Österreichs Wirtschaft taumelt. Was jahrzehntelang als stabiler Wachstumsmotor galt, verliert rasant an Kraft: die Exportwirtschaft. Die Warnsignale mehren sich – und ihre Botschaft ist eindeutig. Die Denkfabrik Agenda Austria warnt: „Die österreichischen Exporte brechen ein – das ist ein Warnsignal für den gesamten Standort.“

Es wird ernst.Agenda Austria/grafik

Die jüngsten Daten der Statistik Austria zeigen ein Bild, das selbst erfahrene Ökonomen alarmiert.

Der Absturz in Zahlen – und was dahinter steckt

Im Juni 2025 brachen die Exporte in Drittstaaten im Vergleich zum Vorjahresmonat um 14,8 Prozent ein und lagen nur noch bei 4,42 Milliarden Euro. Auch die Ausfuhren in EU-Länder rutschten ab – um 5,1 Prozent gegenüber Juni 2024. Noch 2023 legten die Ausfuhren zu. 2024 gelang erstmals seit 16 Jahren sogar eine positive Handelsbilanz. Doch 2025 kippt die Entwicklung – abrupter, stärker und breiter als je zuvor.

Agenda Austria nennt klare Gründe: hohe Lohnabschlüsse, steigende Energiepreise, eine der weltweit höchsten Steuer- und Abgabenquoten. Diese Mischung „macht Österreich international immer weniger wettbewerbsfähig“, warnt der Think-Tank. Während andere Staaten reformieren, „diskutiert Österreich über neue Regulierungen und zusätzliche Belastungen“. Die Alarmglocken läuten anscheinend noch immer nicht laut genug für die Politik. Die Agenda Austria wird deutlich: „Exporte sind kein Randthema – sie sind die Grundlage für Wachstum, Arbeitsplätze und Wohlstand. Wenn wir nicht rasch gegensteuern, droht eine gefährliche Abwärtsspirale.“

Schellhorns Abrechnung: Rekord-Staatsausgaben, Rekord-Steuern – aber Rezession

Die schlechte Stimmung bei Unternehmern und die geringe Wettbewerbsfähigkeit sind großteils hausgemacht, sagen Experten. Agenda-Austria-Direktor Franz Schellhorn fand kürzlich im News-Interview unmissverständliche Worte über die Politik: „Mit den höchsten Staatsausgaben in der Geschichte haben wir das niedrigste Wirtschaftswachstum und mit den zweithöchsten Steuereinnahmen das vierthöchste Defizit in Europa.“

Franz Schellhorn (Bild) warnt: „Das Vertrauen in den österreichischen Standort ist am Nullpunkt. Wir verlieren seit sechs Jahren Wohlstand.“GrECo/Ingo Folie

Österreich verschlechtere sich nicht zufällig, sondern systematisch: „Die Wirtschaftsleistung pro Kopf liegt inflationsbereinigt unter jener von 2019. Wir verlieren seit sechs Jahren Wohlstand … Das Vertrauen in den Standort ist am Nullpunkt.“ Die Regierung reagiert laut Schellhorn mit Passivität: „Sie setzt nicht auf Reformen, sondern hofft, dass sie nur geduldig auf die Rückkehr des Wachstums warten muss.“ Die Bevölkerung habe das längst erkannt: „Das Leugnen der Probleme macht Angst.“

EcoAustria: Österreich fällt im globalen Wettbewerb zurück – und spart am falschen Ende

EcoAustria-Direktorin Monika Köppl-Turyna warnt gegenüber Selektiv mit Blick auf das IMD-World Competitiveness Ranking 2025, in dem Österreich erneut nur auf Platz 26 landet: „Stillstand … ist de facto ein Rückschritt. Viele Länder haben hier stark aufgeholt und dabei Österreich überholt.“ Österreich stagniert – während andere Standorte wie Schweden, die Schweiz oder Litauen konsequent reformieren und investieren.

Besonders gefährlich wird laut Köppl-Turyna ein Fehler, den Österreich seit Jahren macht: Es wird an der falschen Stelle gespart. „Grundsätzlich erzeugen öffentliche Investitionen in die Infrastruktur – etwa in Verkehrs-, Energie- oder Digitalinfrastruktur – langfristig eine viel größere Wertschöpfung als höhere Konsumausgaben, beispielsweise im Pensionsbereich oder bei öffentlichen Gehältern.“

Hoffen auf bessere Zeiten ist kein Rezept, sagt Monika Köppl-Turyna (Bild). Und Pensions- und Gehaltserhöhungen werden zum Nullsummenspiel, wenn sie die Inflation antreiben und gleichzeitig der Wohlstand sinkt.APA/GEORG HOCHMUTH

Pensionsgeschenke verpuffen – Infrastruktur bleibt. Sie ist Voraussetzung für Industrie, Forschung und Wettbewerbsfähigkeit. Doch genau hier setzt Österreich den Sparstift an – zu einer Zeit, in der die Industrie bereits durch hohe Lohnstückkosten und Energiepreise unter Druck steht: „Wenn die Industrie aufgrund der Lohnstückkosten und der Energiekosten einfach nicht mehr in Österreich produziert, wird irgendwann die Forschung auswandern.“

Der Zeitpunkt sei entscheidend: „Jetzt ist der Moment, in dem sich das für die nächsten zehn Jahre entscheidet.“ Doch die Zeichen stehen weiter auf Rückfall: „Leider Gottes fehlt die hierfür nötige Reformbereitschaft auch im aktuellen Regierungsprogramm.“

Lohnschock: Warum Österreich sich selbst verteuert

Franz Schellhorn warnt besonders vor der automatischen Lohnindexierung: Nur Österreich und Belgien koppeln Löhne weiterhin automatisch an die Inflation. Für die Exportindustrie sei das „fatal“, weil höhere Lohnkosten nicht weitergegeben werden können, Österreich teurer wird als die Konkurrenz und damit Aufträge und Marktanteile verliert. Erhalt der Kaufkraft sei eben Aufgabe der EZB, nicht der Unternehmer.

Die Folge: „Wir verteuern unsere Exporte – und wundern uns über drei Jahre Rezession.“

Die Signale sind eindeutig: Exporte brechen ein, Standortkosten steigen, Lohnpolitik überhitzt, Forschung droht abzuwandern, Reformen bleiben aus, Wohlstand schrumpft. Wenn Österreich weiter an Wettbewerbsfähigkeit verliert, verliert es auch seine Zukunft.