BNS und diesem rumänischen Unternehmen mit österreichischer Beteiligung entwickelt?
Wir haben der rumänischen Regierung und dem Parlament zur Kenntnis gebracht, dass OMV Petrom dem rumänischen Staat 7,2 Milliarden Lei (zum damaligen Zeitpunkt ca. 1,7 Mrd. Euro) hätte zahlen müssen. BNS, die von mir geleitete Gewerkschaftsorganisation, wandte sich am 21.09.2017 schriftlich an den damaligen Premierminister Mihai Tudose in Bukarest und wies ihn auf „(…) die Untätigkeit der staatlichen Institutionen, die Beträge von über 7 Milliarden Lei hätten eintreiben müssen, da der Rechnungshof Rumäniens bereits seit November 2015 beim Finanzamt ANAF und dem Finanzministerium sich dafür hatte.“ ANAF antwortete dem BNS, dass „der Steuerpflichtige rechtliche Schritte zur Anfechtung und Klage gegen die Steuerbehörde (…) unternommen hat, um die erlassenen steuerrechtlichen Verwaltungsakte aufzuheben“. Und bis heute 2025 ist es dem rumänischen Staat nicht gelungen, sich durchzusetzen…
Răzvan Nicolescu, Mitglied des Aufsichtsrats von OMV Petrom, ist ein Profi mit bester Expertise. Sicherlich basieren die öffentlichen Vorwürfe, die er erhoben hat, auf Informationen und Daten, zu denen er Zugang hatte. Persönlich schenke ich den Aussagen von Răzvan Nicolescu ohne Zögern Glauben.
Dem BNS sind mehrere Gewerkschaften von Beschäftigten bei OMV Petrom angeschlossen, die ca. 10–15 % der Belegschaft ausmachen. BNS hatte in diesem Jahr mit OMV Petrom zu tun, als es dem damaligen Interimspräsidenten Rumäniens, Ilie Bolojan, einen Fall meldete, der uns verdächtig erschien – nämlich ein Vorhaben dieses Unternehmens, bestimmte Aktivitäten von OMV Petrom an eine Firma mit sieben Beschäftigten aus der rumänischen Ortschaft Blejoi, Kreis Prahova, auszulagern. Ein Unternehmen, das bei weitem nicht die Voraussetzungen erfüllte, um sowohl organisatorisch als auch finanziell einen so komplexen Prozess zu übernehmen, der über 1000 Arbeitnehmer betraf – ganz zu schweigen von den ca. 2000 Beschäftigten der Geschäftspartner. Am 31.03.2025 baten wir den rumänischen Interimspräsidenten, über die zuständigen Institutionen dieses Vorhaben zu stoppen, zumal das betreffende Asset (Asset 1 Crișana im Bereich Suplacu de Barcău, Kreis Bihor), das ausgelagert werden sollte, eines der wichtigsten Vermögenswerte von OMV Petrom ist. Es erzeugt 8 % der nationalen Erdölproduktion und etwa 4 % der nationalen Gasproduktion. Wir wiesen damals Ilie Bolojan, dem heutigen Premierminister, darauf hin, dass nur das energische Eingreifen von Răzvan Nicolescu diesen völlig nachteiligen Transfer für das mehrheitlich österreichische Unternehmen, seine Beschäftigten sowie den rumänischen Staat verhindert hat.
Sie haben kürzlich gesagt, dass sich der rumänische Staat „wie ein Gaunerstaat“ verhalte und hinzu „zwei Geliebte“ habe und “die eine heiße Moldova (Moldawien), die andere Ukraine”. Damit deuteten Sie an, dass Rumänien diese beiden Länder mit öffentlichen Geldern unterstützt, irgendwie ohne legale Transparenz (siehe Facebook-Link). Was genau wollten Sie mit diesem provokanten Vergleich sagen? Halten Sie die Hilfe Rumäniens für die Republik Moldova und die Ukraine für unangebracht, übertrieben oder gar verschleiert? Und wie reagieren Sie auf Kritiker, die Ihre Aussagen als populistisch oder antiwestlich einstufen?
Meine Aussagen vor drei Wochen waren eine Metapher. Das Monitoring der Präsenz von BNS im virtuellen öffentlichen Raum zeigte ein enormes Interesse an diesen Aussagen: über 5,4 Millionen Aufrufe. Was die „Geliebten des Staates“ betrifft, ging ich von einer einfachen Erklärung aus: Bei Geliebten spielt es keine Rolle, wie viel man ausgibt – es ist immer mehr, und das Beste: es bleibt auch noch geheim…! Was habe ich mit der Metapher von den „zwei Geliebten“ gefordert? Dass die Regierung in Bukarest den Anstand haben möge, ihre eigenen Bürger öffentlich über die Haushaltsanstrengungen zu informieren, die sie unternimmt, um sowohl die Ukraine als auch die Republik Moldova zu unterstützen. Ich habe mich nicht eine Sekunde gegen die weitere Unterstützung beider Länder ausgesprochen! Meine Erklärung schockierte viele, da die rumänische Regierung beschlossen hat, die Rentenerhöhungen für zwei Jahre (2025 und 2026) einzufrieren, was allein in diesem Jahr für die Rentner einen Kaufkraftverlust von 10 % bedeutet. Da die Regierung Stipendien für Schüler und Studenten gestrichen, die Lohnrechte der Beschäftigten im öffentlichen Sektor gekürzt und Maßnahmen ergriffen hat, die das öffentliche Bildungssystem Rumäniens beeinträchtigen werden, halte ich es für normal und selbstverständlich, dass ich die Regierung öffentlich nach einer simplen Information frage: Wie viel % des BIP des Landes werden für die Unterstützung dieser beiden Länder ausgegeben? Ich glaube, dass die Antwort auf diese Frage vor allem auch eine Form des Respekts der Regierung gegenüber ihrem eigenen Volk wäre.
Sie haben es auch bildhaft formuliert: „Der Gaunerstaat zuckt mit den Schultern“ und hält seine Verpflichtungen nicht ein, verlangt aber, dass die Steuern pünktlich gezahlt werden. Fürchten Sie, dass sich der rumänische Staat weiterhin „gaunerhaft“ verhalten wird, indem er Investitionen und Ausgaben willkürlich kürzt?
Der Staat wird sich weiterhin gaunerhaft gegenüber des rumänischen Wirtschaftsumfeldes verhalten, da diese Art des missbräuchlichen Verhaltens nicht korrigiert werden soll und sogar als Instrument zur Erzeugung von Korruption und Schwarzgeld dient.
Wenn du, rumänischer Staat, dich über deine Institutionen im Verhältnis zur Unternehmensumfeld nicht wie ein Partner verhältst, sondern die Geschäftswelt missachtest und missbrauchst, dann ist es normal, dass ich solche Kritik übe. Finden Sie es normal, dass der rumänische Staat, der verschiedene Arbeiten, Investitionen, Infrastrukturprojekte aller Art – auch an österreichischen Firmen – vergeben hat, mitten in der Ausführung des Vertrags ankündigt, dass er kein Geld mehr habe, um zu zahlen…? Und dass es ihn, Staat, nicht interessiert, was du, Firma, mit deinen Arbeitnehmern, Lieferanten oder Geschäftspartnern machst? In Rumänien vertreten wir zum Beispiel im Rahmen unserer Gewerkschaftsorganisation auch Bauarbeiter. Als die Regierung kürzlich die Aussetzung der Ausführung bestimmter Verträge ankündigte, war BNS die erste Organisation, die „abrechnen“ musste, weil die Arbeitgeber im Bausektor tausende Arbeiter entließen, da sie keine wirtschaftliche Tätigkeit mehr hatten. Wir halten es auch nicht für normal, dass die Regierung z.B. ein Unternehmen, an dem sie Mehrheitsaktionär ist – wie den Eisenbahntransporteur CFR Călători – verpflichtet, Rentner, Schüler und Studenten kostenlos zu befördern, ohne dieser Gesellschaft die legale Subvention pro transportierter Person zu erstatten. Und dann verkündet die Regierung mit Nonchalance in der Öffentlichkeit, sie verstehe nicht, warum dieses Unternehmen verschuldet sei? Wir haben zahlreiche Beispiele aus der realen Wirtschaft, die zeigen, dass dieses missbräuchliche und trickreiche Verhalten des Staates negative Auswirkungen auf das ordnungsgemäße Funktionieren der Wirtschaft insgesamt hat.
Welche Lösungen hat BNS anstelle der vom derzeitigen Regierung propagierten Austerität vorgeschlagen, um den rumänischen Haushalt auszugleichen?
Eine konkrete Maßnahme, die BNS vorgeschlagen hat, um ihrer österreichischen Leserschaft zu verdeutlichen, betrifft das Unternehmensumfeld und würde sofort zur Abschreckung mafiöser Strukturen führen, die an öffentlichen Beschaffungsprozessen teilnehmen. Ein erheblicher Teil des Staatshaushalts, einschließlich der nicht rückzahlbaren EU-Mittel, fließt in öffentliche Investitionen. Das nationale Vergabegesetz erlaubt die Subunternehmervergabe auch bei Haupttätigkeiten. Diese Möglichkeit hat zur Entstehung von Firmen geführt, die sich auf die Teilnahme und den Gewinn von Ausschreibungen spezialisiert haben – Unternehmen mit starken politischen Verbindungen. Sobald die Ausschreibung gewonnen ist, erlaubt das Gesetz, die tatsächliche Ausführung der Arbeiten an Unterauftragnehmer bis in die fünfte oder gar sechste Ebene weiterzugeben. Jede Subunternehmer-Ebene behält eine Gewinnmarge ein. So kommt es, dass diejenigen, die die eigentlichen Arbeiten ausführen, Schwarzarbeit einsetzen, minderwertige Materialien verwenden, Verzögerungen bei der Ausführung verursachen und eine Vielzahl negativer Folgen für die Erreichung der Investitionsziele und die Nutzung der EU-Mittel entstehen. Zum Beispiel: Vor anderthalb Jahren gewann eine Firma mit nur einem Angestellten das Projekt zur Modernisierung des größten Bahnhofs Rumäniens: dem “Gara de Nord” (Nordbahnhof) in Bukarest. Wie sieht Gara de Nord zwei Jahre nach dem Gewinn dieses Projekts aus? Genau wie vor vier Jahren… BNS kämpft für eine zeitnahe Änderung des Vergabegesetzes, um die mafiösen Mechanismen zu beseitigen.
Dumitru Costin, geb. 1961, begann seine gewerkschaftliche Tätigkeit Anfang der 1990er Jahre im Automobilwerk „Dacia“ Piteşti, wo er als Ingenieur arbeitete. Seit etwa 30 Jahren ist er Vorsitzender des Nationalen Gewerkschaftsblocks (BNS – Blocul Național Sindical), der zweitgrößten Gewerkschaftszentrale Rumäniens. Diese wurde 1991 gegründet und hat heute fast 400.000 Mitglieder. BNS ist der Internationalen Gewerkschaftskonföderation sowie dem Europäischen Gewerkschaftsbund angeschlossen.
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