Binnen 48 Stunden wurden in der vergangenen Woche zwei russische Gas-Oligarchen getötet – der eXXpress berichtete. Offiziell handelte es sich um Familiendramen: Beide Männer haben demnach zuerst ihre Ehefrau und ihre Töchter umgebracht bevor sie sich zuletzt selbst richteten. Doch es bestehen Zweifel daran, ob es sich hier wirklich um Selbstmorde gehandelt hat. Abschiedsbriefe fehlen.

Vor allem der Seriencharakter der Vorfälle scheint einen Zufall schier unmöglich zu machen, denn: Bei den beiden soeben bekannt gewordenen Fällen handelt es sich nicht um die ersten “Suizide” in den obersten Etagen des russischen Gas-Business. Bereits im Jänner und Februar starben zwei weitere Top-Manager von Gazprom, auch hier soll es sich laut ersten Meldungen wieder um Suizid gehandelt haben. Bei einer so hohen Selbstmordrate in der Führungsetage des russischen Gas-Geschäfts wird man skeptisch.

Kurz vor "Selbstmord" verprügelt

Am 25. Februar, einen Tag nach Beginn des Ukraine-Krieges, entdeckte die Geliebte eines hochrangigen Finanz- und Sicherheitsbeamten dessen Leiche in seiner Villa. Die Rede ist von Alexander Tjulakow (61), stellvertretender Generaldirektor des Rechnungshofs von Gazprom für Unternehmenssicherheit. Sein Hals befand sich in einer Schlinge. Allerdings soll er Medienberichten zufolge kurz vor seinem “Selbstmord” schwer verprügelt worden sein.

Der Top-Manager von Gazprom, Alexander Tyulakov (61), wurde tot in seiner Villa im elitären Leninsky-Gazprom-Dorf aufgefundenGazprom/east2west news)

Tjulakow wohnte in der noblen Leninski-Siedlung – ebenso wie Leonid Shulman, 60, der Leiter der Transportabteilung von Gazprom Invest. Dieser wurde drei Wochen zuvor tot aufgefunden – mit mehreren Stichwunden in einer Blutlache auf dem Boden seines Badezimmers.

Leonid Shulman (60), Top-Manager von Gazprom, wurde ebenfalls tot in seiner Villa im Leninsky-Gazprom-Dorf aufgefundenGazprom/east2west news

Shulman hinterließ einen Abschiedsbrief, dessen Inhalt aber geheim gehalten wird. Ein Foto davon kursiert im Internet. Angeblich soll er sich selbst getötet, die Stichwunden mit einem Messer selbst zugefügt haben. Ende 2021 sollen die Behörden bei ihm auf Verstöße im öffentlichen Beschaffungswesen gestoßen sein.

Ein Ausschnitt des Abschiedsbriefs, dessen Inhalt geheim gehalten wird

Verbindungen zu Putins innerem Kreis

Über die beiden jüngsten Gazprom-Todesfälle, die sich beide in der vergangenen Woche ereigneten, hat der eXXpress bereits berichtet. Je mehr man über sie erfährt, desto rätselhafter werden auch sie. Der Multimillionär Sergej Protosenja (55) wurde in Spanien erhängt aufgefunden, seine Frau Natalia (33) und die gemeinsame Tochter Maria im Teenageralter wurden in der Wohnung mit einer Axt erschlagen. Protosenja war ein ehemaliger stellvertretender Vorsitzender von Nowatek. Das Kreml-nahe Unternehmen ist der größte unabhängige Erdgasproduzent Russlands.

Auch in Protosenjas Fall häufen sich Ungereimtheiten – was unter anderem stutzig macht: An Protosenjas Leiche befinden sich keine Blutspuren. Obwohl der mutmaßliche Selbstmörder und Mörder ohnehin nichts zu verlieren hatte, achtete er doch sorgfältigst darauf, keine Spuren zu hinterlassen: Keine Fingerabdrücke an den Waffen, keine Blutspuren, kein Abschiedsbrief.

Der russische Gasmagnat Sergei Protosenya, seine Frau Natalya (53), und seine Tochter Maria wurden tot in ihrer spanischen Villa aufgefunden.social media/east2west news

Nur wenige Tage zuvor war der Geschäftsmann Wladislav Awayew (51), Ex-Vizepräsident der Gazprombank und ehemaliger Kreml-Beamter, in seinem Moskauer Penthouse tot aufgefunden worden, gemeinsam mit seiner Frau Yelena, 47, und seiner jugendlichen Tochter Maria. In beiden Fällen sind die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen. Beide Opfer stehen in Verbindung zu Putins innerem Kreis.

Wladislaw Awajew, ehemaliger Vizepräsident der Gazprombank

Überall stößt man auf Putins Freunde

Besonders unglaubhaft erscheint der jüngste Todesfall in Spanien. Sergej Protosenja soll eine “perfekte Familie” gehabt haben, wie eine ihm nahestehende Person berichtet. Die Quelle glaubt nicht, dass er seine Familie getötet hat, so der Telegramm-Kanal Toad and Viper. Protosenja, der über ein Vermögen von 440 Millionen Dollar verfügt haben soll, war zwischen 2002 und 2014 Chefbuchhalter von Nowatek und später dessen Vizepräsident.

Nowatek befindet sich im Miteigentum des engen Putin-Freundes Gennadi Timtschenko. Das Unternehmen ist darüber hinaus eng mit Pjotr Kolbin verbunden, einem Jugendfreund Putins, der angeblich als dessen Strohmann fungieren soll.

Unternehmen, die das Geld von Putins Entourage verwalten

Wladislaw Awayews früherer Arbeitgeber, die Gazprombank, steht ebenfalls dem Putin-Kreis nahe. Die Gazprombank wurde von Putin als autorisiertes Institut ausgewählt, um westliche Zahlungen für Gas in Rubel entgegenzunehmen. Awayew hatte nach seinem Ausscheiden aus der Gazprombank ein Joint-Venture-Geschäft mit der Tochter eines hochrangigen Mitarbeiters von Rostec gestartet – einem weiteren Freund Putins.

Der Telegram-Kanal Mozhem Obyasnit meint: “So sterben unter merkwürdigen und ähnlichen Umständen die Familien von Managern zweier wichtiger Privatunternehmen, die das Geld von Putins Entourage verwalten.”