Hilfe für Kiew? Reisner: „Europa versagt schon bei den eigenen Armeen“
Trump ist nicht das Problem – Europa ist nicht verteidigungsfähig! In einem brisanten Interview rechnet Oberst Markus Reisner mit der europäischen Sicherheitspolitik schonungslos ab. Die ständige Trump-Kritik sei „egoistisch“ – denn in Wahrheit könnten selbst die USA der Ukraine nur noch begrenzt helfen.
NATO-Gipfel in Den Haag – Trump geht, Europa zaudert: Die Europäer zeigen gerne auf Trump, dabei versagen sie schon bei den eigenen Armeen.APA/AFP/POOL/Christian Hartmann
US-Präsident Donald Trump will der Ukraine offenbar doch wieder Waffen liefern – konkret: zehn Patriot-Abfangraketen. Was zunächst wie ein Signal der Unterstützung wirkt, ist laut Oberst Markus Reisner bestenfalls ein Tropfen auf den heißen Stein: „Das reicht nicht einmal aus, um auch nur einen Luftangriff ansatzweise abzuwehren“, betont der Militärexperte im Gespräch mit der Schweizer Zeitung 20 Minuten.
Noch gravierender: Die USA können derzeit nur rund 25 Prozent des tatsächlichen Bedarfs an Flugabwehrmunition decken, warnt Reisner. Der Grund: leere Lager, überlastete Produktion – und mehrere gleichzeitige Kriegsschauplätze. Und trotzdem klagt halb Europa über Trump. Für Reisner ist das eine groteske Verdrehung der Realität.
Europa? „Nicht verteidigungsfähig!“
„Es ist sehr egoistisch, den USA vorzuwerfen, sie würden Kiew Lieferungen vorenthalten. Die eigentliche Frage ist: Was tut Europa?“ Die Antwort des Bundesheer-Offiziers fällt vernichtend aus.
Europas Armeen seien nicht nur unvorbereitet – sie seien nicht einmal in der Lage, sich selbst auszurüsten. Von Unterstützung für die Ukraine ganz zu schweigen. „Die Europäer schaffen es weder, ihre eigenen Streitkräfte mit den notwendigen Kapazitäten zu versorgen, noch die Ukraine zu unterstützen.“
„Wie ein Alkoholiker, der sagt: Ich trinke nicht mehr“
Ein besonders bitteres Urteil fällt Reisner über die deutschen Rüstungspläne. Berlin kündigte groß an, 1000 Kampfpanzer und 2500 Schützenpanzer in den nächsten zehn Jahren zu bauen. Reisners Kommentar? „Das ist eine Absichtserklärung – wie wenn ein Alkoholiker erklärt, dass er künftig nicht mehr trinken will.“ Er fordert: Nicht bloß reden, sondern handeln – und zwar sofort.
Spiderweb-Effekt? Ein Wunschtraum
Auch auf dem Schlachtfeld gibt es wenig Grund für Optimismus. Die Ukraine hatte mit ihrer Operation „Spiderweb“ versucht, russische Bomber und Luftschläge durch Drohnenangriffe zu bremsen. Das sorgte europaweit für Euphorie. Doch laut Reisner ist die Bilanz ernüchternd: „Die Operation Spiderweb hat nicht den gewünschten Effekt gebracht.“
Russland kombiniere Luftangriffe zu effektiv – mit Bombern, Drohnen, Marschflugkörpern und ballistischen Raketen.
Schon im Krieg – aber keiner merkt es
Am bedrohlichsten ist jedoch, was Reisner zwischen den Zeilen sagt: Europa steckt längst in einem hybriden Krieg – doch die Öffentlichkeit tut so, als sei alles noch Friedenszeit.
Reisner verweist auf mehrere vereitelte Sabotageakte gegen Schiffe der deutschen Bundesmarine. Wären sie erfolgreich gewesen, hätten die Schiffe monatelang in der Ostsee gefehlt – mit gravierenden Folgen für die Nato-Verfügbarkeit. „Ist das nicht ein Fall für Artikel 5 der Nato?“, fragt Reisner – und berichtet von „betretenem Schweigen“, sobald diese Frage in Vorträgen aufkommt.
„Wir könnten in einen großen Krieg hineinstolpern“
Reisners düsteres Fazit: „Europa muss die richtigen Ableitungen treffen – um eben nicht in einen großen Krieg zu stolpern.“ Die Zeit drängt. Abschreckung sei das Gebot der Stunde – nicht Illusionen und politische Vertröstungen.
Trump ist nicht das Problem – Europa schon
Während viele in Brüssel und Berlin weiterhin mit dem Finger auf Washington zeigen, zeichnet Reisner ein ganz anderes Bild: Die wahre Schwäche liegt in Europa selbst.
Die Armeen sind blank, die Rhetorik groß, die Realität bitter. Und das im vierten Jahr des Kriegs. „Das Schicksal der Ukraine – und Europas Sicherheit – liegt längst nicht mehr nur in amerikanischer Hand.“
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