Islamistischer Spion im DSN auf freiem Fuß! Österreichs Kuscheljustiz
Ein islamistischer Spion wurde beim Nachrichtendienst DSN enttarnt – und Österreich lässt ihn laufen. Sicherheitsexperten sind ratlos: Warum sitzt dieser Mann nicht in U-Haft, wie sonst üblich?
Hinter diesen Mauern arbeitet künftig der DSN – und ein mutmaßlicher islamistischer Spion, der für den DSN arbeitete, läuft nun frei herum.APA/GETTYIMAGES
Ein mutmaßlicher Islamist im österreichischen Nachrichtendienst – aber frei. Während westliche Demokratien Spione im Staatsdienst sofort aus dem Verkehr ziehen, entscheidet die österreichische Staatsanwaltschaft: keine Haft, keine Gefahr. Die Diskrepanz könnte größer kaum sein.
Ein „tatsachengeständiger“ Beamter im Umfeld der Muslimbruderschaft
Anfang Oktober flog ein Polizeibeamter auf, der in den Terrorismusbereich der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) versetzt worden war. Die Vorwürfe: unzulässige Datenabfragen, Bezug zur Muslimbruderschaft, möglicher Informationsabfluss über Ermittlungen. Der Mann wurde suspendiert, seine Wohnung durchsucht, elektronische Geräte sichergestellt. Er zeigte sich laut Staatsanwaltschaft Wien hinsichtlich der Datenabfragen „tatsachengeständig“. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Das Innenministerium erklärte, er habe „keinen Zugriff auf nachrichtendienstlich heikle Daten“ gehabt. Doch der mögliche Schaden ist beträchtlich: Der Mann war in genau jenem Bereich eingesetzt, in dem Österreichs sensibelste Bedrohungsanalysen erstellt werden.
Trotz allem: keine U-Haft – „keine Haftgründe“
Der entscheidende Schritt, der in Fachkreisen für Aufsehen sorgt: Die Staatsanwaltschaft Wien stellte keinen Antrag auf Untersuchungshaft, weil sie keine Haftgründe sah – insbesondere keine Fluchtgefahr und keine Tatbegehungsgefahr.
Damit sitzt der mutmaßliche Innentäter nicht in U-Haft, sondern ist frei – und das in einer Phase, in der Ermittler noch prüfen, ob Daten an islamistische Strukturen abgeflossen sind.
Islamistische Netzwerke operieren grenzübergreifend und sind eine reale Gefahr
Besonders unverständlich wirkt die Entscheidung vor dem Hintergrund der aktuellen Sicherheitslage. Erst kürzlich hat die DSN in Wien ein Waffenversteck entdeckt, das nach Erkenntnissen der Behörden der Terrororganisation Hamas – dem palästinensischen Zweig der Muslimbruderschaft – zugerechnet wird. Die dort gelagerten Waffen sollten für mögliche Anschläge auf jüdische und israelische Ziele in Europa bereitstehen.
Gleichzeitig stehen in Deutschland mutmaßliche Hamas-Mitglieder vor Gericht, denen vorgeworfen wird, in mehreren europäischen Ländern Waffenlager für Angriffe auf jüdische Einrichtungen aufgebaut zu haben.
Damit ist klar: Islamistische Netzwerke operieren längst grenzüberschreitend und bereiten ganz real bewaffnete Aktionen in Europa vor. Gerade deshalb ist es kaum nachvollziehbar, dass bei einem möglichen Innentäter aus ihrem Umfeld im österreichischen Nachrichtendienst weder Tatbegehungs- noch Verdunkelungsgefahr gesehen wird.
Besonders erstaunlich: Österreich war bei Egisto Ott weit strenger
Im Fall des Spionageverdachts gegen Egisto Ott entschieden die österreichischen Behörden völlig anders. Der frühere Mitarbeiter des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) wurde mehrfach in Untersuchungshaft genommen – zuletzt 2024 –, nachdem er wegen mutmaßlicher Kontakte zu russischen Geheimdiensten, illegaler Datenabfragen und der Weitergabe sensibler Informationen festgenommen worden war.
Die Justiz begründete die U-Haft damals ausdrücklich mit Verdunkelungsgefahr – also der möglichen Vernichtung oder Manipulation von Beweisen – und Tatbegehungsgefahr, der Gefahr erneuter oder fortgesetzter schädlicher Handlungen. Mit anderen Worten: Bei Ott ging man auf Nummer sicher und zog den Verdächtigen sofort aus dem Verkehr.
Bei einem mutmaßlich islamistisch beeinflussten DSN-Beamten hingegen, der Zugriff auf sensible Strukturen hatte, sieht dieselbe Staatsanwaltschaft im aktuellen Fall keine Haftgründe, die eine U-Haft rechtfertigen würden. In Sicherheitskreisen sorgt diese Diskrepanz für massives Kopfschütteln.
Spione im Dienst werden überall sofort eingesperrt
In fast allen relevanten Demokratien gilt eine einfache Regel: Spion im Dienst bedeutet sofortige Inhaftierung. Nicht weil alles bereits bewiesen wäre – sondern, um Schäden, Vernichtung von Beweisen oder Kontaktaufnahme zu Hintermännern zu verhindern.
Einer der spektakulärsten Spionagefälle Europas ereignete sich kürzlich in Deutschland: Carsten L., Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes, soll streng geheime Unterlagen an Russland übermittelt haben. Am 21. Dezember 2022 wurde er durch den Generalbundesanwalt festgenommen. Bereits am nächsten Tag ordnete der Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof die Untersuchungshaft an – wegen hoher Verdunkelungsgefahr, Gefahr neuer Tatbegehung und Gefahr diplomatischer Schäden.
Das Verfahren wird bis heute unter höchster Geheimhaltungsstufe geführt. Zusätzlich wurde ein mutmaßlicher Kurier, Arthur E., ebenfalls in U-Haft genommen. Deutschland kennt hier Nulltoleranz.
2016 fasste Deutschland einen Islamisten in den eigenen Reihen: Ein Mitarbeiter des Verfassungsschutzes (BfV) spionierte für Islamisten und wollte interne Informationen verkaufen. Der Mann wurde sofort festgenommen und kam unmittelbar in U-Haft. Der Fall löste eine bundesweite Debatte über Sicherheitsprüfungen im Inlandsgeheimdienst aus.
Und auch die USA handeln nicht anders: Aldrich Ames gilt als einer der gefährlichsten Maulwürfe der CIA. Im Februar 1994 wurde er festgenommen, nachdem er Identitäten, Operationen und Doppelagenten an Russland verraten hatte. Nach der Festnahme: sofort U-Haft, anschließend lebenslange Haftstrafe ohne Bewährung.
Robert Hanssen, der wohl größte Innentäter in der Geschichte des FBI, wurde 2001 beim Hinterlegen von Geheimdokumenten („Dead Drop“) verhaftet. Auch hier: sofort U-Haft, später fünfzehnmal lebenslange Haft. Das FBI stuft Innentäter als „nationale Bedrohung höchster Stufe“ ein.
Wohin man auch schaut: Sobald ein Innentäter enttarnt wird, ist U-Haft Standard.
Österreich geht den entgegengesetzten Weg
Während westliche Dienste Innentäter als existenzielle Bedrohung sehen, lautet das österreichische Fazit: „Keine Haftgründe.“
Was die offiziellen Begründungen so verwunderlich macht: Wer Daten abfragt, kann sie jederzeit weiterleiten. Islamistische Netzwerke funktionieren global. Ob Verdunkelungsgefahr besteht, ist offiziell noch Gegenstand der Ermittlungen. Klar ist jedoch: Verdunkelungsgefahr entsteht heute vor allem digital: Ein Smartphone genügt, um Beweise in Sekunden zu vernichten.
Gerade in Frühstadien von Unterwanderungsversuchen wird international immer U-Haft verhängt, um Schäden zu verhindern.
Noch viele offene Fragen
Der exxpress hat Justiz- und Innenministerium um Stellungnahmen gebeten. Was die Frage der nicht verhängten U-Haft und des Ausschlusses von Verdunkelungsgefahr trotz möglicher islamistischer Hintermänner betrifft, verweist das Innenministerium auf das Justizministerium – das bis Redaktionsschluss nicht reagiert hat. Überdies stellte uns das Innenministerium eine Stellungnahme zur Abweichung von internationalen Standards und zur Bewertung eines möglichen islamistischen Einflussrisikos in Aussicht. Sobald Antworten eintreffen, berichten wir weiter.
Dieser Fall wird international beobachtet
Ein islamistisch motivierter Verdachtsfall innerhalb eines Nachrichtendienstes ist das Worst-Case-Szenario jeder Sicherheitsbehörde. Dass Österreich ausgerechnet in so einem Fall auf U-Haft verzichtet, wirft Fragen auf, die dringend beantwortet werden müssen.
Internationale Dienste werden diesen Fall genau beobachten – denn Innentäter sind nie nur ein nationales, sondern immer auch ein diplomatisches Problem.
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