Die ehemalige deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat ihren Beschluss verteidigt, 2015 eine Million syrischer Migranten aufgenommen zu haben. Im Interview mit der vom italienischen TV-Kanal Nove gesendeten Talkshow “Che Tempo che fa” betonte Merkel, Europa habe humanitäre Verantwortung gegenüber den Migranten.

Auf die Frage, ob sie mit der Entscheidung vieler europäischer Länder einverstanden sei, die Asylanträge von Syrern auszusetzen, antwortete Merkel: “Es war richtig, diese Flüchtlinge 2015 aufzunehmen. Jetzt entwickelt sich die Situation schnell, Assads Regime ist gestürzt, aber wir wissen nicht, was passieren wird, und ich hoffe auf eine friedliche Entwicklung in Syrien. Wir müssen abwarten, was passiert, und diejenigen, die heute die Verantwortung tragen, werden die notwendigen Entscheidungen treffen”, antwortete Merkel bei der Vorstellung ihres im Mailänder Verlag Rizzoli in italienischer Sprache erschienenen Buches “Freiheit”.

Hunderte von Flüchtlingen, vor allem aus Syrien und dem Irak, kommen am Bahnhof Freilassing an der deutsch-österreichischen Grenze am 15. September 2015 in Freilassing, Deutschland, an. GETTYIMAGES/Anadolu/Kontributor

Merkel sieht Mentalitätswandel bei jungen Menschen

“2015 habe ich den Deutschen gesagt, wir schaffen das schon. Und wir haben es gemeinsam geschafft, viele Menschen haben die Flüchtlinge unterstützt. Andererseits, was wäre die Alternative gewesen? Die Flüchtlinge an den Grenzen mit Wasserwerfern abwehren? Das habe ich damals nicht getan und würde es auch heute nicht tun. Schließlich haben wir auch das Abkommen mit der Türkei abgeschlossen, um die illegale Migration zu begrenzen”, sagte Merkel.

Die Ex-Kanzlerin sieht einen Mentalitätswandel unter den jüngeren Generationen. “Die jungen Leute von heute sind in diesem Europa aufgewachsen, sie werden nicht zu der Idee zurückkehren, dass jedes Land einen Alleingang unternehmen kann. Europa muss sich gemeinsam behaupten, an alles denken, was wir haben, den gemeinsamen Markt, den freien Personenverkehr. Wir können uns den Herausforderungen stellen, die von den Vereinigten Staaten oder von China ausgehen”, sagte die ehemalige deutsche Bundeskanzlerin. “Wir sind klein und wenn wir uns streiten, werden wir am Ende nichts mehr zählen”, fügte Merkel hinzu. (APA/red)