ÖVP, SPÖ und NEOS einigten sich im Ministerrat auf eine vorübergehende Aussetzung des Familiennachzugs. Der Initiativantrag wurde am Mittwoch im Nationalrat eingebracht, bereits im April könnte das Vorhaben beschlossen werden. Der Stopp soll vorerst bis Ende September 2026 gelten, mit Option auf Verlängerung.

Künftig kann bei Überlastung öffentlicher Systeme per Verordnung die Bearbeitung von Anträgen auf Familiennachzug ausgesetzt werden. Genau diese Überlastung sei laut Regierung bereits eingetreten. „Ohne weitere Maßnahmen würde dies den sozialen Frieden in Österreich gefährden“, heißt es aus Regierungskreisen.

Plakolm: „Am Ende der Belastbarkeit“

Integrationsministerin Claudia Plakolm (ÖVP) erklärte: „Wir sind am Ende der Belastbarkeit, deshalb drücken wir die Stopptaste.“ Besonders das Schulsystem stoße durch den Zuzug nicht alphabetisierter Kinder an seine Grenzen.

Integrationsministerin Claudia Plakolm (Bild, ÖVP) spricht vor einer Überlastung der System in Österreich.APA/HELMUT FOHRINGER

In den Jahren 2023 und 2024 kamen im Zuge des Familiennachzugs 17.000 Familienangehörige von schutzberechtigten Personen nach Österreich – das entspricht knapp 700 Schulklassen. Die meisten davon waren Syrer. Vorübergehend mussten an Brennpunkten in Wien-Floridsdorf Containerklassen errichtet werden.

Anträge auf Familiennachzug sollen nun weiterhin gestellt werden dürfen, ihre Bearbeitung soll jedoch bis auf Ausnahmefälle auf Eis gelegt werden.

Karner: „Wichtiger Schritt zur Entlastung“

Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) verteidigte die Maßnahme gegenüber heute: „Wir stoppen den Familiennachzug, um unsere Systeme vor weiterer Überlastung zu schützen.“

Innenminister Gerhard Karner sprach von einer „nachhaltigen und rechtskonformen Lösung“. Wenn Schule, Gesundheit oder Sicherheit überlastet seien, müsse man handeln. „Die Gesetzesnovelle ist ein wichtiger Schritt“, unterstrich Karner.

Innenminister Karner bedankt sich bei den Koalitionspartnern für die Einigung.APA/HANS KLAUS TECHT

FPÖ: „Gesetz ist eine Anleitung zur Umgehung“

Die FPÖ hält den Schritt für völlig unzureichend. „Der angebliche Stopp des Familiennachzugs verfehlt das propagierte Ziel völlig“, erklärte FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz. Der Gesetzestext enthalte bereits die „Anleitung zu seiner Umgehung“, da sich Antragsteller auf das Recht auf Familienleben (Artikel 8 EMRK) berufen könnten – mit staatlich finanzierter Rechtsberatung.

Schnedlitz warnt zudem vor einem „gesetzlich vorgesehenen Rückstau“, der 2026 eine neue Einwanderungswelle auslösen werde. Das Vorgehen sei daher „reines Blendwerk“.

„Echter Heimatschutz statt Symbolpolitik“

Die FPÖ fordert einen grundlegenden Kurswechsel: „Die Regierung schafft es nicht, auf der von ihr selbst gewählten Nebenfront klare Verhältnisse zu schaffen“, kritisierte Schnedlitz. Ein wirksamer Asylstopp müsse das Asylrecht für alle Personen ausschließen, die auf ihrer Flucht sichere Drittstaaten durchquert haben. Nur so könne die öffentliche Ordnung wirklich geschützt werden.

Michael Schnedlitz (FPÖ) fordert einen radikalen Asyl-Stopp. Alles andere reiche nicht.APA/MAX SLOVENCIK

Rotes Kreuz: „Familienleben ist ein Menschenrecht“

Gerald Schöpfer, Präsident des Österreichischen Roten Kreuzes, mahnt zur Besonnenheit: „Wir erinnern daran, dass es hier um ein Menschenrecht geht.“ Hinter den Zahlen stünden reale Schicksale. Artikel 8 der EMRK sichere das Recht auf Familienleben, die Europäische Sozialcharta verpflichte zur Förderung dieses Bereichs.

„Familie ist für alle Menschen in Österreich ein zentraler Wert“, betont Schöpfer. Integration könne nur gelingen, wenn Familien in Sicherheit zusammenleben dürften. Das Rote Kreuz werde betroffene Familien weiterhin humanitär unterstützen.