„Es ist nur eine Frage der Zeit“ – Insider warnt vor Munitions-Engpass in Kiew
Kiew schlägt Alarm: Die Ukraine droht ohne Nachschub an Abfangraketen ihre Luftverteidigung zu verlieren. Während Russland Massenangriffe mit Drohnen und Raketen startet, verlangsamt das Pentagon die Lieferung von Patriot- und Stinger-Systemen.
Feuerwehrleute kämpfen gegen die Flammen in einem zerstörten Wohnhaus in Kiew – nach dem größten russischen Luftangriff seit Beginn des Krieges.APA/AFP/Oleksandr Magula
Die Ukraine steht vor einem gefährlichen Engpass in ihrer Luftverteidigung. In einer Phase massiver russischer Angriffe verlangsamt das US-Verteidigungsministerium die Lieferung lebenswichtiger Abfangraketen und Systeme. Westliche wie ukrainische Offizielle warnen: Kiew könnte schon bald ohne ausreichende Munition dastehen.
„Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Munition ausgeht“, erklärte ein Insider, der mit den US-Lieferungen vertraut ist, gegenüber der Financial Times.
Pentagon prüft – Russland greift an
Hintergrund ist eine Direktive im Juni: Elbridge Colby, oberster Politikverantwortlicher im Pentagon, plädierte in einem Memo an Verteidigungsminister Pete Hegseth für eine stärkere Fokussierung auf China. Das Ergebnis: Nach einer Einsatzbereitschaftsprüfung von zehn Schlüsselsystemen wurden Lieferungen an die Ukraine pausiert oder verlangsamt – darunter PAC-3-Raketen für Patriot-Systeme, Stinger-Flugabwehrraketen, präzisionsgelenkte Artilleriegranaten sowie über 100 Hellfire- und AIM-Raketen.
Diese Verzögerungen überschneiden sich mit einer dramatischen Entwicklung: Am Sonntag starteten russische Streitkräfte den bislang größten Massenluftangriff. Laut ukrainischen Angaben wurden 805 Shahed-Drohnen und Täuschdrohnen sowie 13 Marsch- und ballistische Raketen abgefeuert. Vier Menschen starben, weitere wurden verletzt.
Trump-Linie: Waffen für NATO-Partner, Druck auf Europa
Das Weiße Haus wiegelt ab: Berichte, man entziehe Kiew wichtige Munition, seien „nachweislich falsch“. Präsident Donald Trump wolle „das Töten beenden“ und setze auf Waffenverkäufe an NATO-Verbündete, die dann ihre Bestände an die Ukraine weitergeben.
Europa müsse jedoch stärker liefern – nicht nur militärisch, sondern auch durch den Stopp russischer Energieimporte und mehr ökonomischen Druck auf Kriegsfinanzierer.
Verbrauch steigt schneller als Nachschub
Für die ukrainische Armee wird die Lage zur Zermürbungsprobe. Seit Sommer steigen die russischen Drohnenangriffe massiv an – im Schnitt über 5.200 Starts pro Monat. Die Zahl der abgefeuerten Raketen bleibt im dreistelligen Monatsbereich. Jede Angriffswelle zwingt Kiew, wertvolle Abfangraketen schneller zu verschießen, als Nachschub aus Washington eintreffen kann.
Gleichzeitig sind auch europäische Initiativen noch lückenhaft: EU-Staaten haben sich zwar verpflichtet, Systeme aus eigenen Beständen abzugeben und zusätzlich in den USA zu kaufen – doch bisher sind nur Teile der Lieferungen eingetroffen.
Selenskyj ordnet Koordination an
Angesichts der Eskalation ordnete Präsident Wolodymyr Selenskyj an, die Beschaffung zusätzlicher kurz- und mittelstreckenfähiger Abwehrsysteme zu koordinieren. Priorität: die Abwehr der iranischen Shahed-Drohnen, die Russlands Armee in Massen einsetzt.
Laut Selenskyjs Stabschef Andrij Jermak gibt es erste Fortschritte: Europäische Verbündete kaufen nun US-Waffen, um sie an die Ukraine weiterzugeben – ein „Durchbruch“. Allein im August wurden so Bestellungen von mehr als 1,7 Milliarden Euro getätigt.
NATO reagiert auf Hilferuf
Die massiven Angriffe lösten auch diplomatische Reaktionen aus: Der NATO-Ukraine-Rat trat im Politischen Ausschuss zu einer Sondersitzung zusammen. Im Fokus: die Stärkung der ukrainischen Luftverteidigung, Unterstützung bei der Drohnenproduktion und härtere Maßnahmen gegen Russland.
Parallel genehmigte das US-Außenministerium den möglichen Verkauf von Patriot-Unterstützung im Wert von 153,1 Millionen Euro.
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