„Islam das Wichtigste": Strenggläubige Muslima britische Innenministerin
Es ist in punkto Sicherheit das sensibelste Ressort in jeder Regierung. In Großbritannien übernimmt das Innenministerium nun eine Muslima, die im Islam ihre treibende Kraft sieht, auf den Koran schwört und die Nähe zu Israel-Hassern sucht.
Wo ist das Problem? In London absolviert der Muslim Sadiq Khan seine dritte Amtszeit als Bürgermeister. Seit mehr als 20 Jahren sitzen Muslime im Unterhaus. Und selbst die Übernahme des Justizministeriums durch die Muslima Shabana Mahmood nach der Parlamentswahl vor mehr einem Jahr hat nicht dazu geführt, dass in Großbritannien die Scharia eingeführt wurde. Mahmood wünscht auf sozialen Medien nicht nur ihren Glaubensbrüdern- und schwestern zum Zuckerfest „Eid Mubarak”, sondern den Christen „Merry Christmas” und „Happy Easter”. Sogar die Buddhisten wurden heuer am 29. Jänner zum Beginn des neuen Mondjahres der Schlange von der Justizministerin und Lordkanzlerin mit einem „Happy Lunar New Year” bedacht. Dieser diversen Gratulationskultur fehlt nur die jüdische Dimension. Zu Yom Kippur oder Purim sind keinerlei Glückwünsche in Mahmoods Facebook-Aktivitäten zu finden.
Jüdische Solidarität
Führende Vertreter der jüdischen Gemeinde in Großbritannien dürften diesen Mangel an öffentlicher Wertschätzung weggesteckt haben und rückten sogar zur Verteidigung Mahmoods aus, als diese nach ihrer Bestellung zur Justizministerin in den sozialen Medien doch mit massiven Protesten konfrontiert war. Manche Kritik war schlicht verletzend – Islamisten sagen: islamophob-rassistisch – formuliert, andere freilich auf Fakten basierend. Besagte jüdische Honoratioren gaben daraufhin öffentliche Solidaritätserklärungen ab, darunter Danny Stone. Der Direktor des Antisemitism Policy Trust erklärte, Mahmood sei „freundlich, nachdenklich und unterstützend in all meinen Begegnungen mit ihr gewesen, auch bei ernsten Fragen des verschwörungstheoretischen Antisemitismus. Sie ist unablässig beschimpft worden und verdient etwas Freundlichkeit“.
Christliche Verteidiger
Auch von christlicher Seite kam Unterstützung. Der ökumenisch-christliche Blog „Deep Church” veröffentlichte einen Text mit dem Titel „In Defence of Shabana Mahmood”, in dem die Ministerin und Lordkanzlerin als „Politikerin von Mut, Integrität und Fähigkeit” gewürdigt wurde. Sie denke tiefgründig, handele klug und mutig. Christliches Fazit: „Wir brauchen mehr Männer und Frauen des Glaubens wie sie.”
Der Mahmood-Defence-Blog illustriert ein hierzulande nicht unbekanntes Verhalten jüdischer und christlicher Institutionen: Auch die katholische Kirche oder die ansonsten in jedem Keller Nazis vermutende Israelitische Kultusgemeinde zeigen keinerlei Berührungsängste mit Muslimen, selbst wenn diese Antisemiten wie Necmettin Erbakan verehren und auf ihren Veranstaltungen nicht nur den Verkauf von dessen Büchern zulassen, sondern auch solcher, in denen der Dschihad für die islamische Weltherrschaft zur Pflicht eines jeden Muslim und jeder Muslima erklärt wird.
Schnittmengen
Eine Erklärung für diese bei genauerem Hinsehen grotesk wirkenden Naheverhältnisse könnten weltanschauliche Überschneidungen in einer zunehmend profanierten Welt sein, mit der Strenggläubige aller Religionen fremdeln. So opponierte Mahmood öffentlich gegen ein Sterbehilfegesetz: „Als Muslimin habe ich einen unerschütterlichen Glauben an die Heiligkeit und den Wert des menschlichen Lebens. Ich denke nicht, dass der Tod ein Dienst sein sollte, den der Staat anbietet“, sagte sie vor elf Monaten. Viele Christen sehen das genauso. Christliche Politiker wohl auch, beugen sich aber oft pragmatisch dem Zeitgeist, der das im Glauben absolut gesetzte Recht auf Leben relativiert und es einem „Recht auf meinen Bauch” oder „Recht auf Suizid” unterordnet.
Auch bei LGBT-Themen vertritt Mahmood eine Linie, die ihr – manchmal wohl nur stillen – Beifall aus der christlichen bzw. rechten Ecke sichern. So stellte sie sich in der Geschlechtervielfaltsdebatte an die Seite von „Harry-Potter”-Autorin JK Rowling, die für ihre Überzeugung, es gebe nur zwei Geschlechter, Shitstorms aus der LGBT-Community erntete. Mahmood meinte, sie teile voll Rowlings Ansicht, das „biologisches Geschlecht real und unveränderlich ist“, und die Schriftstellerin „den Kampf in diesem Bereich anführt“.
Jüdische Warnung
Nicht alle Briten sind allerdings überzeugt, dass es wirklich mehr Männer und Frauen wie Mahmood in der Spitzenpolitik braucht. Ungeachtet mancher Schnittmengen in ethischen Fragen kommen auch aus der jüdischen Community durchaus kritische Stimmen. Keith Rowe, Stellvertretender Vorsitzender der National Jewish Assembly (NJA), ortete nach der Parlamentswahl im vergangenen Jahr „mit der Wahl mehrerer Abgeordneter, die auf einer pro-palästinensischen und pro-Gaza-Plattform kandidiert haben, eine besorgniserregende Verschiebung in der politischen Landschaft”. Mahmoods Ernennung zur Justizministerin festige die Präsenz von Personen, die lautstark die palästinensisch-islamistische Sache unterstützen. Rowe: „Diese politische Verschiebung könnte dazu führen, dass das Vereinigte Königreich seinen historisch engen Verbündeten Israel verrät.”
Getrieben vom Islam
Manche sahen nicht nur einen Verrat an Israel, sondern auch an britischer Kultur, Tradition, Lebensart, als die Tochter pakistanischer Einwanderer im Juli 2024 im Royal Courts of Justice ihren Amtseid auf den Koran abgelegt hatte. Das tat sie auch schon bei der Angelobung als Unterhaus-Abgeordnete der Labour-Partei. Das darf man in Großbritannien auch. Ministern steht es frei, auf welchen heiligen Text – oder wie Premierminister Keir Starmer auf keinen – sie ihren Eid ablegen. Der Koran als Grundlage eines Eides auf eine säkulare Ordnung wirkt dennoch in den Augen zumindest eines Teils des Publikums wie hinter dem Rücken gekreuzte Finger. Dies umso mehr, als Mahmood in Interviews solche Aussagen zu Protokoll gegeben hatte: „Mein Glaube ist der Mittelpunkt meines Lebens und er treibt mich im öffentlichen Dienst, er treibt mich in der Art, wie ich mein Leben führe, und wie ich mein Leben sehe.“ Oder: „Mein Glaube ist das Wichtigste in meinem Leben. Er ist die absolute treibende Kraft hinter allem, was ich tue.”
Der Islam ist für Mahmood also nicht Privatsache oder eine von mehreren Inspirationsquellen, sondern ausschließliche Richtschnur ihres gesamten Wirkens als Politikerin.
Gefährliches Experiment
Mahmoods Eid verpflichtete sie als Justizministerin auf das weltliche Recht und als Innenministerin auf dessen Verteidigung gegen nicht zuletzt islamistische Eiferer, die von der westlich-säkularen Ordnung rein gar nichts halten, sondern eben diese zu überwinden trachten. Ihr totales Islam-Bekenntnis auch in Bezug auf ihr politisches Tun betrachten Kritiker der Labour-Partei als riskantes politisches Experiment: die nationale Sicherheit in die Hände einer Ministerin zu legen, die ihre öffentlichen Pflichten persönlichen religiösen Überzeugungen unterordnet. Als Verantwortliche für Einwanderung, nationale Sicherheit und Polizeiwesen wird sie tagtäglich direkt und indirekt mit den Herausforderungen durch den (politischen) Islam konfrontiert sein. Ihr bisheriger Umgang damit zeichnet ein ambivalentes Bild, zu ambivalent vielleicht, um einer solchen Person ein derart sensibles Ressort anzuvertrauen. Ja, sie hat nach dem Hamas-Überfall auf Israel am 7. Oktober „nur” eine Woche gebraucht, um das im Namen Gottes angerichtete Blutbad als „abscheulichen Handlungen” zu verurteilen und die Freilassung der israelischen Geiseln zu verlangen. Aus dem islamistischen Lager hat ihr das viel Kritik eingebracht.
Doch ihre Sympathie für Hamas-Typen und deren breite Anhängerschaft ist ebenfalls dokumentiert. Aus dem Jahr 2014 gibt es Fotos, die Mahmood auf einer Palästina-Demo mit einem Plakat der Organisation www.palestinecampaigne.org in der Hand zeigen. Diese Gruppe ist Teil der internationalen, in Österreich, Deutschland und Tschechien als antisemitisch eingestuften „Boykott, Desinvestition und Sanktionen“-Kampagne (BDS), die den Staat Israel wirtschaftlich, kulturell und politisch isolieren will, um Forderungen durchzusetzen, die auf eine Selbstaufgabe dieses Staates hinauslaufen würden. Konsequenterweise empfiehlt diese Gruppe Teilnehmern ihrer Kundgebungen in Großbritannien ausdrücklich unter anderem die Verwendung des Hamas-Slogans „From the river to the sea palestine will be free”, der Israel indirekt das Existenzrecht abspricht, da bei einem Palästinenserstaat „from the River (= Jordanfluss) to the sea (= Mittelmeer)” kein Platz mehr für den Staat Israel bliebe.
Vor elf Jahren hatte Mahmood in ihrer Geburtsstadt Birmingham gemeinsam mit 200 weiteren Anti-Israel-Aktivisten einen lokalen Supermarkt zur vorübergehenden Schließung gezwungen, weil dieser „Waren aus illegalen Siedlungen“ in israelische besetzten Gebieten im Angebot hatte.
Mahmoods BDS-Connection wurde vor zwei Jahren erneut offensichtlich, als sie einem Gesetzentwurf die Unterstützung versagte, dem zufolge öffentliche Einrichtungen mit Geldstrafen belegt werden sollten, wenn sie Boykottkampagnen gegen Israel unterstützen. Das schon 2019 vom damaligen Premier Boris Johnson angekündigte Gesetz kam letztlich wegen der vorgezogenen Wahlen nicht zustande.
Wie hält sie es mit Terroristen?
Manchmal zieht sich Mahmood offenbar durch Stimmenthaltung oder Abwesenheit aus der Glaubensaffäre. Am Wochenende protestierten hunderte Islamisten auf dem Londoner Parliament Square gegen die Entscheidung der Regierung, das Aktivistennetzwerk Palestine Action zu verbieten, das im Juli offiziell als terroristische Organisation eingestuft worden war. Anders als nach der Verurteilung des Hamas-Terrors vor knapp zwei Jahren erntete Mahmood in dieser Causa aus dem islamistischen Lager durchaus wohlwollende Kommentare: Sie hatte sich an der Entscheidung nicht beteiligt.
Auch mit einer ihrer letzten Amtshandlungen als Justizministerin hätte Mahmood Farbe bekennen können: Vorige Woche wurde bekannt, dass der 2012 zu 16 Jahren Haft verurteilte Islamist Mohammed Shahjahan aus dem Gefängnis entlassen wurde. Er hatte Anschläge auf Premier Johnson und die Londoner Börse geplant. Das Nachrichtenportal „GB News” publizierte nun ein geleaktes Dokumente des Bewährungsausschusses über Shahjahans Freilassung, das eine aufschlussreiche Passage enthält: „Die Staatssekretärin (Shabana Mahmood, Anm.) hat beschlossen, bei der Bewährungsanhörung am 21. Mai 2025 nicht vertreten zu sein.”
Noch höhere Weihen?
Warum sie verhindert war und damit die Gelegenheit, sich gegen eine Entlassung des Extremisten querzulegen vertan hat, ist nicht bekannt. Britische Medien spekulieren indes schon, ob Mahmoods jüngster Karrieresprung nicht der letzte gewesen sein könnte. „Beschrieben als eine pragmatische Politikerin mit einem Gespür für die Zeit, wird Mahmood von einigen als mögliche zukünftige Labour-Vorsitzende betrachtet”, schrieb der „Guardian” schon Mitte August.
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