Ein Bericht lässt in Paris die Alarmglocken schrillen: Das französische Innenministerium warnt in einer neuen Analyse vor einer systematischen Unterwanderung durch die Muslimbrüder – in Frankreich und in Europa. Besonders brisant: Der Bericht spart nicht mit Kritik an Brüssel, das islamistische Organisationen mit Steuergeld unterstützt haben soll.

Präsident Emmanuel Macron ließ das Dossier bereits im Sicherheitskabinett beraten, noch im Juni will Paris konkrete Maßnahmen vorlegen. Innenminister Bruno Retailleau fordert jetzt entschlossene Schritte gegen den Islamismus – und warnt vor einer ernsten Gefahr für den Zusammenhalt der Republik.

Frankreichs Innenminister Bruno Retailleau (Bild) fordert harte Maßnahmen gegen die Muslimbruderschaft.APA/AFP/Thibaud MORITZ

Islamisten im Tarnmodus: Die stille Unterwanderung

Die Muslimbruderschaft strebe keinen gewaltsamen Umsturz an – sie betreibe vielmehr eine gezielte, oft verdeckte Unterwanderung staatlicher Institutionen, mit dem Ziel, diese langfristig im Sinne der Scharia umzupolen, warnt Paris. Diese Methode, ursprünglich von trotzkistischen Strategien abgeleitet, wird im Bericht als „Entrismus“ beschrieben – eine „Technik des doppelten Diskurses, mit der sie ihre wahren Absichten verbergen, indem sie vorgeben, die Regeln und Prinzipien des westlichen Gemeinwesens zu teilen“.

Ein hoher Sicherheitsbeamter wird mit den Worten zitiert, es handle sich um eine „Geheimgesellschaft mit Graden und Rängen“, die sich als legales Netzwerk tarne. Die Strategie sei klar: unauffälliges Lobbying, ein Opferdiskurs und die schrittweise Machtübernahme über Wahllisten, NGOs und religiöse Einrichtungen. Der Bericht spricht von einer „langfristigen Eroberungsprozess durch gesellschaftliche Anerkennung, Opferinszenierung und den Vorwurf der Islamophobie.“

Der Bericht, den das Innenministerium präsentiert hat, wird in Frankreich zurzeit intensiv diskutiert. Die öffentlich zugängliche Version des Berichts ist 76 Seiten lang, die interne länger.www.interieur.gouv.fr/Screenshot

350 islamistische Anlaufstellen in Frankreich

Die Zahlen im Bericht sind alarmierend: In Frankreich stehen rund 140 Moscheen, 20 Stiftungen, 114 Koranschulen und 21 islamische Privatschulen in direkter oder indirekter Verbindung zur Muslimbruderschaft. Besonders brisant: Selbst ein staatlich gefördertes Imam-Ausbildungsinstitut sei betroffen – jenes, das Präsident Macron 2020 noch als Vorzeigeprojekt gegen islamistische Radikalisierung präsentierte.

Zudem zeigt der Bericht: Das einst verbotene „Komitee gegen Islamophobie in Frankreich“ (CCIF) agiert in der Zwischenzeit unter neuem Namen (CCIE) in Belgien weiter – unbehelligt.

Muslimbrüder auch in Österreich aktiv

Österreich wird im Bericht ausdrücklich erwähnt – als „historische Hochburg der Bruderschaft“, die eng mit der deutschen Szene verflochten sei, „teilweise ununterscheidbar“. Die Bewegung habe hierzulande ein dichtes Netzwerk aufgebaut, bestehend aus Vereinen, Organisationen und Bildungseinrichtungen.

Genannt werden der Liga Kultur Verein (Wien und Graz), die Islamische Vereinigung Österreich sowie die Muslimische Jugend Österreich (MJÖ) – vor allem letztere hat bislang jede Verbindung zur Muslimbruderschaft energisch bestritten. Der Bericht nennt jedoch konkrete Zahlen: Der Kern der Bruderschaft in Österreich umfasse „rund 100 natürliche und juristische Personen“.

EU: Naiv bis fahrlässig

Der Bericht kritisiert offen die Zusammenarbeit von EU-Institutionen mit MB-nahen Organisationen. Besonders im Visier: FEMYSO, ein europäisches Netzwerk muslimischer Jugend- und Studentenorganisationen, die der Bericht zur Organisation der Muslimbrüder zählt.

Zwischen 2007 und 2022 flossen mehr als 210.000 Euro an EU-Geldern an FEMYSO. Die Organisation trat nicht nur in einem EU-Werbefilm auf – auch eine Kampagne mit dem Slogan „Freiheit ist im Hidschab“ wurde unterstützt. Der Vorwurf: Brüssel fördere damit aktiv die islamistische Agenda.

Die französische Islamwissenschaftlerin Florence Bergeaud-Blackler, die aufgrund von Drohungen unter Polizeischutz steht, kritisiert die EU seit Jahren: „Das Brüsseler Ökosystem begünstigt diese Naivität. Die Politik will gar nicht wissen, mit wem sie es zu tun hat.“ Ein Problem sei: „Die Muslimbrüder geben niemals zu, dass sie Muslimbrüder sind.“ Überdies sei die Politik feig: „Viele europäische Politiker nehmen die Gefahr nicht ernst – aus Angst um muslimische Wählerstimmen.“

Was nun? Paris fordert Klartext

Frankreich fordert nun entschlossene Gegenmaßnahmen – besonders im Hinblick auf die Kommunalwahlen 2026. Ziel: Die Einflussnahme durch islamistische Wahllisten verhindern. Laut Bericht hätten Muslimbrüder bereits Kandidaten bei linksextremen Parteien untergebracht – im Gegenzug für Stimmen aus der muslimischen Community.

Innenminister Retailleau fordert Ermittlungen gegen islamistische Finanziers, etwa aus Katar und der Türkei, gemeinsamen Einsatz von Geheimdiensten und Staatsanwaltschaften gegen islamistische Strukturen und eine Koordination aller Ministerien in einer „Anti-Islamismus-Zelle“ – nach dem Vorbild der Anti-Terror-Einheiten.

Der Bericht regt überdies eine eigene Dokumentationsstelle Politischer Islam nach österreichischem Vorbild an, die im Bericht lobend erwähnt wird.