Islamisten toben: Imame besuchten in Israel Holocaust-Gedenkstätte
15 Imame haben sich den Zorn der Muslimbruderschaft und ihr nahestehender Organisationen zugezogen: Sie haben Israel einen Solidaritätsbesuch abgestattet und in Yad Vashem der Opfer des Holocaust gedacht. Ein absolutes No-Go für Islamisten.
Der Pariser Imam Hassen Chalghoumi (M.) und der ehemalige Dschihadist Dahri Noor (l. und r.) besuchten gemeinsam mit anderen Imamen Israel, wo sie der Opfer des Holocausts und des 7. Oktober 2023 gedachten. zVg/zVg
„Ich konnte den Schmerz und die Trauer in den Gesichtern der jüdischen Menschen auf den Bildern nicht ertragen. Es überstieg völlig meine Vorstellungskraft. Das Problem ist, dass es immer noch Muslime gibt, die glauben, der Holocaust habe nicht stattgefunden. Von hier aus wird unsere Botschaft an die muslimische Gemeinschaft sehr klar sein: Ihr müsst anerkennen, dass der Holocaust stattgefunden hat”, das war die Botschaft, die Dahri Noor Mouhammad am 7. Juli aus Yad Vashem an seine Glaubensbrüder sandte. Der Direktor des britischen Think Tanks Islamic Theology of Counter Terrorism (ITCT) begleitete eine Gruppe von 15 Imamen aus Belgien, Frankreich, Großbritannien, Italien und den Niederlanden auf einer Israel-Reise.
Ex-Dschihadist bei Herzog
Angeführt vom Pariser Imam Hassen Chalghoumi besuchte die Delegation neben der Holocaust-Gedenkstätte auch Orte der Hamas-Massaker vom 7. Oktober 2023. In Jerusalem wurde sie von Staatspräsident Isaac Herzog empfangen. Chalghoumi betonte bei dem Treffen, dass „der Krieg nach dem 7. Oktober kein Krieg zwischen Israel und der Hamas ist. Es ist ein Krieg zwischen zwei Welten: einer Welt des Lichts und einer Welt der Dunkelheit”.
Herzog würdigte den Besuch als ein „Zeichen moralischer Courage”. Mit Dahri Noor hatte der israelische Präsident auch einen früheren Islamisten zu Gast. Der heute mit seinem Institut in Leicester islamische Extremisten bekämpfende gebürtige Pakistani war früher selber einer: „Ich trat schon sehr früh in meinem Leben einer dschihadistischen Organisation bei“, erinnerte sich Noor Dahri vor einem Jahr in einem Interview mit der Jerusalem Post. „Mein Ziel war es, Ungläubige im Namen Allahs zu bekämpfen, weil sie laut der dschihadistischen Ideologie, der ich folgte, Feinde des Islam waren.“
Morddrohungen
Die wütenden Reaktionen auf die Israel-Visite der Imame werden ihn nicht überrascht haben. Denn er sei seit Beginn des Kriegs zwischen Israel und der Hamas im Oktober 2023 „der einzige muslimische Pakistaner in meiner Gemeinschaft, der offen das Recht Israels unterstützt hat, gegen die Hamas zu kämpfen – und ich habe einen hohen Preis dafür bezahlt.” Als bedingungsloser Unterstützer Israels setze er sein Leben aufs Spiel und erhalte Morddrohungen. „Ich kann in meiner Stadt in keiner Moschee mehr beten.”
„Jüdischer Imam”
Auch Hassen Chalghoumi weiß, was es bedeutet, aus der fundamentalistischen Reihe zu tanzen. 2010 hatte der aus Tunesien stammende Imam das in Frankreich eingeführte Burkaverbot begrüßt und den Ganzkörperschleier als „Frauengefängnis” bezeichnet. Schon 2006 hatten Einbrecher seine Wohnung verwüstet, nachdem er die französischen Muslime zum Respekt gegenüber dem Holocust-Gedenken aufgerufen hatte. „Jüdischer Imam” wird er seither von manchen Glaubensgenossen geschimpft. Ein Dutzend Polizisten bewacht Chalghoumi rund um die Uhr.
Die Bodyguards werden nun wieder besonders gut auf ihren Schützling aufpassen müssen. Denn tatsächlich tobt in islamistischen Kreisen wegen des Israel-Trips ein Sturm der Entrüstung. Vor allem Organisationen im Dunstkreis der Muslimbruderschaft schäumen. Ali al-Qaradaghi, Generalsekretär der International Union of Muslim Scholars (IUMS), reagierte auf X mit diesen Worten: „Verstoßt diejenigen, die die Anliegen der Nation für einen billigen Preis verkauft haben.”
„Dschihad gegen Israel”
Die IUMS hatte im Frühjahr für Schlagzeilen gesorgt: Anfang April veröffentlichte sie eine Fatwa, in der „der bewaffnete Kampf (Dschihad) gegen Israel“ zur individuellen religiösen Pflicht für jeden fähigen Muslim erklärt wird – der exxpress berichtete. Die Erklärung richtete sich an die „muslimischen Nationen“, aber ebenso ausdrücklich an „alle Muslime weltweit“. Wörtlich hieß es, es sei „verpflichtend, sich am Dschihad gegen die zionistische Entität und alle, die mit ihr im besetzten Land kollaborieren – seien es Söldner oder Soldaten aus irgendeiner Nation – zu beteiligen“.
Die IUMS residiert übrigens früher in Dublin an der derselben Adresse wie der Fatwa-Rat, nämlich im Islamic Cultural Centre of Ireland, dem Sitz des irischen Ablegers der Muslimbruderschaft, bevor sie ihren Sitz nach Katar verlegte, weiß die Wiener Islamismus-Expertin Nina Scholz und fügt an, dass „einige Mitglieder der IUMS nach wie vor gleichzeitig dem Europäischen Fatwa-Rat angehören, der in Europa lebenden Muslimen Ratschläge für ein schariakonformes Leben erteilt und Fatwas erstellt”.
„Verrat von Irregeleiteten”
Auch die renommierte islamische Universität Al-Azhar in Ägypten distanzierte sich von den 15 Imamen und bezeichnete sie als „irregeleitet”. Sie seien nicht repräsentativ für die muslimische Gemeinschaft. Der Besuch in Israel stelle einen „Verrat an religiösen und menschlichen Werten” dar und stehe im Widerspruch zum Leiden des palästinensischen Volkes.
Ein „Europäischer Rat der Imame” (ECI) verurteilte „diese schändliche Tat (die Israel-Reise der Imame, Anm.) aufs Schärfste”. Alle Imame, Gelehrte, Aktivisten und freiheitsliebenden Menschen aller Glaubensrichtungen werden dazu aufgerufen, „ihre Bemühungen zur Unterstützung des unterdrückten palästinensischen Volkes zu intensivieren und sich dem Völkermord und der ethnischen Säuberung im Gazastreifen entgegenzustellen”.
Jeder Versuch, Verbrechen der Besatzer zu beschönigen, werde „als Verrat an Allah, seinem Gesandten und als Vergießen des Blutes der Unterdrückten betrachtet”. Die 2019 nach Eigendarstellung „auf Initiative einer Elitegruppe von Imamen, Wissenschaftlern und Predigern” gegründete Organisation hat zwar keinerlei EU-Bezug, gibt sich aber durch die Webadresse „euimams.org” einen EU-europäischen Anschein. Geradezu provokant das Logo des Imame-Rates: Über EU-Sternen eine Kuppel mit Halbmond.
Zumindest eine Nähe des ECI zur Muslimbruderschaft ist evident. Auf einem Foto der Gründungsversammlung sind mehrere Personen mit Bezug zum European Council for Fatwa and Research (ECFR) bzw. zur Federation of Islamic Organizations in Europe (FIOE) zu sehen – beides von der Muslimbruderschaft dominierte Organisationen.
Auch der Generalsekretär des ECFR, Hussain Halawa, ist mit von der Partie. Ebenso Khaled Hanafy, Dekan des von deutschen Verfassungsschützern als „Muslimbruderschaft-nahe” eingestufte Frankfurter Europäischen Instituts für Humanwissenschaften (EIHW).
Imam gefeuert
In den Niederlanden hatte die Israel-Reise bereits personelle Konsequenzen. Die Moschee in der Stadt Alkmaar hat ihren Imam entlassen, weil dieser Teil der Israel-Reisegruppe war. Imam Youssef Msibih sei „mit sofortiger Wirkung“ seines Amtes enthoben worden, teilte die Bilal-Moschee mit.
Seine Entscheidung, sich für die Normalisierung der Beziehungen zu einem Regime instrumentalisieren zu lassen, das täglich palästinensisches Blut vergieße, sei nicht nur fehl am Platz – sie sei eine moralische Schande, heißt es in einer Erklärung der Moschee. Was Msibihs Glaubensbrüder besonders empörte, war das Absingen der arabischen Version der israelischen Nationalhymne beim Treffen mit Präsident Herzog.
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