Ehemalige AMS-Trainer aus Wien erheben gegenüber dem exxpress schwere Vorwürfe: Die Kontrolle von Langzeitarbeitslosen sei in der Praxis häufig unzureichend. Teilnehmer, die Kursangebote wiederholt ignorieren, würden teils gar nicht an das AMS gemeldet. Auch, dass Kursteilnehmer in Arbeitskleidung erscheinen – ein mögliches Indiz für Schwarzarbeit – sei schon vorgekommen. Konsequenzen habe das jedoch keine nach sich gezogen, heißt es aus Trainerkreisen.

Nach Angaben der anonymen Quellen lägen die Probleme tiefer: Berichte der Bildungsinstitute, die im Auftrag des AMS Qualifizierungs- und Bewerbungstrainings anbieten, würden teils „geschönt“ verfasst und weitergeleitet. „Viele Verstöße erreichen das AMS gar nicht“, sagt ein ehemaliger Trainer. Der Grund dafür sei institutioneller Druck – nicht offiziell, aber spürbar: Sobald deutlich wird, dass verpflichtende Kurse geschwänzt oder Vermittlungsangebote nicht genutzt werden, könnten Bezieher ihre Notstandshilfe verlieren. Genau das wolle man in manchen Fällen offenbar vermeiden.

Die Trainer betonen außerdem: Es gebe große Unterschiede zwischen den AMS-Betreuern. Einige kontrollierten sorgfältig und begleiteten Arbeitslose mit Nachdruck. Andere dagegen kaum. „Die Standards in der Umsetzung variieren stark je nach zuständigem Betreuer“, sagt eine der Quellen.

AMS Wien: „Überprüfen die Erfolgsbilanz der Institute“

Beim AMS Wien zeigt man sich auf Anfrage überrascht und weist die Vorwürfe entschieden zurück. Sprecher Sebastian Paulick erklärt gegenüber dem exxpress: „Wir achten bei den Instituten, die in unserem Auftrag Qualifizierungen für Arbeitslose anbieten, sehr genau auf den Arbeitsmarkterfolg. Wir verlangen, dass Kursberichte ehrlich und nachvollziehbar sind. Wenn Trainer keine aufrichtigen Rückmeldungen über Kursteilnehmer geben würden, würden sie sich selbst und ihrem Institut damit schaden. Wir überprüfen die Erfolgsbilanz der Institute sehr detailliert, weil sie ja in unserem Auftrag und mit öffentlichem Geld tätig sind.“

Der Sprecher stellt zudem klar: „Die Teilnahme an den Angeboten ist verpflichtend, die absichtsvolle Vereitelung des Kurserfolgs wird von uns sanktioniert. Unser Ziel ist, dass die Teilnehmer wieder in den Arbeitsmarkt einsteigen. Zusätzlich erhalten wir nach Kursende ein anonymes Feedback der Kursteilnehmer über ihre Zufriedenheit mit der Maßnahme.“

Man stehe während der Maßnahmen in regelmäßigem Austausch mit den Instituten. Auch die klassische AMS-Betreuung laufe währenddessen unverändert weiter: „Und auch während einer Schulungsmaßnahme bleibt die Betreuung durch das AMS aufrecht.“

Anonyme Einblicke: „Einige verschwinden aufs WC“

Die Trainer widersprechen nicht dem Grundsatz verpflichtender Teilnahme – wohl aber der realen Umsetzung. „Es existiert eine Schutzlogik, die Sanktionen teils verhindert. Das ist eine Denkweise, die wir erleben“, sagt ein früherer Trainer. Eine Trainerin beschreibt den Kursalltag so: „Viele unterhalten sich während des Trainings, lesen Zeitungen oder surfen ohne Ziel im Internet. Mehrere verschwinden zwischendurch auf die Toilette und kehren nicht zurück. Dann suche ich sie im ganzen Haus – manchmal finde ich sie telefonierend auf der Stiege.“

Handhabe gebe es keine. Meldestrukturen würden in manchen Instituten zudem nicht konsequent genug gelebt. Hier gehe wertvolle Integrationszeit verloren, so die Trainer.

Sprachbarrieren trotz Dauerförderung

Neben der Frage der Kontrolle nennen Trainer vor allem ein wiederkehrendes Vermittlungshemmnis: mangelnde Deutschkenntnisse, selbst nach Jahren im österreichischen Fördersystem. „Trotz regelmäßiger Kurszuweisungen bleibt der Sprachfortschritt oft minimal“, sagt eine der Trainerinnen. Auch nach mehreren Maßnahmen sei das Niveau vieler Teilnehmer nur rudimentär, persönliche wie berufliche Verständigung kaum möglich.

Eine Quelle erinnert sich: „Ich hatte einmal eine Gruppe, in der neun von zehn Teilnehmer kaum Deutsch konnten. Ich wusste nicht, wie ich überhaupt starten soll.“ Ein anderer Trainer ergänzt: „Ich habe wiederholt Langzeitarbeitslose aus der Türkei, dem ehemaligen Jugoslawien und dem Nahen Osten betreut. Einige bezogen seit Jahrzehnten Notstandshilfe. Viele verließen die Maßnahmen schließlich wieder ohne Job. Vermittlung ist kaum möglich – ohne ausreichende Sprachbasis erst recht.“

Die Zahlen zur Dauerarbeitslosigkeit in Wien

Die strukturelle Herausforderung ist auch statistisch ablesbar. Nach aktuellen AMS-Daten sind in Wien 48.638 Menschen länger als ein Jahr arbeitslos, 6.689 davon sogar länger als fünf Jahre. Der Sprecher weist auf die langfristige Dynamik hin: Der Arbeitsmarkt habe sich verändert, einfache Tätigkeiten seien selten geworden. Wer nur Pflichtschulabschluss habe, sei zunehmend schwer vermittelbar.

Paulick führt aus: „Durch die Veränderungen in der Arbeitswelt verschwinden einfache Hilfstätigkeiten oder werden deutlich anspruchsvoller. Im Lagerbereich etwa müssen EDV-Systeme, Scanner oder Stapler beherrscht werden. Auch klassische Berufe wandeln sich: Fahrradmechaniker brauchen heute technisches Wissen für E-Bikes. Wer nur Pflichtschule hat, tut sich da schwer, eine stabile Erwerbskarriere aufzubauen.“

Das AMS-Ziel bleibe daher klar: „Daher ist eine Qualifizierung – idealerweise zu einem Lehrabschluss – eines unserer vordringlichsten Ziele.“

Zum Abschluss betont der AMS-Wien-Sprecher: „Grundsätzlich ist es im Interesse aller – des AMS, der Institute und besonders der Arbeitsuchenden –, dass Maßnahmen zu realen Erfolgen bei der Arbeitsmarktintegration führen.“