„Ich habe die Hoffnung nicht aufgegeben“ – Alice Weidel im Interview
AfD-Chefin Alice Weidel spricht über persönliche Anfeindungen, ein mögliches AfD-Verbot, ihre Kritik an der EU sowie den Ukrainekrieg. Die Hoffnung gibt sie trotzdem nicht auf.
Vor den Augen ihrer Kinder mit Nazi-Plakaten diffamiert – Alice Weidel schildert, wie weit die Hetze gegen sie geht. Im Gespräch berichtete die AfD-Chefin über Drohungen, politische Angriffe und ihre Hoffnung, Deutschland grundlegend zu verändern. Geführt wurde das Interview von der Weltwoche in Zürich.
Hetze bis ins Kinderzimmer
Wenn Politik ins Private greift, wird es gefährlich, so beschreibt Weidel ihre Lage. „Vor der Wohnung meiner Kinder standen Leute mit Plakaten, auf denen ‚Nazis raus‘ und mein Name stand.“ Nicht Gegner im Parlament, sondern Menschen vor der Haustüre. Sie nennt es „Zersetzung“, eine Methode, die schon in der DDR angewandt wurde, um Persönlichkeiten zu brechen in dem sie gesellschaftlich falsch dargestellt werden. Hier zeigt sich für sie, wie weit die politische Auseinandersetzung in Deutschland bereits entgleist ist.
AfD-Verbot – ein Bumerang?
Während Regierungsparteien ein Verbot der AfD diskutieren, sieht Weidel darin vor allem ein Eigentor. „Das wäre eine absolute politische Dummheit“, sagt sie und fügt hinzu: „Damit würden die Umfragewerte steigen, das ist doch klar.“ Für sie ist der Versuch, ihre Partei juristisch auszuschalten, ein Zeichen der Schwäche der politischen Konkurrenz. Die Debatte erinnert sie an die „Weimarer Verhältnisse“und sie ist überzeugt, dass die AfD davon profitieren würde.
Darüber hinaus betont Weidel, dass die kommenden Jahre entscheidend seien: „Wir haben jetzt ein Zeitfenster von fünf Jahren, um die Politik grundlegend zu verändern.“ Gemeint ist für sie eine Phase, in der das alte Parteiensystem an Glaubwürdigkeit verliere und Bürger offener für eine radikale politische Wende seien. Sie sieht ihre Partei in der Pflicht, diese Chance zu nutzen, um eine vernunftbasierte Politik in guten Einvernehmen mit den Nachbarn umzusetzen.
Genau! https://t.co/NooCx2ydJj
— Alice Weidel (@Alice_Weidel) September 6, 2025
Von Merkel politisiert und die EU als Rechtsbrecher
Politisiert habe sie nicht ein persönliches Erlebnis, sondern die Eurokrise. „Das war für mich der entscheidende Moment, wo ich politisiert wurde“, erklärt Weidel. Angela Merkels berühmtes Wort „alternativlos“ war für sie Gift. Sie sieht darin einen Ausdruck von Macht, der die Demokratie aushöhle. Heute ist EU für sie ein Apparat, der sich verselbständigt habe: „Die Europäische Union ist eine Gefahr für den Rechtsstaat.“ Für Weidel ist klar: Brüssel steht sinnbildlich für den Verlust politischer Souveränität, den sie rückgängig machen will.
Ihre Kritik an der Europäischen Union unterlegte sie mit klaren Vorwürfen. Die Euro-Rettungspolitik sei „Rechtsbruch, Rechtsbeugung und Rechtsbrechung“ gewesen. Im EU-Vertragswerk sei eindeutig festgeschrieben, dass kein Staat für die Schulden eines anderen Staates aufkommen dürfe und dass die Europäische Zentralbank keine Staatsanleihen kaufen dürfe. Dennoch sei beides geschehen. „Wenn man das Recht bricht, ohne dafür sanktioniert zu werden, dann perpetuiert sich das“, warnte Weidel. Das Ergebnis sei ein „Interregnum der Rechtlosigkeit und Unsicherheit“. Dieses zerstöre Vertrauen zwischen Bürgern und Staat und schade auch der Wirtschaft. Unternehmen könnten unter solchen Rahmenbedingungen keine langfristigen Investitionen planen, sie würden ihre Aktivitäten zurückfahren. Genau das passiere derzeit in Deutschland, zusätzlich belastet durch die weltweit höchsten Energiepreise.
Heute vor 10 Jahren wurde das "Wir schaffen das" der CDU zur tragischen Wirklichkeit: Es trafen die ersten Migranten ein, die sich auf Einladung Merkels über die Balkanroute auf den Weg nach Deutschland machten. Was folgte, ist beispiellos in der Geschichte. pic.twitter.com/4ApF3YSlHf
— Alice Weidel (@Alice_Weidel) September 5, 2025
Ukrainekrieg – und die Folgen für Deutschland
Auch beim Ukrainekrieg hielt Weidel mit Kritik nicht zurück. Sie bezeichnete ihn als „einen Wirtschaftskrieg gegen Deutschland“. Während westliche Regierungen noch immer von militärischen Erfolgen der Ukraine sprächen, sehe sie längst eine militärische Niederlage. Für Weidel sei klar, dass die Fronten festgefahren seien und weitere Waffenlieferungen das Leid nur verlängern würden. „Es braucht endlich Verhandlungen“, forderte sie.
Besonders scharf griff sie die deutsche Bundesregierung an, die aus ihrer Sicht die eigenen nationalen Interessen opfere. Während deutsche Fabriken stillstünden und Energiekosten explodierten, habe die Regierung weder Mut noch Willen, den Kurs zu ändern. Die Sanktionen träfen nach Weidels Worten vor allem die deutsche Bevölkerung und die Industrie, während andere Länder wie die USA oder China wirtschaftlich profitierten. Sie sprach von einer Politik, die die eigene Wettbewerbsfähigkeit zerstöre.
Weidel warnte, dass Deutschland Gefahr laufe, seinen Status als führende Industrienation zu verlieren. Wer das Land dauerhaft mit überteuerter Energie belaste und zugleich Milliarden ins Ausland überweise, der zerstöre den Wohlstand kommender Generationen. Für sie ist die Ukrainefrage deshalb nicht nur ein außenpolitisches Problem, sondern vor allem eine Schicksalsfrage für die Zukunft Deutschlands.
Hoffnung trotz Dauerfeuer
Und doch klingt Weidel nicht verbittert. „Ich habe die Hoffnung nicht aufgegeben“, betont sie. Trotz persönlicher Angriffe und politischer Frontstellung glaubt sie, dass Deutschland vor einer „Zeitenwende“ steht – nicht die von Olaf Scholz beschworene, sondern eine politische Neuordnung. Sie sieht sich selbst als „Albtraum der etablierten Politik“, als jemand, der Dinge ausspricht, die andere verschweigen. Für ihre Gegner ein Feindbild, für ihre Anhänger ein Hoffnungsträger.
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