Europa? Vor allem lästig! – Erzwingt Trump jetzt Deutschlands Zeitenwende?
Der direkte Draht zwischen Berlin und dem Pentagon ist gekappt – berichtet das US-Magazin The Atlantic. General Christian Freuding warnt, man verliere „einen wahren Verbündeten und Freund“. In Trumps Washington gilt Europa als teuer, unwichtig, lästig. Die USA ziehen sich zurück – und könnten damit die echte deutsche Zeitenwende erzwingen.
Donald Trump trifft Friedrich Merz – während in Washington der Europa-Frust wächst, rückt Berlin ungewollt ins Zentrum der neuen Machtlogik in Europa.APA/AFP/POOL/Evan Vucci
Der Inspekteur des deutschen Heeres, General Christian Freuding, schlägt in The Atlantic Alarm: Der Draht ins US-Verteidigungsministerium ist still, gekappt, tot.
Früher 24/7, heute Funkloch
Früher habe die Kommunikation mit amerikanischen Militärpartnern „day and night“ problemlos funktioniert. Heute aber sei sie „abrupt, wirklich abrupt abgerissen“. Als die US-Regierung kurzfristig bestimmte Waffenlieferungen an die Ukraine stoppte, wurde Berlin vor vollendete Tatsachen gestellt – ohne Vorwarnung, ohne Abstimmung, ohne Konsultation. Kein Anruf, kein Briefing, kein militärisches Heads-up.
Mittlerweile beschaffe man sich strategische Informationen über die Deutsche Botschaft in den USA, sagt Freuding, wo „jemand, irgendjemanden im Pentagon zu finden versucht“. Ein Bündnis, das einst auf Augenhöhe agierte, klingt wie ein abgerissenes Kabel im Serverraum. Das macht den geopolitischen Moment so explosiv.
Amerikas MAGA-Ära: Europa als Bürde statt Kraft
Der Ursprung liegt in einer neuen strategischen Wahrnehmung: Die USA sehen Europa nicht länger als Kraftverstärker, sondern als ermüdende, teure, schwerfällige Last. Nicht als Macher-Kontinent, sondern als ein Bollwerk aus Bedenkenträgern, das Friedensabkommen blockiert, militärisch zu wenig beiträgt und politisch zu oft „Nein“ sagt.
So denkt Trumps Washington: Die maßgeblichen Institute sind sich einig
Diese Sichtweise wird auch von mehreren Analysen bestätigt. Der International Institute for Strategic Studies (IISS) in London, ein weltweit führendes sicherheitspolitisches Forschungsinstitut, beschreibt die neue Linie aus Washington als rein transaktional: Sicherheit gegen Gegenleistung, Deals statt Werteallianz. Europa müsse aufwachen.
Ebenso urteilt das Institute for National Security Studies (INSS), ein führender israelischer Thinktank mit Sitz in Tel Aviv: Washington betrachte die transatlantischen Beziehungen nicht mehr „als strategischen Vorteil, sondern als Belastung – vor allem aufgrund der Weigerung Europas, die Verteidigungsausgaben zu erhöhen“. Das Center for Strategic and International Studies (CSIS) in Washington D.C., einer der wichtigsten außenpolitischen Thinktanks der USA, analysiert: Die Ukraine ist für das Trump-Umfeld nur noch ein Ziegel im globalen China-Schachbrett – nicht mehr der Kern des europäischen Sicherheitsprojekts.
Selbst das Cato Institute, ein einflussreicher libertärer Thinktank in Washington, empfiehlt: Die USA sollen die Verteidigungslasten Europas nicht länger nur teilen, sondern aktiv verschieben – weg von Washington, hin zu den Europäern. Europa müsse, wenn es Russland für eine Bedrohung halte, endlich selbst aufrüsten – oder die Konsequenz tragen.
Das britische Medium UnHerd gelangt zum Schluss: „Die USA haben keine permanenten Freunde mehr, sondern permanente Interessen.“ Europas Einfluss bröckle, wenn es Prinzipien predige, aber Realpolitik und Rüstungskraft schuldig bleibe.
Europa nur noch „Trittbrettfahrer“
Politisch wurde diese Linie von US-Vizepräsident J. D. Vance bekräftigt und verschärft: Auf der Münchner Sicherheitskonferenz bezeichnete er Europa als „free-rider continent“ (Trittbrettfahrer-Kontinent) – ein Satz, der als sicherheitspolitischer Donnerkeil in Europa eingeschlagen hat.
Die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) bestätigt diesen Befund im Papier „100 Days of Trump 2.0“: Die Trump-Regierung sei nicht erpicht, die Hauptlast der militärischen Unterstützung für die Ukraine zu liefern, wenn Europa selbst mehr tun könne.
Thiel & das Power-Vakuum
Strategisch flankiert wird dieser Kurs von Trumps Mentor im Verteidigungs-Tech-Sektor, Peter Thiel, sowie einem Investorenumfeld aus US-Wagniskapital und sicherheitspolitischen Netzwerken. Für sie zeigt sich in Europa vor allem eines: ein militärisches Power-Vakuum, das nun Deutschland füllen müsse – als Konsequenz des amerikanischen Rückzugs, als neue europäische Speerspitze.
„Feind vor der Tür – Freund auf dem Rückzug“
Die deutschen Planer starren auf Moskau – aber sie horchen in Richtung Washington, wo kein Funk mehr zurückkommt. Denn Bundeswehr-Planer beobachten seit Monaten russische Truppenbewegungen und berechnen Sicherheits- und Kriegs-Szenarien. Die große Sorge ist nun doppelt: „Man hat nicht nur einen Feind, der an die Tür klopft“, sagt Freuding zu The Atlantic, „sondern ist zugleich dabei, einen wahren Verbündeten und Freund zu verlieren.“
Deutschland rüstet auf – im Schatten des US-Rückzugs
Die fast paradoxe Folge: Deutschland wird zum militärischen Rückgrat Europas umgebaut – nicht, weil Berlin das seit 1990 will, sondern weil Washington seine Geduld verloren hat. Der freiwillige pazifistische Reflex Berlins war historisch nur möglich, weil Amerikas nuklearer Schutzschirm der NATO zuverlässig stand. Nur tut er das noch?
Die USA rügen ihre europäischen Partner rhetorisch, stoppen Waffenpakete, beantworten militärische Kommunikationsanfragen nicht mehr und sehen Europa zunehmend als politischen Störfaktor. Wenn Amerika schweigt, wird Deutschland laut? Deutschlands Nachbarstaaten beginnen mit dem Rückzug Washingtons ein schwaches Deutschland mehr zu fürchten, als ein starkes. Vielleicht wird Deutschlands echte Zeitenwende also nicht im Bundestag angestoßen, sondern im Machtzentrum Amerikas – ausgelöst durch Desinteresse und transatlantisches Schweigen.
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