Von Lucas Ammann

Enorme Summen fließen vom Staat an heimische Medien: Allein im vergangenen Jahr gaben öffentliche Rechtsträger fast 160 Millionen Euro für Inserate aus. Das ist deutlich mehr als die gesamte Medienförderung, die 2024 unter 100 Millionen Euro lag. Diese Zahlen gehen aus der Transparenzdatenbank der Regulierungsbehörde RTR hervor.

Rechtlich ist das unbedenklich. Politisch aber stellt sich die zentrale Frage: Nach welchen Kriterien erfolgt die Zuteilung – und werden dabei einzelne Medien unverhältnismäßig bevorzugt? Der exxpress hat die Daten ausgewertet – das Ergebnis: ein auffällig verzerrtes Bild.

Standard online ist Inseraten-Kaiser

Gemäß „Medienkooperations- und -förderungs-Transparenzgesetz“ (MedKF-TG) müssen bestimmte öffentliche Rechtsträger ihre Werbeausgaben an die Regulierungsbehörde RTR melden, die diese Daten dann über ein eigenes Dashboard veröffentlicht. Zur Meldung verpflichtet sind neben der Bundes- und den Landesregierungen beispielsweise die Wirtschafts- oder Arbeiterkammer sowie öffentliche bzw. staatsnahe Unternehmen wie zum Bespiel die Post oder der Verbund.

EXXPRESS/EXXPRESS

Wertet man diese Daten aus und vergleicht sie mit den Leserzahlen der unabhängigen Österreichischen Webanalyse (ÖWA), zeigt sich ein Bild starker Marktverzerrung. Mit 1,16 Euro pro Unique User (UU) wurde 2024 auf derstandard.at am meisten öffentliches Werbegeld ausgegeben, gefolgt von der Krone (1,13 Euro pro UU) und dem Falter (0,96 Euro pro UU). Ein Unique User ist eine Messgröße für die Nutzung einer Website, die angibt, wie viele eindeutige Nutzer ein Webangebot in einem bestimmten Zeitraum hatte. Schlusslicht der Statistik: Der exxpress mit nur 2 Cent (!) bzw 0,02 Euro pro UU. Damit hatte der Online-Inseraten-Kaiser derstandard.at knapp 67-mal mehr an öffentlichen Geldern abkassiert wie der exxpress insgesamt. Wenig bekamen auch puls24.at mit 9 Cent bzw. profil.at mit 18 Cent pro UU.

Quasi-Förderung

In absoluten Zahlen bekam der Standard für seine Online-Ausgabe im vergangenen Jahr übrigens 3,3 Millionen Euro, der exxpress gerade einmal rund 7.500 Euro. Würde sich die öffentliche Inseratenvergabe an der Reichweite der Medien messen, hätte der Standard für seine Seite nur 2,1 Millionen Euro bekommen – also rund 1,2 Millionen Euro weniger. Damit läge das linke Blatt nur auf Platz zwei auf der Hitliste der Inseratenkaiser, die größte Tageszeitung Österreichs – die Krone – wäre freilich vor dem Standard. Der exxpress hätte – wäre die Inseratenvergabe objektiv – mehr als 300.000 Euro mehr bekommen müssen, nämlich rund 315.000 Euro insgesamt.

Dieses absurde System an quasi-Förderungen führt zu massiven Wettbewerbsverzerrungen: Bestimmte Medien bekommen Millionen – andere gar nichts oder fast nichts. Auch in der Bundesregierung schaut es nicht gerade besser aus. Der größte Inserent war dort 2024 das Klimaschutzministerium (BMK) unter der damaligen Ministerin Leonore Gewessler. Die grüne Politikerin ließ 2024 um 9,1 Millionen Euro inserieren – damit führt ihr Ministerium die Statistik mit großem Abstand an. Rechnet man den prozentuellen Anteil ausgewählter großer Medien am Gesamtanteil der BMK-Werbeausgaben im Jahr 2024 – bereinigt um die unterschiedliche Reichweite der Medien – aus, bekam der derstandard.at“ mit 16,2 Prozent am meisten, gefolgt von heute.at und meinBezirk.at. Der exxpress bekam keinen Cent vom Gewessler-Ministerium.

Kritische Berichte

Der exxpress hatte in der Vergangenheit immer wieder kritisch über die Klimapolitik von Leonore Gewessler berichtet – was man beim Standard nicht immer behaupten kann. So erschien am 22. Juni 2024 auf derstandard.at etwa ein Portrait über Gewessler, in dem die grüne Politikerin in einer Lobeshymne als „Superheldin“ sowie als „Göttin der Natur“, als „Lichtgestalt“, als „unumstrittener Star der Grünen“, „freundlich“, „sehr organisiert“, „strukturiert“ und „kontrolliert“ bezeichnet wurde. Nach der umstrittenen Zustimmung Gewesslers zum Renaturierungsgesetz gegen den Willen der ÖVP rückte der Standard zur Verteidigung von Gewessler aus: Auch die ÖVP habe sich schon ähnlich wortbrüchig verhalten.

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Zum absurd hohen Werbeetat des BMK unter der Ministerverantwortlichkeit von Frau Gewessler wollten die Grünen nicht Stellung nehmen. Die Presseabteilung und Leonore Gewessler ignorierten eine entsprechende Presseanfrage von dem exxpress trotz mehrmaliger Nachfrage. Das Problem: Gewessler ist nicht mehr im Amt – derzeit ist die 47-Jährige bekanntlich Klubobfrau für die Grünen im Parlament. Der exxpress fragte daher bei den beiden Nachfolgeministerien – dem Infrastrukturministerium unter Peter Hanke (SPÖ) und dem neuen Klima- und Landwirtschaftsministerium unter Norbert Totschnig (ÖVP) – an.

Ministerien verleugnen Zuständigkeit

Auch in den beiden Ministerien wollte man zu vergangenen Kampagnen nichts sagen. Man schiebt sich gegenseitig die Verantwortung zu, weil die Zuständigkeiten des ehemaligen Mega-Ressorts unter Leonore Gewessler eben auf zwei Ministerien aufgeteilt wurden. Aus dem Infrastruktur-Ministerium heißt es auf exxpress-Anfrage: „Alle Kommunikationsprojekte haben gemäß den ressortinternen Leitlinien für Kommunikationsarbeit auf ein Budgetwirkungsziel des Bundesfinanzgesetzes bzw. Ziele des Regierungsprogramms hinzuwirken. Auf Basis dieser Zielsetzungen wird die Mediaagentur der Bundesministerien über die BBG-Rahmenvereinbarung ‚Mediaagenturleistungen‘ gebrieft und mit der Erstellung eines entsprechenden Mediaplans beauftragt.“

Hintergrund für diese Aussage ist, dass Ministerien über die Bundesbeschaffungsagentur (BBG) Aufträge an Agenturen für Medienarbeit verteilen. Die nach Bundesvergabegesetz vorgeschriebene Ausschreibung ab einem Volumen von 100.000 Euro würde durch die BBG erfolgen. In der Vergangenheit kritisierte der Rechnungshof immer wieder die mangelnde bzw. unterlassene Ausschreibung. „Sämtliche Beauftragungen werden zwecks Transparenz und im Sinne des bestmöglichen Überblicks ministeriumsweit von einer einzigen zentralen Mediaagentur abgewickelt“, heißt es aus dem Infrastrukturministerium weiter. Für die Erstellung von Medienplänen würden BBG-Rahmenvereinbarungen verwendet. Der beste Bieter erhalte jeweils den Zuschlag.

Massive Unterschiede bleiben unbegründet

Aus dem Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Klima- und Umweltschutz sowie Regionen und Wasserwirtschaft (BMLUK) heißt es auf exxpress-Anfrage: „Das BMLUK orientiert sich bei all seinen Entscheidungen, auch jenen zur Inseratenschaltungen, an den Grundsätzen der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit. Ziel von Inseraten bzw. Medienkooperationen ist es, das jeweilige Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit abzudecken. Sie zielen auf einen konkreten Nutzen, auf Handlungsanweisungen oder Verhaltensempfehlungen ab.“ Auch hier bleibt unklar, wie die genannten Kriterien versucht wurden zu erreichen.

Auch das „neue“ Klimaministerium weist auf die bei der BBG gelisteten Mediaagentur hin, die einen Medienplan erstelle, der „Medien nach Reichweite, Auflage, Zielgruppe, Anzahl der Leserinnen und Leser und Streuung“ berücksichtige. Woraus sich die deutlichen Unterschiede pro Leser ergeben, wird nicht erklärt – diese ergeben sich im Übrigen auch nicht aus den nach MedKF-TG zu veröffentlichenden Berichten.

Grüne schweigen

Und somit sind wir wieder ganz zu Beginn der Recherche: Inserate werden als quasi-Förderung – wettbewerbsverzerrend und freihändig – verteilt, Ministerien sind nicht transparent und die Grünen beantworten Fragen sowieso gleich gar nicht. Auch nichts Neues.