Würde Israels Premier Benjamin Netanjahu nach Österreich reisen, müsste er mit seiner Verhaftung rechnen – zumindest schweigt Außenministerin Beate Meinl-Reisinger (NEOS) zu dieser zentralen Frage. In einer brisanten Anfragebeantwortung vermeidet sie jede Kritik am internationalen Haftbefehl gegen den israelischen Regierungschef. FPÖ-Mandatar Norbert Nemeth hatte sie dazu befragt – und dabei auch auf schwere Vorwürfe gegen den Chefankläger Karim Ahmad Khan hingewiesen: Gegen ihn wird wegen sexueller Belästigung ermittelt, mehrere Medien mutmaßen, mit dem Haftbefehl wollte Khan davon ablenken.

Während andere Israel wohlgesinnte Staaten klar Stellung bezogen, hüllt sich Meinl-Reisinger in diplomatische Floskeln. Zwar habe man sich für eine unabhängige Prüfung der Vorwürfe gegen Khan eingesetzt – zum Haftbefehl selbst aber verliert sie kein Wort der Kritik, keine Spur von Solidarität mit Israel. Für eine Politikerin, die sich öffentlich als „Freundin Israels“ bezeichnet, ist das bemerkenswert.

Deutliche Worte anderswo

Ganz anders handeln andere Freunde Israels: Argentiniens Präsident Javier Milei bezeichnete den Haftbefehl als „Irrweg“. Als Israels Premier Netanjahu Anfang April auf Einladung von Viktor Orbán nach Budapest reiste, verweigerte Ungarn nicht nur die Auslieferung, sondern erklärte offen, den Haftbefehl nicht anzuerkennen. Und Meinl-Reisinger? Sie schweigt.

Zeichen der Freundschaft trotz Haftbefehl: Ungarns Premier Viktor Orbán empfängt Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu am 3. April 2025 in Budapest – und verweigert demonstrativ jede Kooperation mit dem Internationalen Strafgerichtshof.APA/AFP/Attila KISBENEDEK

Pro-Hamas-Schreiben kein Widerspruch?

Vergangene Woche geriet die NEOS-Politikerin erneut in Erklärungsnot: Sie unterzeichnete eine gemeinsame Erklärung von 29 Außenministern, die einseitig Israel für die humanitäre Lage in Gaza verantwortlich macht – ohne eine Schuld der Terrororganisation Hamas auch nur zu erwähnen. Dass Staaten wie Irland und Spanien dieses Schreiben unterzeichneten, überrascht wenig und ist auch stimmig: Beide gelten als Speerspitze der antiisraelischen Agitation in Europa. Doch mit Freundschaft zu Israel ist das schwer vereinbar.

Wörtlich heißt es in dem Papier: „Das von der israelischen Regierung entwickelte Modell zur Verteilung humanitärer Hilfe ist gefährlich, ineffektiv und raubt den Menschen in Gaza die Grundlagen zum Überleben und zur würdevollen Existenz.“ Solche Formulierungen könnten direkt vom Pressedienst der Hamas stammen, die aktuell ums politische Überleben kämpft und Israels Kontrollsystem zur Hilfsverteilung gezielt dämonisiert. Zynischerweise hat die Terrororganisation zuvor selbst Hilfsgüter abgefangen, für überhöhte Preise an die Menschen verkauft und damit ihre Macht zementiert.

Die USA und Deutschland lehnten das Dokument ab. Meinl-Reisinger hingegen erkennt darin allen Ernstes keinen Widerspruch zu ihrer angeblich pro-israelischen Haltung.

Was jetzt, Frau Ministerin? Am 10. Juli empfing Beate Meinl-Reisinger in Wien Israels Außenminister Gideon Saar und seinen deutschen Kollegen Johann Wadephul. Israels Botschafter David Roet sprach von einer „neuen trilateralen Partnerschaft“. Nur eine Woche später stellte Meinl-Reisinger diese selbst in Frage – mit ihrer Unterschrift unter ein Anti-Israel-Dokument, das den Hamas-Narrativ übernimmt.APA/GEORG HOCHMUTH

Klarheit oder Opportunismus?

Das von Meinl-Reisinger mitunterzeichnete Schreiben wurde vom britischen Außenminister David Lammy initiiert. Steve Winston, Geschäftsführer der National Jewish Assembly (NJA) – einer breit aufgestellten jüdischen Interessenvertretung im Vereinigten Königreich – übte daran scharfe Kritik. Auf Anfrage des exxpress zum Verhalten der österreichischen Außenministerin erklärte er: „Als NJA äußern wir uns normalerweise nicht zu Themen außerhalb des Vereinigten Königreichs.“ Aber: „Es ist natürlich legitim, wenn sich eine Außenministerin als Freundin Israels bezeichnet – doch wahre Freundschaft erfordert moralische Klarheit, nicht politischen Opportunismus.“

Immer stärkerer Druck auf Israel

Zurzeit läuft eine groß angelegte, international koordinierte Kampagne gegen Israel – von UN-Organisationen über NGOs bis hin zu Staaten, die der Hamas politisch nahestehen und sie zum Teil sogar finanziell unterstützen. Unter dem Deckmantel humanitärer Besorgnis wird ein Zerrbild gezeichnet, das Israel systematisch als Aggressor erscheinen lässt, der angeblich gezielt Hunger als Waffe einsetzt. Die Warnung vor einer drohenden „Hungersnot“ ist Teil einer Strategie: Israel soll die Kontrolle über Hilfslieferungen abgeben – obwohl gerade dies in der Vergangenheit zur Stärkung der Hamas beigetragen hat.

Dass sich Politiker mit anti-israelischen Agenda daran beteiligen, ist klar. Doch gerade Israels Verbündete müssten in diesem Umfeld Haltung zeigen. Meinl-Reisinger scheint dieser Klarheit auszuweichen. Ihre vermeintliche Freundschaft zu Israel wirkt eher wie höfliche Distanz mit einem Lächeln. Anstatt Rückgrat zu zeigen, rückt sie ab – von Israel und von der Realität. Offenbar blendet sie aus, dass das von ihr unterzeichnete Papier exakt in diese Kampagne passt.

Winston: „Einseitig, gefährlich, irreführend“

Über die von Meinl-Reisinger und zahlreichen Amtskollegen unterzeichnete Erklärung meinte Steve Winston: Sie verschließe die Augen vor der zentralen Verantwortung der Hamas für das Entfachen und die Verlängerung des Krieges. Sie versäume es zudem, die systematische Ausnutzung humanitärer Hilfe durch die Terrororganisation zu benennen. „So zu tun, als existiere die Krise in Gaza im luftleeren Raum, entlastet die Terroristen von ihrer Verantwortung – und untergräbt alle Bemühungen um einen dauerhaften Frieden“, warnt Winston.

Für Winston ist das Dokument „einseitig, gefährlich und irreführend“. Wer Israels Verteidigungsmaßnahmen kritisiere, ohne die Rolle der Hamas auch nur zu erwähnen, stärke genau jene Terrorgruppe, die humanitäre Hilfe plündere, Kinder als Schutzschilde missbrauche und Feuerpausen zur Reorganisation nutze.

„Kein Wort zu Geiseln, keine Sanktionen gegen Hamas“

Besonders absurd sei, dass das von Israel und den USA gegründete Hilfsmodell – der Gaza Humanitarian Fund – in der Erklärung als „entmenschlichend“ diffamiert werde. Dabei sei es gerade dieser Fund, der Hilfslieferungen an der Hamas vorbei ermögliche.

Winston stößt sich auch an der Forderung nach einem „sofortigen Waffenstillstand“ – ohne jede Bedingung, ohne Freilassung der Geiseln. „So zu tun, als bringe ein Waffenstillstand automatisch Frieden, ist nicht nur naiv – es untergräbt Israels legitimes Selbstverteidigungsrecht“, betont er. Während gegen Israel Sanktionen im Raum stünden, werde die Hamas mit keinem Wort erwähnt. „Das ist ein politisches Armutszeugnis.“ Sein Fazit: „Wer Terror nicht mehr klar benennt, verliert jede Glaubwürdigkeit als Partner für den Frieden.“