Islamistische Influencerinnen missionieren Mädchen - So agiert der Politische Islam in Österreich
Die Dokumentationsstelle Politischer Islam (DPI) beobachtet seit fünf Jahren, wie sich islamistische Akteure in Österreich organisieren, vernetzen und strategisch anpassen. Im Gespräch erklärt Direktorin Lisa Fellhofer, warum der Politische Islam keine Glaubensfrage, sondern eine Machtfrage ist – und wie sehr sich die Szene ins Netz verlagert hat, wo vor allem islamistische Influencerinnen gezielt junge Mädchen ansprechen.
Am Begriff „Politischer Islam“ wurde seit der Gründung der DPI viel gestritten – inhaltlich hat sich für Fellhofer an der Definition jedoch wenig geändert.
Sie sagt gegenüber MeinBezirk: „Wir haben durch unsere Arbeit gesehen, dass die Definition, die am Anfang erarbeitet wurde, eine durchaus vernünftige Grundlage bietet.“ Die Kurzfassung „ist eine Herrschaftsideologie, die im Wesentlichen gegen Rechtsstaat, Demokratie und Menschenrechte verstößt.“
Wichtig ist ihr die Abgrenzung zur Religion: „Es geht nicht um die Religion des Islam, sondern um Extremisten, die auf Basis von religiösen Werten versuchen, Politik zu betreiben, die Demokratie und den Rechtsstaat aushöhlt.“
Religiöser Extremismus existiere auch in anderen Religionen, betont sie. „Aber im Bereich des Politischen Islam ist dieser in den letzten Jahren in Europa und Österreich viel sichtbarer und offener zutage getreten. Das ist vor allem dann der Fall, wenn es zu Radikalisierung oder am Ende zu Terroranschlägen führt, die im Namen der Religion durchgeführt werden.“
Hamas-Anschlag, Gaza und die „Atempause“: Wie Konflikte instrumentalisiert werden
Der aktuelle Jahresbericht der DPI setzt laut Fellhofer zwei klare Schwerpunkte: einerseits die Folgen des Terroranschlags der Hamas vom 7. Oktober 2023 und des Krieges in Gaza, andererseits die neue Online-Dynamik.
Zur Lage im Nahen Osten sagt sie: „Die momentane Waffenruhe wird von extremistischen Online-Akteuren nicht als Frieden, sondern lediglich als Atempause gesehen. Das dezidierte Endziel radikaler Positionen bleibt weiterhin: Israel gehört weg.“
Um die Stimmung hochzuhalten, würden auch andere Konflikte hineingezogen: „Um diese emotionalisierte Stimmung aufrechtzuerhalten, sehen wir aktuell, wie andere Konflikte – beispielsweise im Sudan – mit dem Gaza-Konflikt verknüpft werden.“ Der 7. Oktober habe „das gesellschaftliche Zusammenleben in Europa weiter polarisiert“. Ihr Fazit: „Es wird viel Arbeit nötig sein, um wieder zu einem Miteinander zurückzukommen.“
„Lifestyle-Islamisten“ und Influencerinnen: Missionierung im Netz
Besonders deutlich zeigt sich der Wandel für die DPI im Online-Bereich. Fellhofer erklärt: „Waren lange Zeit vor allem männliche Influencer dominant, stellen wir jetzt fest, dass auch islamistische Influencerinnen viel aktiver sind. Sie versuchen bewusst und gezielt, junge Mädchen und Frauen für ihre fundamentalistische Version des Islam zu missionieren.“
Diese „Lifestyle-Islamisten“ funktionieren anders als klassische Prediger. „Der entscheidende Unterschied liegt darin, dass beispielsweise die Radikalisierung online durch Videos, Beiträge und ähnliche Formate viel schneller passiert. Man muss sich dort nicht zwangsläufig in islamtheologische Debatten vertiefen.“ Stattdessen gehe es darum, tiefere Bedürfnisse zu adressieren.
„Vielmehr geht es darum, Themen anzusprechen, die auf tiefer liegenden Bedürfnissen basieren – theologisch betrachtet durchaus fragwürdige Inhalte, die jedoch äußerst wirkmächtig sind.“ Die visuelle Inszenierung spiele dabei eine Schlüsselrolle: Jugendkultur lebe von Ästhetik und Bildern, „weit mehr als ein salafistischer Prediger es könnte“.
Die Frage hinter all dem formuliert Fellhofer selbst: „Die zentrale Frage bleibt allerdings: Glauben die jungen Menschen tatsächlich an diese Inhalte, oder dienen sie lediglich als Vehikel für tieferliegende Sehnsüchte und Bedürfnisse?“ Prävention müsse genau dort ansetzen: „Das Kernthema der Präventionsarbeit besteht darin, diese zugrunde liegenden Motive zu identifizieren und anzusprechen.“
Warum dieses Frauenbild für Mädchen attraktiv wirkt
Wie kann ein fundamentalistisches Rollenmodell für Frauen in Europa attraktiv sein, obwohl es mit weniger Rechten verbunden ist? Fellhofer verweist auf den enormen Druck auf junge Frauen: Aussehen, beruflicher Erfolg, Familie – alles gleichzeitig.
Sie sagt: „Die islamistischen Influencerinnen erklären ihnen: ‚Ihr müsst euch diesen Zwängen nicht unterwerfen, die euch der Westen auferlegt‘. Sie bieten ein einfaches Alternativmodell an, das glücklich machen soll, und blenden alles Negative aus.“ Doch sie warnt: „Theologisch gesehen sind diese Inhalte allerdings oft auf sehr wackeligen Beinen.“
Schule, Symbole und Prävention statt Generalverdacht
Ein weiteres Feld, in dem sich politischer Islam bemerkbar macht, ist die Schule. Fellhofer sagt zur Arbeit mit Lehrkräften: „Wir stehen im Austausch mit Pädagogen. Das Wichtigste ist, Lehrer und Lehrerinnen nicht allein zu lassen.“ Sie fordert konkrete Informationen – etwa zur Symbolsprache: „Man muss Lehrpersonal Informationen an die Hand geben, beispielsweise zu Symbolen und Handgesten.“
Die Lücke beschreibt sie so: „Während jeder Österreicher weiß, was Symbole aus dem Nationalsozialismus sind, ist die Symbolik des Islamismus noch nicht so bekannt. Es ist ein wichtiger, präventiver Schritt, hier die Information zu geben.“
Gleichzeitig warnt sie vor Generalverdacht: „Wir müssen in jedem Setting darauf hinweisen: Es geht nicht um die Religion des Islams, sondern um den Islamismus – also um jene, die versuchen, die Religion für ihre eigenen politischen Zwecke zu missbrauchen.“ Die Community selbst habe damit zu kämpfen: „Es ist wichtig zu sehen, dass auch die Community selbst mit Problemen zu kämpfen hat, weil sie in Kontakt mit Islamisten kommt. Muslime wissen oft sehr genau, mit wem sie es zu tun haben.“
„Blinder Fleck“ bei Symbolen – und mangelnde Konfliktfähigkeit
Politisch sieht Fellhofer neben gesetzlichen Änderungen wie der Reform des Islamgesetzes vor allem Defizite bei Information und Debattenkultur. „Abgesehen von gesetzlichen Neuerungen wie der Reform des Islamgesetzes (die, die Auslandsfinanzierung eingedämmt hat), fehlt es an Information und einer offenen Diskussionskultur. Wir haben einen blinden Fleck bei der Erkennung von islamistischen Symbolen. Und es fehlt an Konfliktfähigkeit in der Debatte.“
Ihre Schlusswarnung ist eine grundsätzliche: „Es ist für eine Demokratie lebenswichtig, dass man unterschiedliche Meinungen aushält, solange diese den rechtsstaatlichen Rahmen nicht überschreiten.“
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