Damals Alarmstufe Rot – heute liegen 335 Milliarden brach. Wurden wir von Brüssel zum Narren gehalten?

Frühjahr 2020: Die EU ruft den Corona-Fonds aus – 750 Milliarden Euro, angeblich „dringend nötig“, um Europas Wirtschaft vor dem Kollaps zu retten. Ursula von der Leyen spricht vom „Moment Europas“, warnt vor einer „Depression“, die ohne gemeinsame Investitionen drohe, und fordert Solidarität. Die Niederlande, Schweden, Dänemark und Österreich unter Kanzler Sebastian Kurz zögern. Als „Sparsame Vier“ werden sie dafür scharf angegriffen – Medien und Politiker werfen ihnen Egoismus und fehlende Solidarität vor.

Fast die Hälfte der Corona-Gelder wurden nie ausgegeben!

Doch heute, fünf Jahre später, zeigt sich: 335 Milliarden Euro des Fonds – fast die Hälfte – blieben ungenutzt. Das angeblich so dringend benötigte Geld zur Bewältigung der „größten Krise seit 1945“ wurde nie ausgegeben. Doch damit nicht genug: Statt es zurückzuzahlen oder an die Bürger weiterzugeben, will EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen es nun für Rüstungs- und Kriegsprojekte zweckentfremden.

Verfassungsjurist Markus C. Kerber (TU Berlin) warnt auf exxpressTV: „Das ist Verfassungsbruch!“ Die EU agiere wie eine Regierung ohne demokratisches Mandat – der nächste Schritt zum EU-Zentralstaat.

„Es ging nie um Corona – es ging um Macht“

Der Corona-Fonds sei in Wahrheit nie als Notmaßnahme gedacht gewesen, um Europas Wirtschaft anzukurbeln. Tatsächlich habe die EU-Kommission darin vor allem eines gesehen, sagt Verfassungsjurist Markus C. Kerber auf exxpressTV: „Die Europäische Kommission erblickte darin die einzigartige Chance, einen riesigen Schuldenberg aufzunehmen. Das war die Innovation.“ Dies sollte zum Präzedenzfall für künftige EU-Finanzierungen werden. Denn: Deutschland und Österreich galten damals noch als solide Kreditnehmer, die Märkte vertrauten ihnen.

„Die Märkte akzeptierten diese Schuldenaufnahme – nicht weil Zypern und Griechenland dabei waren, sondern weil Deutschland dahinterstand, und weil man der Meinung war: Wenn es schiefgeht und wenn es Rückzahlungsschwierigkeiten gibt, dann wird Deutschland schon dafür einstehen.“

Die Pandemie war nur der Vorwand

Die Berufung auf Corona sei nichts als Tarnung für machtpolitische Ziele gewesen. Die Kommission strebe seit jeher nach mehr Macht und Geld, meint Kerber – und dafür instrumentalisiere sie jede Krise. Heute zeige sich: „Wenn von 750 Milliarden Euro immer noch 335 Milliarden übrig sind, die nicht eingesetzt worden sind, dann stimmt etwas Fundamentales nicht. Dann gibt es dafür in Wahrheit keinen Bedarf.“

Kerber (r.): „Für die Corona-Gelder gab es in Wahrheit keinen Bedarf.“exxpressTV/exxpressTV

Doch statt sich der Kritik zu stellen, schaffe Brüssel neue Rechtfertigungen. Für Kerber steht fest: „Der Europäischen Kommission sind rechtliche Rahmenbedingungen völlig egal.“

Vom Corona-Fonds zum Kriegsbudget?

Weil der ursprüngliche Zweck nicht mehr tragfähig sei, werde nun ein neuer Vorwand gesucht – der Ukraine-Krieg. Kerber warnt: „Ich verwette heute zehn Flaschen Champagner darauf, dass die Europäische Kommission, wenn die Rückzahlung ansteht – 2028 –, einen Grund finden wird, nicht mit der Rückzahlung zu beginnen.“

Besonders brisant sei: Die geplante Umwidmung sei gleich in zweifacher Hinsicht skandalös. Erstens: Die EU habe laut Verträgen gar keine Kompetenz für Verteidigungspolitik. Kerber verweist auf Artikel 41 Absatz 2 des EU-Vertrags: Lasten der Verteidigung werden national finanziert.

Von der Leyen lockt mit Geld – und alle schweigen

Zweitens: Die Mitgliedstaaten ließen Brüssel gewähren – weil sie auf mehr Geld hoffen. Von der Leyen mache die Mitgliedstaaten durch „Süßigkeiten“ gefügig. „Frau von der Leyen lockt mit mehr Geld – und bringt die Mitgliedstaaten dazu, zu schweigen.“

Widerstand? Fehlanzeige – auch aus Berlin.

Kerber: „Eigentlich müsste der deutsche Kanzler Friedrich Merz auf die Barrikaden gehen, doch davon merken wir zurzeit nichts. Weil alle Länder hoffen, von diesem dicken Kuchen irgendetwas abzubekommen – und weil es in fast allen Ländern – leider auch in Österreich – um die öffentlichen Finanzen ganz, ganz schlecht steht. In besonderem Maße natürlich in Frankreich, wo die Weltmachtambitionen des Landes und der politischen Elite in keinem Verhältnis zur finanzpolitischen Misere stehen.“

Von ihm müsste Widerstand kommt: Friedrich Merz (CDU), deutscher Bundeskanzler.APA/AFP/Tobias SCHWARZ

Die EU wird zur Schattenregierung

Kerber stellt klar: Eine solche finanzielle Versorgung sei in den EU-Verträgen nicht vorgesehen – sondern verboten. Die Kommission verhalte sich wie eine Regierung: „Das Budget der EU-Kommission ist darauf angelegt, wie eine Regierung tätig werden zu können und nach Opportunitätsgesichtspunkten Geld zu verteilen.“

Die Entwicklung sei beängstigend: „In den vergangenen 20 Jahren – und insbesondere in der Zeit der Präsidentschaft von Frau von der Leyen – hat sich die Europäische Union wegentwickelt: von einer Rechtsgemeinschaft zu einem de facto Bundesstaat.“

200 Milliarden für Außenpolitik?

Ein Blick auf den aktuellen Finanzrahmen zeige, wie sich die EU verändere: „In der mittelfristigen Finanzplanung stehen 200 Milliarden Euro für die Außenpolitik der Europäischen Union. Wo sollen diese 200 Milliarden hin? 100 Milliarden Euro sind für die Ukraine eingeplant, weitere 60 Milliarden Euro sollen in den Bereich Subsahara investiert werden. Wer stoppt Frau von der Leyen? Wer stoppt diesen Irrlauf der Europäischen Kommission?“

Kerber warnt eindringlich: „Wenn hier nicht den Anfängen gewehrt wird, dann sehe ich eine Katastrophe auf die Europäer zukommen. Denn das führt dazu, dass die Europäer insgesamt die Europäische Union in Abrede stellen.“

Der Weg zum Bundesstaat?

Vor allem kleinere und mittlere Staaten würden sich früher oder später massiv wehren: „Beim Weg in den europäischen Bundesstaat ist mit erheblichem Widerstand zu rechnen – insbesondere aus mittleren und kleineren Mitgliedstaaten, die auf gar keinen Fall ein Gliedstaat einer Europäischen Union werden wollen, die sich selbst als Bundesstaat versteht.“

Kerbers Fazit: „Was Frau von der Leyen seit geraumer Zeit tut, ist Regierungshandeln. Das gilt für den Corona-Fonds, das gilt etwa auch für die Außenpolitik.“