Worum geht es? Es herrschte wieder einmal Aufregung in der Wiener Politblase, als am Donnerstagvormittag eine Exklusivmeldung des Standard eine Nähe des ehemaligen Bundeskanzlers Sebastian Kurz zum verstorbenen und verurteilten Amerikaner Jeffrey Epstein herstellen wollte.

Aus Dokumenten, die vom US-Kongress veröffentlicht wurden, gehe hervor, dass Sebastian Kurz im Jahr 2018 den bereits damals verurteilten Sexualstraftäter Epstein treffen wollte – so der Vorwurf des Standard. Vermittler dieses Treffens soll der ehemalige Sicherheitsberater von US-Präsident Donald Trump, Steve Bannon, gewesen sein.

Falsch produzierte Aufregung um Kurz

Für linke Medien ist diese Erzählung natürlich ein gefundenes Fressen – nicht zum ersten Mal wäre Sebastian Kurz eine beliebte Zielscheibe für Unterstellungen und falsche Vorwürfe. Umgehend wurde die Falschnachricht des Standard von linken Aktivisten auf Bluesky und vereinzelt auch auf Twitter befeuert und verbreitet.

Aus dem Kurz-Umfeld wurde diese Behauptung gegenüber dem Standard sofort dementiert: „Was für ein Schwachsinn! Sebastian Kurz kennt weder Epstein noch Bannon, noch ist er nahe an Goebbels. Solche Spielchen sind Teil des Politikzirkus: Irgendjemanden in irgendetwas hineinzuziehen, auch wenn es noch so absurd ist.“ Diese Reaktion wurde aus dem Büro von Kurz auch dem Exxpress bestätigt.

Standard mit schlechter Recherche

Im Laufe des Vormittags stellte sich tatsächlich heraus, dass der Standard voreilig eine Verbindung zwischen Kurz und Epstein hergestellt hatte – und dass die veröffentlichten Recherchen nicht der Wahrheit entsprachen und Chats verwechselte. Der Standard sah sich daraufhin gezwungen, den Titel zu ändern und auch im Text mehrere Ergänzungen und Korrekturen vorzunehmen.

Screenshot/Der Standard

In den Morgenstunden prangte auf der Standard-Website noch die Exklusivmeldung: „Epstein-Mails: Trump-Berater vermittelte Treffen zwischen Kurz und Epstein.“ Diese Nachricht wurde daraufhin auch von anderen Medien wie der Presse, dem Kurier, der Kronen Zeitung und sogar Stunden später von der Austria Presseagentur übernommen – die Verbreitung der Falschnachricht nahm ihren Lauf.

Standard musste zurückrudern

Um 9:59 Uhr musste der Standard schließlich zurückrudern und änderte den Titel. Aus dem ursprünglichen Aufreger-Titel wurde plötzlich: „Epstein-Mails: Trump-Berater Bannon und Epstein diskutierten Treffen mit Kurz.“

Screenshot/Der Standard

Es stellte sich nämlich heraus, dass nicht Epstein an einem Treffen mit Kurz interessiert war, sondern der ehemalige Nationale Sicherheitsberater Steve Bannon. Der Wunsch nach diesem Treffen fiel zudem in eine Zeit, in der Kurz als damaliger Bundeskanzler vor der Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft stand. Damals hatte Russlands Präsident Wladimir Putin bei seinem Österreich-Besuch im Juni 2018 Kurz gebeten, einen Gipfel zwischen Putin und Trump in Wien zu vermitteln – darüber berichteten damals mehrere nationale und internationale Medien, sogar der Standard selbst: Putin will Trump in Wien treffen, Kurz soll vermitteln.

Experte ordnet ein

Der Exxpress erkundigte sich bei einem Spitzendiplomaten im Außenministerium nach seiner Einschätzung und einer Einordnung der Entwicklungen im Frühjahr 2018: „Dass das Umfeld des US-Präsidenten oder Akteure von Parteien aus den Vereinigten Staaten das Gespräch mit handelnden Politikern der EU suchen, ist vollkommen logisch und normal. Sebastian Kurz war im Jahr 2018 als neuer Kanzler und mit seiner bevorstehenden Vorsitzführung der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft zweifellos eine interessante Ansprechperson für Politiker aus den USA. Gerade auch deshalb, weil Kurz von Präsident Putin um die Vermittlung eines Treffens mit Präsident Trump gebeten wurde“, ordnet der Diplomat, der anonym bleiben möchte, die damalige Situation ein.

„Richtigstellung“ des Standard

Dem Standard blieb nichts anders übrig, als den Fehler einzugestehen. Am Ende des aktualisierten Berichts wurde eine Richtigstellung angeführt, die einem Eingeständnis für eine fehlerhafte Berichterstattung gleichkommt: „Richtigstellung: Die Chats und ihr Kontext werden laufend recherchiert. Offenbar ging es um ein Treffen zwischen Kurz und Steve Bannon, nicht um einen Termin mit Epstein. Die Reihenfolge der Chats wurde korrigiert. (red)“

Screenshot/Der Standard

Die Falsche Berichterstattung des Standard wurde am späteren Vormittag auch vom Kurier aufgegriffen. Das Blatt meldete zur Mittagszeit: „Falschmeldung zu Epstein Mails: Kein Treffen mit Kurz“.

Sogar die Austria Presse Agentur musste ihre Meldung am Nachmittag korrigieren und einsehen, dass auch sie der Falschmeldung des Standard aufgesessen ist.

BBC 2.0?

Der Standard liefert mit seiner falschen Berichterstattung über Kurz einen ähnlichen Fall, wie er erst vor wenigen Tagen bei der BBC bekannt wurde. Dort kam es zu Rücktritten der Nachrichtenchefin sowie des Generaldirektors, weil die BBC in einer Dokumentation Aussagen von US-Präsident Donald Trump zum Sturm auf das Kapitol im Jänner 2021 bewusst zusammenschnitt – wodurch eine verzerrte Darstellung seiner Aussagen ausgestrahlt wurde.