Gabor Steingart: Deutschland größter Verlierer des Kriegs nach der Ukraine
Der bekannte deutsche Promi-Journalist Gabor Steingart („Steingarts Morning Briefing“) gelangt zu einem verheerenden Befund: Für kein Land – außer der Ukraine selbst – hatte der Krieg mit Russland so schwerwiegende Folgen wie für Deutschland. Überdies drohe bald ein Fiasko, weil sich die USA zurückziehen.
Der Ukraine-Krieg hat für kaum ein Land so verheerende Folgen wie für Deutschland, sagt der bekannte deutsche Journalist Gabor Steingart. „Die Bundesrepublik dürfte nach der Ukraine der größte Verlierer dieses Krieges sein – schon jetzt.“ Deutschland verliere „an Sicherheit, an Wohlstand und an Reputation in der Welt.“ Der bekannte Medien-Unternehmer listet in seinem Beitrag auf „Focus“ schonungslos die Gründe auf.
Der hohe Preis des Ukraine-Kriegs für Deutschland
Erstens: „Deutschland hat mit Russland seinen preisgünstigen und über Jahrzehnte zuverlässigen Gaslieferanten verloren.“
Zweitens: „Deutschland hat sein osteuropäisches Hinterland verloren. Das Handelsvolumen lag in der Hochphase der deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen bei mehr als 80 Milliarden Euro oder vier Prozent unseres Außenhandels.“
Drittens: „Die gefestigte Allianz zwischen Russland und China bedeutet für die deutsche Exportindustrie nichts Gutes.“
Viertens: „Deutschland muss im Zuge der geostrategischen Neuorientierung der Amerikaner seine Budgets für das Militär wahrscheinlich deutlich aufstocken. Gegen Putins Stahlwalze kann die Bundeswehr in ihrem derzeitigen Zustand nicht viel ausrichten.“
Bald keine Siegesmeldungen mehr aus Kiew?
Wenig erbaulich ist auch, was Steingart zum jetzigen Verlauf des Ukraine-Kriegs zu sagen hat. In wenigen Worten: Russland rückt in der Ukraine immer weiter vor – und die Vereinigten Staaten ziehen sich zunehmend zurück. „In der Ukraine, deren westlichster Ort keine zehn Autostunden von Berlin entfernt liegt, kämpft sich die russische Armee mit eiserner Härte nach vorne“, sagt der Top-Journalist. „Mit zunehmender Heftigkeit werden Ziele in Kiew aus der Luft angegriffen.“
Gleichzeitig gelte: „Die Amerikaner ziehen sich vom europäischen Schlachtfeld zurück. In wenigen Wochen ist die letzte Tranche der vom Kongress bewilligten Milliarden aufgebraucht.“ Die Republikaner befolgten mittlerweile die Devise „America First“ und Donald Trump wolle vor allem bei den bevorstehenden US-Wahlen Joe Biden besiegen – und nicht Wladimir Putin in der Ukraine.
Folglich sollte Deutschland nicht überrascht sein, wenn bald keine Siegesmeldungen aus Kiew eintreffen: „Präsident Selenskyj, der Held der deutschen Träume, scheint ein Held auf Abruf.“
Deutschland wichtigster Unterstützer nach den USA
Für Berlin ist das besonders fatal. Anfangs hat sich Deutschland nur zögerlicher im Krieg engagiert. Doch mittlerweile unterstützt es nach den USA die Ukraine am stärksten – im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt sogar noch stärker mit 0,5 Prozent, statt 0,3 Prozent.
Falls die Lieferungen der Amerikaner auslaufen müsste Deutschland seine Ukraine-Unterstützung auf rund 16 Prozent des Haushalts ausdehnen, rechnet der Journalist vor. Das sei nötig „um die ukrainische Armee abwehrbereit zu halten. Oder die militärische Niederlage wäre unvermeidlich.“
Ein schwieriger Ausblick für Deutschland
Nun müsse Deutschland die Quadratur des Kreises schaffen: „Die Expansion der Verteidigungsausgaben und der Erhalt des Status quo beim Sozialstaat sind nur schwer in ihrer Gleichzeitigkeit denkbar.“ Überdies zwinge die geostrategische Situation des Landes Deutschland dazu, „sich an europäischen und nicht amerikanischen Interessen“ zu orientieren.
Fazit: „Deutschland stapfte bisher an der eisernen Hand der Amerikaner durch die europäische Nachkriegsgeschichte.“ Doch nun lockere sich diese Hand. „Deutschland sollte sich auf ein Leben – das immer ein Leben in russischer Nachbarschaft sein wird – ohne den amerikanischen Vormund einstellen.“ Ist es auch dazu bereit?
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