Politikverdrossenheit auf Rekordhoch
Österreich erlebt eine historische Krise des politischen Vertrauens: Nur noch ein Drittel der Bevölkerung hält das System für gut funktionierend. Teuerung, unerfüllte Wahlversprechen und schlechte politische Kommunikation treiben die Politikverdrossenheit auf Rekordniveau.
Das Vertrauen in die österreichische Politik ist auf einem Rekordtief angelangt: Nur noch 35 Prozent der Befragten sehen das System als gut funktionierend.APA/HANS KLAUS TECHT
Neue Erhebungen zeigen ein dramatisches Stimmungstief: Die Mehrheit der Österreicher fühlt sich von der Politik im Stich gelassen – während die Zustimmung zur Demokratie an sich weiterhin hoch bleibt, berichtete MeinBezirk.
Vertrauen stürzt auf historischen Tiefstand
Die Skepsis gegenüber dem politischen System in Österreich erreicht ein Ausmaß, das Sozialforscher alarmiert. Laut aktuellen Daten des Instituts Foresight beurteilen nur noch 35 Prozent das System als gut funktionierend – ein massiver Absturz, wenn man bedenkt, dass dieser Wert 2018 noch bei 64 Prozent lag.
Auch der regelmäßig erhobene Demokratieradar der Universität Graz und der Donau-Universität Krems zeichnet ein ähnliches Bild: Die Hälfte der Bevölkerung vertraut der Politik kaum noch, zwei Drittel fühlen sich gegenüber der Regierung machtlos.
Trotzdem bleibt die grundsätzliche Zustimmung zur Demokratie sehr hoch – rund 90 Prozent halten sie weiterhin für die beste Staatsform. Der Vertrauensverlust richtet sich also weniger gegen das System selbst, sondern klar gegen jene, die es gestalten.
Teuerung, unerfüllte Versprechen und schlechte Kommunikation
Als einer der Hauptfaktoren gilt die anhaltend hohe Teuerung, die viele Menschen wirtschaftlich stark belastet. Für viele wird Politik dadurch zum Synonym für Enttäuschung – Entscheidungen werden zunehmend infrage gestellt.
Eine weitere Ursache liegt laut Politikwissenschaftlerin Katrin Praprotnik im Stil der politischen Kommunikation. Sie verweist gegenüber dem ORF darauf, dass politische Debatten immer häufiger aus gegenseitigen Angriffen bestehen. Das schade „letztlich der gesamten politischen Klasse“, so die Expertin.
Dazu kommt ein chronisches Problem: Wahlversprechen, die nicht oder nur teilweise erfüllt werden. Ein aktueller Politikmonitor zeigt: Von 1.674 analysierten Versprechen der ÖVP-SPÖ-Neos-Koalition wurden lediglich 14 Prozent vollständig, weitere fünf Prozent teilweise umgesetzt.
Für Praprotnik ist klar: Vertrauen lasse sich nur über zwei große Hebel zurückgewinnen – eine spürbar bessere wirtschaftliche Lage und konsequente Maßnahmen gegen Korruption. Gleichzeitig brauche es verständlichere politische Prozesse und mehr Beteiligungsmöglichkeiten der Bürger.
Initiativen sollen Bürger neu für Politik gewinnen
Während das Vertrauen schwindet, versuchen manche Organisationen gegenzusteuern. Der Verein „Love Politics” will Menschen den Einstieg in politisches Engagement erleichtern und Hemmschwellen abbauen. Auch das Parlament setzt auf politische Bildung: Mit Angeboten wie der Demokratiewerkstatt sollen vor allem junge Menschen früh an demokratische Prozesse herangeführt werden.
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