Österreich rutscht immer tiefer in die wirtschaftliche Krise – und einer der führenden Industriemanager des Landes, Stephan Zöchling, rechnet im exxpressTV-Interview gnadenlos mit der Politik ab. Der Remus-Geschäftsführer und Top-Investor schildert Punkt für Punkt, warum aus seiner Sicht die Regierung versagt, welche Reformen überfällig wären, warum die Kammern völlig aus der Zeit gefallen sind, weshalb Unternehmen das Land verlassen – und wieso es ohne radikale Maßnahmen düster aussieht für den Standort Österreich.

Auch bei der Wirtschaftskammer (WKO) ortet er ein gewaltiges Sparpotenzial. Zur Frage, wer an der Spitze der Institution sitzen sollte, wollte er sich zwar nicht äußern – das Interview wurde unmittelbar vor dem Rücktritt von WKO-Präsident Harald Mahrer geführt –, doch an der Kritik am System lässt er keinen Zweifel.

Zöchlings Urteil über manche politische Entscheidungen ist vernichtend. Ganz vorne dabei: die von SPÖ-Chef Andreas Babler vorangetriebenen Mietpreisbremsen.

Zöchling (r.) mit exxpress-Redakteur Stefan Beig (l.) im TV-StudioEXXPRESSTV/EXXPRESSTV

Babler dreht den Immobilienmarkt ab: „Ich halte das für eine Katastrophe“

Zöchling sagt ohne Umschweife: „Dass sich der Herr Babler da durchgesetzt hat, ist wirklich ein Hohn.“ Die neuen Mietbremsen seien für ihn nichts anderes als ein Anschlag auf den Immobilienstandort. Er spricht von „dummen kommunistischen Vorschlägen“, die schwerste Flurschäden verursachten: „Das Einzige, was ich damit erreiche, ist, dass ich Investitionen in den österreichischen Immobilienmarkt mit sofortiger Wirkung abdrehe.“

Die Folgen seien bereits sichtbar. Nationale wie internationale Investoren hätten „sofort aufgehört zu investieren“, der Wohnbau sei zum Stillstand gekommen, das Angebot schrumpfe – und damit würden die Preise erst recht steigen. Dass sich niemand in der Regierung gegen Bablers Pläne gewehrt habe, wundert Zöchling. Das zeige, wie schwach die handelnden Personen dort agieren. „Ich persönlich finde das eine wirkliche Katastrophe.“

Bablers Mietdeckel hat Investoren vertrieben, nun werden die Preise erst recht steigen, schimpft Zöchling.APA/HANS KLAUS TECHT

Den Politikern fehlt elementares Wissen: „Betriebswirtschaftslehre erste Vorlesung“

Doch es bleibt nicht bei Immobilien. Für Zöchling ist die gesamte Preisdeckel-Politik brandgefährlich. Ob Bau, Handel oder Lebensmittel – staatliche Eingriffe zerstörten Märkte, statt sie zu stabilisieren. „Wenn das Angebot verkleinert wird, werden die Preise steigen – Betriebswirtschaftslehre erste Vorlesung.“

Wer den Handel angreife, habe zudem nicht verstanden, dass die hohen Preise nicht im Supermarkt entstehen, sondern bei internationalen Industriekonzernen. „Wie soll eine österreichische Behörde einem Konzern wie Mondelez Preisvorschriften machen?“, fragt er. Die Folge wäre erneut Angebotsverknappung – und wieder höhere Preise.

Elementares Wissen über Angebot und Nachfrage würde einigen Politikern helfen, unterstreicht Zöchling (r.) im Gespräch mit Beig (l.).EXXPRESSTV/EXXPRESSTV

Standortflucht: Süditalien 30 Prozent billiger

Derzeit erlebt Österreich eine stille, aber massive Abwanderung heimischer Unternehmen. Zöchling berichtet aus erster Hand, wohin die Betriebe gehen – und warum. „Ich sehe viele, die nach Nordafrika gehen. Einige nach Bosnien, Serbien, Süditalien.“ Andere wandern in die USA aus, manche nach China – und Remus selbst betreibt bereits einen Standort in Mexiko. Besonders brisant: „Unser Standort in Süditalien ist um 30 Prozent günstiger als in Österreich – und das innerhalb der Eurozone.“ Für Zöchling ist das ein Sinnbild dafür, wie unattraktiv Österreich inzwischen geworden ist.

Auch Brüssel kommt bei ihm nicht gut weg – höflich formuliert.

Ursula von der Leyen und der „völlig irre Green Deal“

Für den Unternehmer ist klar: Die Europäische Union hat sich unter Ursula von der Leyen wirtschaftlich verrannt. Seine Worte fallen scharf aus: „Frau von der Leyen hat zuvor in jedem ihrer Ministerien ein Desaster hinterlassen – und dasselbe Desaster hinterlässt sie nun in der Europäischen Kommission.“ Der „völlig irre Green Deal“ habe Europas industrielle Leitkompetenzen zerstört.

Von der Leyens Green Deal zerstört Europas Leitindustrie.APA/AFP/Nicolas TUCAT

Nicht nur die Autoindustrie, auch Motorenbau, Flugzeugtechnik und Schiffsantriebe – all das sei jahrzehntelang europäische Stärke gewesen. „Wir haben unsere Leitindustrie zerstört.“ Die Vorstellung, man könne das mit grünen Technologien kompensieren, hält er für naiv: „Das ist nicht gelungen – Chinesen und Inder sind uns Lichtjahre voraus.“

EU-Politik ohne Verständnis für globale Arbeitsteilung

Auch das EU-Lieferkettengesetz kritisiert Zöchling scharf. Es sei „realitätsfern“ und „nicht erfüllbar“. „Ich kann nicht bestätigen, dass die letzte Schraube nicht aus Kinderarbeit stammt – ich müsste hinfahren.“ Trotzdem verlange die EU genau diese Garantie.

Er wirft Brüssel vor, grundlegende Prinzipien der globalen Arbeitsteilung nicht zu verstehen. „Da ist dermaßen viel Unsinn gemacht worden.“ Während die EU bei zentralen Zukunftsaufgaben wie Grenzschutz, Verteidigung oder Digitalisierung seit Jahren versage, greife sie ausgerechnet dort ein, wo sie nur Schaden anrichte. „Dort, wo die EU versagt, passiert nichts. Und dort, wo sie eingreifen will, schadet sie der Industrie und dem Gewerbe.“

Auch in Brüssel „ist dermaßen viel Unsinn gemacht worden.“EXXPRESSTV/EXXPRESSTV

„Bürokratie-Monster WKO“: Kammern aus der Zeit gefallen

Auch innerhalb Österreichs sieht Zöchling massiven Reformbedarf. Die Kammern seien völlig veraltet. Die jüngste Gehaltserhöhung hält er für unverständlich. „Wir waren überrascht über diese satte Gehaltserhöhung – und wir sind dagegen.“ Deswegen habe er eine Petition gestartet: halbierte Kammerumlagen, mehr Transparenz, weniger Bürokratie. „Das Bürokratie-Monster WKO mit über 5.800 Mitarbeitern ist aus der Zeit gefallen.“

Auch das gewaltige Vermögen der Kammern – Milliarden an Rücklagen – hält er für problematisch. „Diese Vermögen kommen nicht den Mitgliedern zugute, sondern dem Apparat.“ Während Unternehmer ums Überleben kämpfen, bleibe der bürokratische Überbau unangetastet – mit hohen Gehältern, starren Strukturen und keinerlei Reformbereitschaft.

Deindustrialisierung und Energiepolitik: „Es wäre ganz leicht gewesen“

Zöchling warnt vor dramatischen Folgen für den Industriestandort. Schon jetzt verliere Österreich sichtbar an Wettbewerbsfähigkeit. „Wir sehen die laufende Deindustrialisierung.“ Hauptursachen seien überhöhte Energie- und Lohnkosten. Dass viele Arbeitnehmer das nicht spüren, liege an der extremen Steuer- und Abgabenquote, die netto kaum etwas übrig lasse.

Den Österreicher hätte die Politik die hohen Energiekosten mit Leichtigkeit ersparen können, sagt der Industriemanager.GETTYIMAGES/Stefan Klein/ullstein bild

Eine Senkung der Energiekosten wäre aus seiner Sicht simpel gewesen: Netzgebühren ausklammern, Stromsteuer reduzieren, Mehrwertsteuer auf Heizkosten von 20 auf 10 Prozent senken. Finanzierung über Anleihen. „Die Entlastung wäre sehr einfach gewesen – sie ist halt nicht passiert.“

Dass Österreich die höchste Inflation im Euroraum hat, sei ebenfalls kein Zufall. „Da kann ich mich nicht mehr auf exogene Faktoren ausreden. Wenn alle anderen es besser machen und wir die höchste Inflation haben, liegt es wohl an uns.“

Sozialstaat und falsche Anreize: „Wer 50 Prozent einzahlt, kann nicht 100 Prozent Leistung bekommen“

Auch im Sozialsystem sieht Zöchling fundamentale Fehlentwicklungen. Arbeit zahle sich kaum noch aus, gleichzeitig würden viele Leistungen bezogen, ohne ausreichend einzuzahlen. „Wer 50 Prozent einzahlt, kann nicht 100 Prozent Leistung abrufen.“ Er ortet Missbrauch bei Frühpensionierungen, Krankenständen und Reha-Maßnahmen – oft zulasten der tatsächlich Bedürftigen.

Besonders das Pensionssystem hält er für nicht mehr finanzierbar. „Man benötigt 40 Beitragsjahre, der Durchschnitt liegt aber bei nur 32,6.“ Entscheidend sei nicht das Alter, sondern die tatsächlichen Arbeitsjahre: Wer mit 15 zu arbeiten beginne, solle mit 55 aufhören dürfen. Wer erst mit 25 ins Berufsleben starte, müsse länger arbeiten. „Was nicht einzusehen ist, ist dass jemand mit 25 sein Studium beendet und dann mit 60 in Pension geht.“

Stephan Zöchling ist CEO von Remus, Österreichs international erfolgreichem Sportauspuff-Hersteller, der in über 60 Länder exportiert und mit Marken wie Mercedes-AMG, Porsche und Lamborghini arbeitet. Er hält zahlreiche Beteiligungen, führt rund drei Dutzend Firmenfunktionen und gilt als erfahrener Sanierer und Restrukturierer in der Industrie.EXXPRESSTV/EXXPRESSTV

Keine Perspektive für 2026: „Ich weiß nicht, wie es besser werden soll“

Zöchlings Blick auf die kommenden Jahre fällt düster aus. „Ich weiß nicht, wie es 2026 besser werden soll.“ Es geschehe schlicht nichts – weder bei Energiekosten noch bei Lohnnebenkosten noch bei der überbordenden Bürokratie. Die Stimmung unter den Unternehmern sei entsprechend schlecht. Die Regierung agiere zu langsam, notwendige Schritte würden blockiert, und die EU schränke den Handlungsspielraum zusätzlich ein. „So wird es auf jeden Fall nicht weitergehen.“