Gefährlich, vorbestraft – und frei: Insider packt über abgelehnte Asylwerber aus
Obwohl sie straffällig geworden sind, laufen sie weiter frei herum: Abgelehnte Asylwerber ohne Pass dürfen nach verbüßter Haft nicht abgeschoben werden – und nicht in Schubhaft bleiben. Ein Insider schildert dem exxpress die dramatischen Folgen: „Man muss warten, bis sie wieder zuschlagen.“ Das Innenministerium schweigt.
Der Mord an der 13-jährigen Leonie im Jahr 2021 erschütterte ganz Österreich. Einer der Täter: ein afghanischer Asylwerber – mehrfach vorbestraft, längst ausreisepflichtig, aber nicht abgeschoben. Er lief frei herum, trotz bekannter Gefährdung. Leonie wurde zum Opfer eines Systems, das versagt – und sie blieb nicht die Einzige.
Aus Österreich und Deutschland sind mittlerweile zahlreiche weitere Fälle bekannt: Straftäter, die längst kein Aufenthaltsrecht mehr hatten, oft bereits mehrfach in Haft saßen, aber keine gültigen Papiere vorweisen konnten – und deshalb nicht abgeschoben wurden. Sie blieben im Land, bis sie mit noch schwereren Verbrechen erneut zuschlugen.
Ein Insider aus dem Behördenapparat erklärt gegenüber dem exxpress, wie solche Fälle möglich sind – und warum der Staat oft tatenlos zuschauen muss. Das Problem: rechtliche Lücken, politische Ohnmacht – und gezielte Tricks der Betroffenen.
Schubhaft nur bei Aussicht auf Abschiebung
Der Insider fasst das Grundproblem zusammen: „Man kann jemanden nur in Schubhaft behalten, wenn eine realistische Aussicht besteht, ihn auch tatsächlich abschieben zu können.“ Doch dazu muss der abgelehnte Asylwerber einen Reisepass bei sich haben – was oft genug nicht der Fall ist. Aussicht auf Abschiebung besteht in diesem Fall nur dann, wenn das Herkunftsland in absehbarer Zeit ein Reisedokument ausstellt. Passiert das nicht – und das kann Monate oder Jahre dauern –, muss die betroffene Person freigelassen werden, selbst wenn sie bereits mehrfach straffällig geworden ist.
„Dann setzt man ihn auf freien Fuß“, berichtet der Insider. „Auch wenn er eine kriminelle Vergangenheit hat und seine Strafe abgesessen hat. Man kann ihn nicht einfach weiter festhalten.“
Der Trick mit dem Pass – und wie er funktioniert
Abschiebung ist oft unmöglich. Der Grund ist so simpel wie ernüchternd: Der Pass fehlt. Und das ist meist kein Zufall. Verlust der Reisedokumente gilt als eine der effektivsten Methoden, eine Abschiebung zu verhindern, und sie wird gezielt eingesetzt – der exxpress berichtete. Der Pass wird noch vor oder während der Reise weggeworfen, oft ins Mittelmeer. Die eigene Herkunft wird verschleiert oder falsch angegeben.
Das zwingt die Behörden zu aufwendigen Sprach- und Herkunftsgutachten, die sich über Monate ziehen können. Viele Staaten – vor allem jene ohne funktionierende Botschaften in Österreich – verweigern die Rücknahme von Personen mit unklarer Identität.
Die Folge: Keine Dokumente – keine Abschiebung – keine Schubhaft. Die Betroffenen wissen das – und nutzen es aus.
„Du musst warten, bis er wieder zuschlägt“
Doch was passiert mit solchen Personen, wenn sie bereits mehrfach auffällig waren? Der Kenner schildert das Dilemma nüchtern: „Man muss sie freilassen – und dann warten, bis sie das nächste Strafvergehen begehen. Erst dann kann man sie wieder einsperren.“ Sie sitzen dann – ein weiteres Mal – eine gewöhnliche Haftstrafe ab. In Schubhaft befinden sie sich noch immer nicht.
Und dann wiederholt sich alles von vorne. Die begangenen Straftaten sind später rechtlich getilgt, die Personen sind wieder auf freiem Fuß. „Man kann niemanden einsperren für etwas, von dem man glaubt, dass er es in Zukunft tun wird.“ Selbst die Weigerung, bei der Passbeschaffung mitzuarbeiten, ist kein Haftgrund. Und festhalten, um Druck auszuüben? Ebenfalls gesetzlich ausgeschlossen. „Man kann jemanden nicht einfach behalten und zwingen, seinen Pass wiederzufinden.“
Ein Staat, der zusehen muss
Das Resultat: Mehrfach vorbestrafte, abgelehnte Asylwerber mit unklarer Identität laufen frei herum. Einige verschwinden im System – andere werden erneut straffällig, zuweilen mit noch schwereren Delikten: Messerattacken, Körperverletzung, Vergewaltigung, Mord.
Doch den Behörden sind die Hände gebunden: „Schubhaft ist nur erlaubt, wenn eine konkrete Aussicht besteht, jemanden tatsächlich außer Landes zu bringen. Und wenn diese Aussicht fehlt, ist Schubhaft rechtlich kein Thema mehr.“ Die Sicherheitsbehörden kennen die Risiken, können aber nicht handeln – bis es zu spät ist.
Das Innenministerium schweigt
Der exxpress hat das Innenministerium mit konkreten Anfragen konfrontiert, etwa über die Bedingungen, unter denen Schubhaft zulässig ist, was mit straffälligen, aber unabschiebbaren Asylwerbern geschieht, ob politischen Maßnahmen geplant sind. Wir wollten auch eine Einschätzung des Sicherheitsrisikos wissen.
Bis Redaktionsschluss erhielten wir keine Antwort.
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